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KIRCHE/781: Zentralausschuß setzte programmatische Schwerpunkte (ÖRK)


Ökumenischer Rat der Kirchen - Pressemitteilung vom 2. September 2009

Bischof Martin Hein:
Zentralausschuss setzte programmatische Schwerpunkte

Überzeugende Themen und verlässliche Arbeit sind für die Arbeit des Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) ebenso wichtig wie profilierte Repräsentanten, so der Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Martin Hein in einem Interview am Rand der Tagung des ÖRK-Zentralausschusses vom 26. August bis 2. September.

Die Fragen stellte Johannes Minkus.


Frage: Ihr Resümee am Ende dieser Tagung des Zentralausschusses?

Bischof Hein: Wir haben zwei wegweisende Entscheidungen getroffen, von denen ich hoffe, dass beide den Weltkirchenrat nach vorne bringen: Zum einen die Wahl des neuen Generalsekretärs, und zum anderen die Entscheidung über den Ort der nächsten Vollversammlung. Beides ist mit bestimmten programmatischen Schwerpunkten verbunden.

Frage: Welche sind das?

Bischof Hein: Für den neuen Generalsekretär wird es jetzt darum gehen, sich Vertrauen zu schaffen - das ist im Wahlergebnis bereits zum Ausdruck gekommen. Aber immerhin hat auch sein Gegenkandidat eine respektable Stimmenzahl bekommen. Ich denke, dass der neue Generalsekretär sich bemühen wird, ein klares Profil zu entwickeln. So wie er es dargestellt hat, geht es da sicher auch um die theologische Fundierung der Arbeit des ÖRK. Es geht allerdings auch darum, dass die wichtigen Fragestellungen vorangebracht werden, die sich im Nord-Süd-Gefälle niederschlagen. Das traue ich Olaf Fykse Tveit in jedem Fall zu. Und es geht um die Reorganisation von Arbeitsfeldern hier im Haus. Insofern ist es wichtig, dass jetzt jemand von außen kommt mit einem offenen Blick.

Das zweite ist die Entscheidung für Korea als Ort der nächsten Vollversammlung. Man merkt immer noch eine gewisse Betroffenheit der orthodoxen Seite, dass die Entscheidung nicht auf Damaskus fiel. Ich glaube schon, dass man aufpassen muss, dass zwischen den wachsenden Pfingstkirchen und den traditionellen Kirchen, die sich historisch gewachsen insbesondere im Vorderen Orient finden, nicht ein noch stärkerer Graben entsteht. Korea stand für die Orthodoxen, so glaube ich, tatsächlich für eine Form des Christentums, das für sie nicht einfach nachzuvollziehen ist.

Frage: Herr Park sagte heute in der Pressekonferenz, dass der Veranstaltungsort Busan in Korea die Chance biete für einen verstärkten Dialog mit den Evangelikalen und Pfingstkirchen. In welche Richtung könnte ein solcher Dialog gehen?

Bischof Hein: Angesichts der Zersplitterung in der Welt ist es nicht gut, wenn allein die Vielfalt das Profil des Christentums widerspiegelt. Wir müssen versuchen, stärker aufeinander zuzugehen. Schon bei der letzten Vollversammlung in Porto Alegre haben wir versucht, den Kontakt mit den pfingstlerischen Strömungen in Brasilien wenn nicht zu intensivieren, so doch, sie wenigstens besser kennen zu lernen. Das wird in Südkorea auch der Fall sein. Es ist deutlich, dass das Christentum sich weiterentwickelt. Möglicherweise in Formen, die traditionellen, historischen Kirchen fremd sind. Aber man muss auf der anderen Seite sagen: Man darf den Zug auch nicht zu schnell fahren lassen, dann sind diejenigen, die sich näher an der Quelle des Christentums fühlen, sehr schnell abgehängt.

Ein zweiter Punkt ist der: Nach meiner Kenntnis ist in Korea das Wissen über den ÖRK nur rudimentär vorhanden. Den evangelikalen Megakirchen dort, mit bis zu 8000 Personen, die sich in einem Kirchengebäude treffen, ist relativ unbekannt, wie stark das Christentum weltweit verankert ist. Kritisch würde ich anmerken: Das ist ein typisches Zeichen pfingstlerischer Kirchen, dass sie oft sehr auf sich selbst bezogen sind. Sie leben sozusagen aus der unmittelbaren Präsenz des Heiligen Geistes, aber es kümmert sie wenig, dass es darüber hinaus ganz viele andere gibt, und dass das Christentum auch in die Tiefe reicht bis zu den Wurzeln, die es tragen.

