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KIRCHE/794: Statement Zollitsch - Weltkirchliches Engagement (DBK)


Pressemitteilungen der Deutschen Bischofskonferenz vom 23.09.2009

Weltkirchliches Engagement

Statement von Erzbischof Dr. Robert Zollitsch (Freiburg), Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, anlässlich des Pressegesprächs während der Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz am 23. September 2009


Vor drei Jahren haben wir im Ständigen Rat der Deutschen Bischofskonferenz ein Projekt auf den Weg gebracht, das den anspruchsvollen Namen "Zur Zukunft der weltkirchlichen Arbeit in Deutschland" trägt. Am morgigen Tag wird in der Vollversammlung über die Ergebnisse beraten. Das Ziel des Vorhabens bestand und besteht darin, das in seiner Breite und Intensität weltweit wohl einzigartige weltkirchliche Engagement der deutschen Ortskirchen den sich verändernden kirchlichen und gesellschaftlichen Wirklichkeiten anzupassen. Alle Beteiligten - die Bischofskonferenz, die Diözesen, die Hilfswerke, die Orden und die katholischen Verbände - wissen: Nur wenn wir die neuen Herausforderungen annehmen, wird unser weltkirchlicher Dienst auch in Zukunft überzeugend und wirkmächtig sein. Nur so können wir auch in den kommenden Jahrzehnten ein starker Partner der Ortskirchen im Süden und Osten bleiben und auch die Armen in ihrem Kampf um menschenwürdige Lebensverhältnisse unterstützen. - Erzbischof Dr. Schick wird sich gleich näher mit diesem Projekt befassen.

Es ist uns Bischöfen aber wichtig, bei dieser Vollversammlung nicht nur über Strukturfragen zu sprechen, so wichtig sie auch sind. Darum führen wir heute einen Studientag zum Thema "Neue Herausforderungen für die weltkirchliche Arbeit in Deutschland" durch, dessen Schwerpunkt darauf liegt, die Entwicklungen im weiten Raum der Weltkirche besser zu begreifen. Wir fragen uns: Was sind die drängenden Probleme, mit denen die Kirche weltweit konfrontiert ist? Mit welchen geistigen, kulturellen und religiösen, aber auch politischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen haben wir es zu tun? Ich bin überzeugt: Wenn wir der Kirche und den Menschen in anderen Ländern helfen wollen, müssen wir uns um ein tieferes Verständnis dieser Prozesse bemühen. Und wir haben heute Morgen einmal mehr auch erfahren, wie viel wir über unsere eigene Situation lernen können, wenn wir uns den Erfahrungen aus der Weltkirche stellen.

Zu Beginn unseres Studientages hat Erzbischof Dr. Schick als Vorsitzender der Bischöflichen Kommission Weltkirche den theologischen Horizont umrissen, der unsere weltkirchliche Arbeit bestimmt. Unsere Bischofskonferenz hat sich den vergangenen Jahren mehrfach mit diesen Fragen auseinandergesetzt. Besondere Bedeutung hatte dabei das Wort "Allen Völkern Sein Heil. Missionarisch Weltkirche sein" (2004), das den für unsere Arbeit zentralen Begriff der Mission neu erschlossen hat.

Im weiteren Verlauf des Studientages sind sodann fünf Arbeitsgruppen gebildet worden, bei denen die Bischöfe zusammen mit renommierten Fachleuten über besondere Herausforderungen der Weltkirche diskutiert haben.

Dazu gehört - erstens - das Erbe des Totalitarismus in den Ländern, die bis zum Beginn der 1990er Jahre der sowjetischen Hemisphäre angehörten. Die Nachwirkungen des kommunistischen Staates und seiner Ideologie sind gesellschaftlich und kulturell auch heute noch stärker, als dies die meisten Beobachter und auch viele Vertreter der Kirche vor zwei Jahrzehnten für möglich gehalten hätten. Überall in diesen Ländern ringt die Kirche darum, den geistigen Raum dier Völker und Gesellschaften neu zu gestalten. Nicht als Lehrmeisterin, wohl aber als partnerschaftliche Ratgeberin ist auch die Kirche in West-Europa in diesen Prozessen gefordert.

