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LATEINAMERIKA/073: Die Kirche in Peru sorgt sich um Umwelt und Lebensqualität (Herder Korrespondenz)


Herder Korrespondenz
Monatshefte für Gesellschaft und Religion - 9/2011

Grundlegende Gefährdung des Lebens
Die Kirche in Peru sorgt sich um Umwelt und Lebensqualität

Von Birgit Weiler


Mehr als die Hälfte der gesellschaftlichen Konflikte in Peru haben sozioökologische Ursachen. In einer kaum zu überschauenden Vielzahl von Aktivitäten setzt sich die Sozialpastoral der Kirche für den Schutz der Umwelt, der menschlichen Gesundheit und der Rechte der Armen ein.


Peru ist geprägt durch drei sehr unterschiedliche Lebensräume: durch die Pazifik-Küste (Wüste), die heute die großen städtischen Ballungszentren umfasst, durch das andine Hochland, das in den letzten fünfzig Jahren von der starken Abwanderung in die größeren Küstenstädte, vor allem Lima, beeinträchtigt wurde, und durch das ausgedehnte Amazonasgebiet (fast 60 Prozent des Landes) mit relativ geringer Bevölkerungsdichte. Die geografischen und klimatischen Charakteristika dieser Lebensräume haben die Entwicklung der hohen Biodiversität in Peru ermöglicht.

Insbesondere im Andenhochland und im Amazonasgebiet gibt es umfangreiche Rohstoffvorkommen (Gold, Silber, Kupfer, Zink und weitere Metalle sowie Erdöl und Erdgas). Die Rohstoffförderung führt allerdings zunehmend zu starken sozialen Spannungen und Konflikten. Denn in den wirtschaftlichen Wachstumsprozessen werden sowohl vom Staat als auch von den Unternehmen oftmals internationale Standards zum Schutz von Umwelt und Gesundheit völlig ausgeblendet.

Die "Defensoría del Pueblo en Perú", eine staatliche Institution mit der Aufgabe, die Rechte der Bürger gegenüber dem Staat zu verteidigen und in den Konflikten zwischen Bürgern und Staat zu vermitteln, hat im Juni 2011 einen Bericht vorgelegt. Darin weist sie darauf hin, dass mittlerweile mehr als die Hälfte (55,4 Prozent) der gesellschaftlichen Konflikte in Peru sozioökologische Konflikte sind. Dabei geht es um den Zugang zu den natürlichen Ressourcen und deren verantwortungsvolle Nutzung sowie um lebensnotwendige Güter wie Wasser, saubere Luft und eine intakte Umwelt.


Die Kirche kann nicht indifferent bleiben

Unter ihrem Vorsitzenden, Erzbischof Pedro Barreto von Huancayo, unterstützt die Bischöfliche Kommission für die Soziale Aktion (CEAS) zahlreiche Diözesen in ihrem Engagement für ein stärkeres ökologisches Bewusstsein in Peru, für einen verantwortungsvollen Umgang mit den natürlichen Ressourcen und die dafür notwendige Lebensweise des Maßhaltens und der Solidarität sowie für eine ganzheitliche und nachhaltige Entwicklung. Im Mai 2011 wurde Erzbischof Barreto auch zum Vorsitzenden der Kommission für Gerechtigkeit und Solidarität des lateinamerikanischen Bischofsrates (CELAM) gewählt.

Für CEAS ist beim Setzen seiner Arbeitsschwerpunkte in der Umweltpastoral der Gedanke von Papst Benedikt XVI. grundlegend, dass "die Umwelt als eine Gabe Gottes an alle verstanden werden (muss). Ihr Gebrauch bringt eine Verantwortung gegenüber der ganzen Menschheit mit sich, insbesondere gegenüber den Armen und gegenüber den zukünftigen Generationen" (Botschaft zum Weltfriedenstag 2010). Angesichts der wachsenden Umweltschäden in Peru, der zunehmenden negativen Folgen des Klimawandels, unter denen vor allem die Armen zu leiden haben, und der massiven Abholzung des tropischen Regenwaldes kann und darf die Kirche nicht indifferent bleiben. Denn diese Entwicklungen gefährden grundlegende Menschenrechte wie das Recht auf Leben, Nahrung, Gesundheit und Entwicklung sowie den sozialen Frieden. Daher orientiert sich die Arbeit von CEAS in und mit den verschiedenen Diözesen an dem Aufruf des Papstes "Willst du den Frieden fördern, so bewahre die Schöpfung" (Botschaft zum Weltfriedenstag 2010).