Frage: Wie sehen Sie die Wirksamkeit des ÖRK in Deutschland? Wochenlang berichtete die Presse über den Papstbesuch in Israel. Das Presseecho über die Wahl des neuen ÖRK Generalsekretärs war dagegen enttäuschend. Woran liegt das?

Bischof Hein: Der Weltkirchenrat ist eine andere Organisation als die katholische Kirche. Wenn der Papst nach Israel fährt, dann fährt er immer auch als der Vertreter eines Staates. Das ist der Weltkirchenrat natürlich nicht. Es braucht erkennbare Köpfe, die für die Sache des ÖRK einstehen. Wenn man überlegt, dass der erste Generalsekretär des ÖRK, Visser 't Hooft als charismatisch geschildert wird, gibt es sicher einen gewissen Nachholbedarf. Aber man muss sich auch nicht an die Politik der Medien anpassen, die Grunde nur auf Namen schauen, sondern es ist wichtig, überzeugende Themen zu finden, mit denen wir in der Öffentlichkeit präsent sein können. Manchmal ist es auch gar nicht nötig, auf der ersten Seite der Zeitung zu stehen. Wichtig ist, dass wir eine konstante, verlässliche Arbeit in den Gebieten machen, in denen unsere Hilfe als ÖRK benötigt wird.

Frage: Heißt das: Für Sie besteht die Aufgabe des ÖRK weniger in der Wirkung nach außen, sondern es ist schon viel erreicht, wenn die Solidarität der Kirchen untereinander funktioniert?

Bischof Hein: ... und für die Menschen in den Ländern, für die wir eintreten. Ich will an Folgendes erinnern: Es hat 1945 den Besuch einer ökumenischen Delegation aus Genf in Deutschland gegeben. Das war damals der Beginn der Reintegration eines aus eigener Schuld am Boden liegenden Deutschlands. Da hat der ÖRK in einer geradezu verzweifelten Situation ungemein viel bewirkt. Das Stuttgarter Schuldbekenntnis war damals gewissermaßen das Entree der Deutschen zurück in die Gemeinschaft der Kirchen. Solche Momente gibt es in anderen Ländern auch. Die werden dort viel stärker wahrgenommen als bei uns. Wir fragen immer nur: Wo ist unser Gegenüber zum Papst? Da muss man sich nicht vergleichen. Der Papst vertritt eine größere und andere Kirchengemeinschaft als wir, und ich glaube, wir tun gut daran, uns nicht an diese Tradition anzuhängen.

Frage: Die Dekade zur Überwindung der Gewalt war in Deutschland ein Erfolg. Welche Themen könnten künftig auf Interesse stoßen?

Bischof Hein: Ich könnte mir eine Dekade vorstellen, die sich noch stärker als bisher mit der Frage des Menschenbildes befasst: vom Anfang bis zum Ende des Lebens in seiner von Gott gegebenen Würde. Ich glaube, dass auf Dauer das Thema Menschenwürde im Sinne einer ökonomischen Gerechtigkeit, einer sozialen Gerechtigkeit, aber auch im Sinne einer Beschreibung, was menschliches Leben ausmacht, stärker in den Mittelpunkt gerückt werden könnte. Aber das braucht alles noch etwas mehr Überlegung. Jetzt ist es wichtig, dass die Dekade zur Überwindung von Gewalt in Kingston einen überzeugenden Abschluss findet. Was das nächste verbindende Thema sein könnte, hängt sicher auch damit zusammen, welches Thema sich die Vollversammlung in Busan selbst wählen wird.

Weiter Informationen über die Tagung des Zentralausschusses:
http://www.oikoumene.org/cc2009

Der Ökumenische Rat der Kirchen fördert die Einheit der Christen im Glauben, Zeugnis und Dienst für eine gerechte und friedliche Welt. 1948 als ökumenische Gemeinschaft von Kirchen gegründet, gehören dem ÖRK heute mehr als 349 protestantische, orthodoxe, anglikanische und andere Kirchen an, die zusammen über 560 Millionen Christen in mehr als 110 Ländern repräsentieren. Es gibt eine enge Zusammenarbeit mit der römisch-katholischen Kirche. Der Generalsekretär des ÖRK ist Pfr. Dr. Samuel Kobia, von der Methodistischen Kirche in Kenia. Hauptsitz: Genf, Schweiz.


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Quelle:
Pressemitteilung vom 2. September 2009
Herausgeber: Ökumenischer Rat der Kirchen (ÖRK)
150 rte de Ferney, Postfach 2100, 1211 Genf 2, Schweiz
E-Mail: ka@wcc-coe.org
Internet: www.wcc-coe.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. September 2009