Eine zweite Herausforderung, der wir vor allem in Afrika, Lateinamerika und einigen Teilen Asiens begegnen, ist das dramatische Anwachsen vielfältiger neuer religiöser Bewegungen. Innerhalb des Christentums sind es vor allem charismatisch-pfingstlerische Gruppen, die von dieser religiösen Dynamik profitieren. Die herkömmliche Pastoral der katholischen Ortskirchen, aber auch der anderen so genannten "traditionellen" Kirchen ist dadurch mit erheblichen Schwierigkeiten konfrontiert. Tatsächlich wird man nicht sagen können, dass die Herausforderung durch die pentekostalen Gruppen, die oft eine aktive Anwerbe-Strategie unter den katholischen Gläubigen betreiben, bereits angemessene Antworten gefunden habe. Wahrscheinlich ist diese Problematik in der Weltkirche bislang nicht einmal ausreichend in ihrer Breite und Tiefe verstanden worden.

Eine dritte Arbeitsgruppe hat sich mit dem weitverzweigten Themenfeld der Globalisierung befasst. Dabei ist besonders auf die sich verschärfende Tendenz hingewiesen worden, dass globale Problemlagen (wie die Wirtschafts- und Finanzkrise oder der Klimawandel) denen die größten Lasten auferlegen, die die geringste Verantwortung für die Fehlentwicklungen tragen. Ein neues Solidaritätsbewusstsein in den reicheren Ländern, eine weltweit gerechtere Verteilung von Chancen und Belastungen, ist daher dringend erforderlich. Die Enzyklika "Caritas in veritate", in der Papst Benedikt XVI. jüngst die katholische Soziallehre mit Blick auf die Globalisierungstendenzen fortgeschrieben hat, gibt dazu eine Vielzahl wertvoller Hinweise. Es wird darauf ankommen, dass sie in der weiteren kirchlichen und auch gesellschaftlich-politischen Debatte intensiv aufgegriffen werden.

Bekanntlich hat die Globalisierung eine Tendenz zu wachsender Vereinheitlichung von Wirtschaft und Lebensstilen. In vielen Teilen der Welt ruft dies jedoch Gegenbewegungen auf den Plan. Deshalb haben wir in einer vierten Arbeitsgruppe die Rückbesinnung auf eigene kulturelle, ethnische und religiöse Traditionen, die nicht selten mit Ausgrenzung und Gewalt einhergeht, zum Thema gemacht. Kirche und Christen geraten durch diese Entwicklungen in manchen Weltgegenden (etwa im Mittleren Osten) erheblich unter Druck. In einigen Ländern Afrikas mehren sich die Zusammenstöße von Christen und Muslimen. Hier ist große Wachsamkeit geboten. Als Kirche wollen wir die legitimen Interessen bedrängter Christen verteidigen. Nicht zuletzt geht es auch darum, kulturell-religiöse Konfliktpotentiale zu entschärfen und einer Indienstnahme der Religion für politische oder wirtschaftliche Interessen entgegen zu treten.

Die fünfte Arbeitsgruppe hat sich mit dem in vielen Teilen der Welt herrschenden Priestermangel befasst. Es ist sicher legitim, hier einmal darauf hinzuweisen, dass derzeit fast 60 Prozent der europäischen Hilfen für die Priesterausbildung in der Weltkirche von den pastoralen Hilfswerken, den Diözesen und Missionsprokuren aus Deutschland stammt. In unserer Diskussion ging es allerdings nicht nur um den Mangel an Priestern und priesterlichen Berufungen, sondern auch um die Frage, welche Konzeptionen die Ortskirchen in den verschiedenen Weltregionen entwickelt haben, um mit der Mangelsituation umzugehen und Schäden in der Pastoral abzuwenden. Ich bin gewiss: Nichts lässt sich einfach kopieren; aber im Austausch von Erfahrungen können auch wir in Deutschland manches lernen.

So zeigt sich einmal mehr, dass die Weltkirche eine universale Gebets-, Solidar- und eben auch eine Lerngemeinschaft ist. Als Kirche in Deutschland wollen wir auch in Zukunft dazu beitragen, diese Weltkirche in allen ihren Dimensionen zu verwirklichen.


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Quelle:
Pressemitteilung Nr. 120 a vom 23. September 2009
Herausgeber: P. Dr. Hans Langendörfer SJ,
Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz
Deutsche Bischofskonferenz
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. September 2009