So gibt es beispielsweise im Erzbistum Huancayo (Zentralanden Perus) schwere Umweltprobleme, die vor allem durch eine Schmelzhütte im Zentrum der Stadt La Oroya verursacht worden sind. Diese wird seit 1997 von dem Unternehmen "Doe Run Perú" betrieben, das ein Tochterunternehmen der so genannten Renco Group, einer Holdinggesellschaft in den USA, ist. Die Schmelzhütte hat über viele Jahre giftigen Rauch ausgestoßen, der unter anderem Schwefeldioxid, Blei und Arsen enthielt. Die Giftstoffe gelangten ebenso in den Boden wie in den Fluss Mantaro. Bezeichnenderweise erklärte die US-Umweltorganisation "Blacksmith Institute" im Jahr 2007 La Oroya zur "am stärksten verschmutzten Stadt Lateinamerikas" (Knut Henkel, Blei im Blut, in: Amnesty Journal 01/2010, 57-59). Seitdem ist die Stadt "national und international ein Synonym für die latente Vergiftung der Bevölkerung durch ein skrupelloses Unternehmen".

Das Unternehmen Doe Run Perú hatte sich zu Beginn seiner Aktivitäten in La Oroya gegenüber dem peruanischen Staat zur sukzessiven Erfüllung der staatlichen Umweltauflagen verpflichtet. Es war ein verbindlicher Zeitplan erstellt worden, der vorsah, dass innerhalb von zehn Jahren alle nötigen Maßnahmen zur Verringerung der Umweltbelastungen durchgeführt sein sollten. Das Unternehmen hielt den vereinbarten Zeitplan mit seinen verschiedenen Etappen nicht ein, sondern beantragte mehrfach bei den staatlichen Stellen eine Verlängerung. Dabei übte es Druck auf den Staat aus, indem es mit einer Werksschließung für den Fall drohte, dass der Antrag nicht bewilligt werde. Daraufhin gewährte der Staat 2006 dem Unternehmen einen dreijährigen Aufschub.


Erzbischof Barreto übernahm das Erzbistum Huancayo im Jahr 2004 zu einer Zeit, in der sich der soziale Konflikt in der Stadt verschärfte. Denn in La Oroya standen diejenigen, die das Unternehmen "Doe Run Perú" wegen der von ihm verursachten hohen Umweltbelastungen kritisierten und effektive Maßnahmen zur Verringerung des Schadstoffausstoßes forderten, den Arbeitern des Unternehmens gegenüber, die aufgrund der höheren Umweltauflagen und der damit verbundenen Kosten für das Unternehmen um ihren Arbeitsplatz fürchteten.

Bald stellte sich heraus, dass die hohen Umweltbelastungen nicht nur die Stadt La Oroya betrafen, sondern bereits das gesamte Mantaro-Tal. Dieses besitzt eine hohe Biodiversität und eignet sich sehr für die landwirtschaftliche Produktion. Beides ist jedoch durch die Giftstoffe in Luft, Boden und Wasser gefährdet.

Angesichts dieser Situation war es Erzbischof Barreto ein Anliegen, nicht nur Kritik an den vorhandenen Missständen zu üben. Er wollte zugleich gemeinsam mit anderen Akteuren in der Gesellschaft an einer integralen und dauerhaften Lösung arbeiten. Daher regte er im Jahr 2005 die Bildung eines runden Tisches an, also eines Dialogforums, zwischen Repräsentanten des Unternehmens "Doe Run Perú" sowie anderer Unternehmen, politischen Autoritäten, Repräsentanten der verschiedenen Organisationen der Zivilgesellschaft und der christlichen Kirchen in der Region. Der Vorschlag des Bischofs fand große Zustimmung in der Öffentlichkeit. Daher kam das Dialogforum bald zustande und nahm bereits 2005 offiziell seine Arbeit auf.

Im Jahr 2006 schlossen sich auch die benachbarte Region Junín sowie der Bischof der Diözese Tarma, Richard Alarcón, der Initiative an. Erzbischof Barreto wurde zum Vorsitzenden des Dialogforums ernannt. Im Juni 2011 gehörten dem Forum bereits Repräsentantinnen und Repräsentanten von hundert verschiedenen kirchlichen und zivilen Institutionen an. Sie koordinieren die verschiedenen Aktivitäten des gemeinsamen Projektes "Das Mantaro-Tal lebt wieder auf!", welches die Beseitigung der ökologischen Schäden und eine nachhaltige Entwicklung im Mantaro-Tal zum Ziel hat. Zur Freude aller Beteiligten sind bereits, wie es der Projektname ansagt, erste Anzeichen neuen Lebens im Mantaro-Tal zu sehen.

Aufgrund einer Kooperationsvereinbarung zwischen dem Erzbistum Huancayo und der St. Louis University, Missouri, kam im August 2005 ein Expertenteam der Universität nach Peru, um genau zu erforschen, wie hoch die Umweltbelastungen für die Bevölkerung in den Städten La Oroya und Concepción ist. Zu diesem Zweck nahmen sie Messungen der Luftwerte vor und entnahmen Boden- und Wasserproben. Ebenso nahmen sie von einem repräsentativen Teil der Bevölkerung Blut- und Urinproben, um mögliche Rückstände von Schadstoffen zu ermitteln.

Die Auswertungen der Proben wurden in Laboratorien in den USA vorgenommen. Sie zeigten, dass der Gehalt insbesondere von Blei, aber auch von anderen Schwermetallen wie Cadmium und Quecksilber in Blut und Urin um ein Vielfaches über dem Grenzwert lag, der von der Weltgesundheitsorganisation festgesetzt ist. Vor allem die Kinder unter zwölf Jahren wiesen alarmierende Werte auf. In der vorgefundenen Konzentration wirken sich die genannten Schwermetalle sehr gesundheitsschädigend aus. Eine zu hohe Konzentration von Blei im Blut beispielsweise verursacht nicht nur Atemweg- und Hauterkrankungen sowie Kopfschmerzen, sondern hat auch negative Konsequenzen für die physische und geistige Entwicklung der Kinder. Zudem birgt sie ein hohes Risiko, an Nierenkrebs zu erkranken.

In Zusammenarbeit mit der Caritas und dem städtischen Krankenhaus initiierte der Erzbischof daher ein Ernährungs- und Gesundheitsprogramm, an dem 1200 "Bleikinder" sowie einige schwangere Frauen und ältere Menschen, die ebenfalls unter einer hohen Bleikonzentration im Blut leiden, teilnehmen. Ziel des Programms ist es, das Immunsystem des Körpers zu stärken und dadurch die Aufnahme von Blei und anderen Schwermetallen in den Körper zu verringern. Wie Untersuchungen zeigen, hat das Programm Erfolg.


Wasser als öffentliches Gut

Mehrere Repräsentanten des Dialagforums, darunter Erzbischof Barreto, riefen das Unternehmen wiederholt öffentlich dazu auf, seiner sozialen und ökologischen Verantwortung nachzukommen. Daher war und ist der Erzbischof ständigen Anfeindungen ausgesetzt. Er forderte auch von der Regierung effektive Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung, vor allem der Armen. Denn diese leiden am meisten unter den gesundheitsschädigenden Folgen der Praxis von "Doe Run Perú".

Der peruanische Staat zeigte wiederholt wenig Durchsetzungsbereitschaft in seinen Verhandlungen mit dem Unternehmen über die Erfüllung der vereinbarten Umweltverpflichtungen. Das änderte sich erst im Jahr 2009, als das Unternehmen erneut einen Aufschub der vom Staat gewährten Frist verlangte. Sowohl der starke Protest großer Teile der Zivilgesellschaft als auch die Tatsache, dass die Artischocken aus der Region vom internationalen Handelsmarkt wegen der in ihnen enthaltenen hohen Rückstände von Blei und anderen Giftstoffen nicht mehr für den Export akzeptiert wurden, veranlassten den Staat zu entschiedenen Maßnahmen gegenüber dem Unternehmen.

Daraufhin stellte das Unternehmen wegen angeblicher Zahlungsunfähigkeit im Jahr 2010 seine Produktion großenteils ein. Mit diesem Schritt erhöhte es die sozialen Spannungen in der Stadt La Oroya, da Arbeiter und Angestellte um ihren Arbeitsplatz fürchten und die Organisationen der Zivilgesellschaft für die schwierige Situation verantwortlich machen. Das Unternehmen will auf internationaler Ebene rechtlich gegen den peruanischen Staat vorgehen. Es sieht sich allerdings einer wachsenden öffentlichen Kritik ausgesetzt. Dazu haben kirchliche Solidaritätsaktionen auf nationaler und internationaler Ebene erheblich beigetragen.


In der Millionenstadt Lima ist die Sicherung der Trinkwasserqualität ein ernstes Problem. Das Trinkwasser wird zu einem großen Teil aus dem Rimac, der durch Lima fließt, gewonnen. Daher förderte CEAS ein Projekt zur Erforschung der Qualität des Flusswassers und des daraus gewonnenen Trinkwassers in Lima, das direkte Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen hat. CEAS lud die verschiedenen Diözesen in Lima und im unmittelbaren Umkreis von Lima dazu ein, sich aktiv am Projekt zu beteiligen. Dieses hat zum Ziel, Laien für die regelmäßig durchzuführenden Kontrollen der Wasserqualität sowie für die bewusstseinsbildende Arbeit über den verantwortungsvollen Umgang mit der wertvollen Ressource Wasser auszubilden. Denn Wassermangel ist in verschiedenen Stadtbezirken Limas und in mehreren Provinzen des Landes bereits gegenwärtig ein ernstes Problem. Aktuelle Umweltstudien zeigen, dass in den kommenden Jahren die lebensnotwendige Ressource Wasser aufgrund von Klimawandel und hoher Wasserverschmutzung in Peru sehr knapp werden wird. Daher muss die Motivierung zu einer verantwortlichen Nutzung des Wassers eine Priorität in der Sozialpastoral sein.


Von Anfang an beteiligte sich die Diözese Chosica mit Unterstützung ihres Bischofs Norbert Strotmann sehr engagiert am Projekt. Caritas Chosica koordinierte die entsprechenden Aktivitäten in der Diözese. Nach und nach inkorporierten sich auch die Diözesen Lurin, Carabayllo und Callao sowie drei dicht bevölkerte Stadtviertel der Erzdiözese Lima, nämlich El Agustino, San Luis und La Victoria. Mittlerweile wurden 150 Personen aus 25 verschiedenen Organisationen dazu ausgebildet, regelmäßig die erforderlichen Kontrollen der Wasserqualität durchzuführen und somit einen wichtigen Beitrag zur öffentlichen Gesundheit zu leisten. Sie haben auch die nötigen Fähigkeiten erworben, um die Öffentlichkeit für das Thema "Wasser" zu sensibilisieren.


Im Amazonasgebiet sind indigene Völker und der Regenwald gefährdet

Im Rahmen des Projektes wurden im Juni und Juli 2009 sowie im November 2010 an verschiedenen Stellen des Flusslaufes Wasserproben aus dem Rimac entnommen. Die Auswertung zeigte, dass der Fluss zunehmend durch die Abwässer mehrerer Ortschaften, die ungereinigt in den Fluss eingeführt werden, sowie durch Abfall, der in den Fluss geworfen wird, und vor allem durch Abwässer aus den Bergbaubetrieben verunreinigt wird. Durch die Bergbauunternehmen gelangen Schwermetalle wie Blei und Cadmium ins Wasser, das ins Klärwerk fließt. Es wurde nachgewiesen, dass auch nach den Reinigungsprozessen im Klärwerk Rückstände der Schwermetalle im Wasser bleiben.

Hierbei bereitet vor allem die Tatsache Sorge, dass die peruanischen Gesetze Messwerte von Schwermetallen im Trinkwasser erlauben, die zehnmal höher sind als die Richtwerte der Weltgesundheitsorganisation. Die Ergebnisse der Wasserkontrollen haben die betroffene Bevölkerung dazu motiviert, gemeinsam Maßnahmen zur Verhinderung einer fortschreitenden Verschmutzung des Flusses Rimac sowie zur Sicherung einer ausreichenden Qualität des Trinkwassers und somit zum Schutz der menschlichen Gesundheit zu ergreifen.


Das Amazonasgebiet Perus befindet sich gegenwärtig in einer Phase hemmungsloser Ausbeutung seiner Rohstoffe. Dazu gehören vor allem verschiedene Edelhölzer wie auch Erdöl, Erdgas und Gold sowie andere Metalle. Zudem sind mehrere große Wasserkraftwerke im Regenwald geplant. Hinzu kommt, dass fast eine halbe Million Hektar Land im Amazonasgebiet für Plantagen mit Pflanzen für die Gewinnung von Biokraftstoff genutzt werden sollen. Damit sind drastische Eingriffe in das komplexe und äußerst fragile Ökosystem des Regenwaldes verbunden, die seinen Fortbestand bedrohen. Da Kultur und Lebensqualität der indigenen Völker eng mit dem Regenwald verbunden sind, ist auch das Überleben dieser Völker ernsthaft gefährdet.

In dieser besorgniserregenden Situation haben die Bischöfe im Amazonasgebiet Perus in einem gemeinsamen Hirtenbrief vom 4. Februar 2011 hervorgehoben, dass die Kirche zum Dienst am Leben der indigenen Völker gerufen ist. Sie will ihnen "beistehen, wenn sie ihre Identität und ihre Selbstorganisation sichern, wenn sie ihr Territorium schützen, (...) und ihre Rechte verteidigen" (Schlussdokument der 5. CELAM-Generalversammlung in Aparecida, 530). Gemeinsam mit dem Vorsitzenden der peruanischen Bischofskonferenz, Erzbischof Miguel Cabrejos (Trujillo), erhoben die Bischöfe daher im Februar 2011 öffentlich Einspruch, als Präsident Alán García in den letzten Monaten seiner Amtszeit Gesetzesdekrete mit Dringlichkeitscharakter erließ, um Ausnahmeregelungen zu legitimieren. Sie sollen die Durchführung von 33 Projekten zur Sicherung von Investitionen internationaler Unternehmen in die Rohstoffförderung gewährleisten. Die Bischöfe kritisierten, dass mit Hilfe der Gesetzesdekrete offensichtlich die Bewilligung der Projekte ohne die bislang erforderlichen Umweltgutachten erreicht werden soll. Mit Verweis auf die Enzyklika Papst Pauls VI. "Populorum Progressio" betonten die Bischöfe, dass eine ganzheitliche und nachhaltige Entwicklung den Respekt vor der Erde und ihren Bewohnern verlangt.


Die Initiativen der Sozialpastoral werden nicht von allen Bischöfen mitgetragen

Die Bischöfe und ihre kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern teilen die tiefe Sorge der indigenen Völker über die zunehmende Zerstörung ihres Lebensraumes durch ein Wirtschaftsmodell, "das dem maßlosen Gewinnstreben Vorrang vor dem Leben der Menschen und Völker und vor dem vernunftgemäßen Umgang mit der Natur gibt" (Schlussdokument von Aparecida, 473). In Gemeinschaft mit den indigenen Völkern treten sie dafür ein, dass die Vorlage zu einem Gesetz, das die Konsultation der indigenen Gemeinschaften vor dem Beginn von Bergbau-, Erdöl- und Erdgasprojekten als verbindlich vorschreibt, möglichst bald rechtskräftig verabschiedet wird. Die Gesetzesvorlage beinhaltet die Forderung, dass die betroffene Bevölkerung vor der Konsultation umfassend und ausgewogen über die Vor- und Nachteile des jeweiligen Projektes zu informieren ist. Hier können die kirchlichen Radiostationen einen wertvollen Dienst leisten.


Der neue Präsident von Peru, Ollanta Humala, der am 28. Juli 2011 sein Amt antrat, kündigte in seiner ersten Regierungserklärung an, dass er sich für eine rationale und verantwortungsvolle Nutzung der natürlichen Ressourcen Perus einsetzen werde. Er will eine nachhaltige Entwicklung, die auch die zahlreichen in Armut lebenden Menschen im Land einschließt, fördern. Humala hat ein schwieriges politisches Erbe angetreten, da es seinem Vorgänger an Respekt und Dialogbereitschaft gegenüber den indigenen Völkern im Amazonasgebiet und den Kleinbauern im Andenhochland mangelte und er mit seiner Regierungsweise zahlreiche sozioökologische Konflikte im Land verschärft hat. Alán García vergab auch große Teile des Landes in Konzession an Erdöl- und Bergbaugesellschaften, und zwar unter Auflagen, die sehr günstig für die Unternehmen, jedoch zum Schaden für eine nachhaltige Entwicklung des Landes sind. Die neue Regierung hat hohe Erwartungen geweckt. Es bleibt zu hoffen, dass diese nicht enttäuscht werden.


Die Bischöfe und kirchlichen Mitarbeiter im Amazonasgebiet wertschätzen das umfangreiche traditionelle Wissen der indigenen Völker über die nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen im Regenwald. Das haben die Bischöfe nochmals in ihrer Botschaft zu den Präsidentschaftswahlen 2011 zum Ausdruck gebracht und gesagt: "Die Kirche unterstützt die Indigenen in ihrer Forderung, dass ihre Kosmovision, ihre Werte und ihre kulturelle Identität anerkannt werden und sie so zu einer ganzheitlichen und nachhaltigen Entwicklung und zum Aufbau der peruanischen Nation aktiv beitragen können."

Bereits 2009 hatten die Bischöfe aus dem gesamten Amazonasgebiet Lateinamerikas in einer gemeinsamen Erklärung (4. Oktober 2009) hervorgehoben, dass Lateinamerika dringend der Erarbeitung eines alternativen Wirtschaftsparadigmas bedarf, in dessen Zentrum nicht die Gewinnmaximierung steht. Sie heben hervor, dass die indigenen Völker durch ihr alternatives Verständnis vom Wirtschaften und ihre damit verbundenen Werte ein deutliches Zeichen für ein Umdenken setzen. Die Entschiedenheit, mit der die indianischen Völker für ihre Überzeugungen eintreten, die in ihrer Kosmovision verwurzelt sind, ist beispielhaft für die Kirche. Es kann sie dazu anregen, sich selbstkritisch nach ihrer Entschiedenheit im Engagement für die Werte, die im christlichen Schöpfungsglauben verankert sind, zu fragen.


Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich die Kirche in mehreren Diözesen Perus für den Schutz der Umwelt sowie für eine ganzheitliche und nachhaltige Entwicklung engagiert. Sie arbeitet dabei häufig mit Schulen, Stadtverwaltungen und Organisationen der Zivilgesellschaft zusammen, beteiligt sich an öffentlichen Aktionen zum Schutz von Umweltgütern wie saubere Luft und sauberes Wasser und leistet auch mit ihren Bildungsmaterialien einen wichtigen Beitrag zu einem größeren ökologischen Bewusstsein in der Bevölkerung. Leider werden die hier genannten vielfältigen Initiativen der Sozialpastoral nicht von allen Bischöfen in Peru mitgetragen (vgl. HK, Mai 2007, 256 ff.).


Dr. Birgit Weiler (geb. 1958), Missionsärztliche Schwester, war 16 Jahre in Peru tätig und hat in den vergangenen Jahren am Fachbereich Katholische Theologie der Universität Frankfurt a. M. promoviert. Gegenwärtig lehrt sie an der Jesuitenuniversität in Lima und ist u. a. als theologische Beraterin der "Bischöflichen Kommission für die soziale Aktion" (CEAS) in Peru tätig.


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Quelle:
Herder Korrespondenz - Monatshefte für Gesellschaft und Religion,
65. Jahrgang, Heft 9, September 2011, S. 470-475
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Oktober 2011