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STANDPUNKT/046: Der Vatikan-Staat erkennt Palästina als Staat an (Gerhard Feldbauer)


Der Vatikan-Staat erkennt Palästina als Staat an

Römische Repubblica: Beitrag zur internationalen Anerkennung

Von Gerhard Feldbauer, 15. Mai 2015


Wie Radio Vatikan am Mittwoch meldete, erkennt der Vatikan-Staat Palästina in einem am selben Tag vereinbarten "Grundlagenvertrag" als Staat mit derzeitigem Regierungssitz in Ramallah, an. In der Präambel ist ausdrücklich vom "Staat Palästina" die Rede, womit, wie Monsignore Antoine Camilleri, der Staatssekretär und stellvertretende Außenminister des Papstes, der Vatikanzeitung Osservatore Romano sagte, auf die Hoffnung auf "ein friedliches Ende des Konflikts mit den Israelis" und weiterhin auf die "Zweistaatenlösung", gesetzt werde. Der Staatsvertrag müsse "in naher Zukunft" nur noch von den Staatsoberhäuptern, nämlich Papst Franziskus und Präsident Ahmud Abbas, zur Unterschrift vorgelegt werden, so Camilleri weiter. Die hochrangige palästinensische Politikerin, Mitglied des Exekutivkomitees der Befreiungsorganisation PLO und enge Kampfgefährtin des verstorbenen Yasir Arafat, Hanan Ashrawi, bezeichnete den Staatsvertrag als einen "Beitrag für Frieden und Gerechtigkeit". Der Schritt des Vatikans stärke das Recht des palästinensischen Volks auf Selbstbestimmung, auf formelle Anerkennung seiner Freiheit und Eigenstaatlichkeit.


Habbas wird an Heiligsprechung palästinensischer Nonnen teilnehmen

Es wird vermutet, dass die Unterzeichnung bereits am Wochenende erfolgen könnte, wenn der muslimische Präsident Palästinas an den Feierlichkeiten zur Heiligsprechung zweier Ordensfrauen aus dem Westjordanland durch den Papst in Rom am Sonntag teilnimmt. Wie aus dem Vatikan bekannt wird, werde es ein Treffen Franziskus' mit Abbas geben. Erstmals zu Heiligen aus Palästina werden erhoben die aus Italien stammende Maria Alfonsina Danil Ghattas (1843-1929), die in Jerusalem den Orden der Rosenkranzschwestern gründete, und die Französin Mariam Baouardy (1846-1878), die im galiläischen Ibillin für eine Verständigung zwischen Juden und Moslems wirkte.

Wie in der internationalen Presse findet der Schritt auch in den italienischen Medien ein großes Echo. Mit der Anerkennung durch den Vatikan werde "eine neue Seite in den Beziehungen zwischen beiden Staaten geöffnet, die zur "internationalen Anerkennung" Palästinas beitrage, schreibt Repubblica am Donnerstag. Das regierungsnahe Blatt verweist darauf, dass Palästina als Staat bereits von 135 Ländern anerkannt ist und der Papst diesen Schritt seit seinem Amtsantritt vor zwei Jahren ins Auge gefasst habe. Bereits im Mai 2014 war Franziskus mit Mahmud Abbas in Bethlehem zusammengetroffen.


Auch Vertrag mit Israel "quasi fertig"

Während der Sprecher des israelischen Außenministeriums "enttäuscht" reagierte und erklärte, die Entscheidung des Vatikans werde nicht dazu beitragen, die Palästinenser zu Verhandlungen über eine Friedenslösung für den Nahen Osten zurückzubringen, betonte der Osservatore Romano der Vertrag werde helfen, dass sich Palästina als unabhängiger, souveräner und demokratischer Staat konsolidiert sowie in Frieden und Sicherheit mit Israel und den anderen Nachbarn leben kann. Das Blatt zitiert dazu Staatssekretär Camilleri, dass es bereits seit längerer Zeit parallele Verhandlungen des Heiligen Stuhls mit Israel zur Lösung strittiger Fragen gibt und auch dazu ein Vertrag "quasi fertig" sei.


Vorteile für Vatikan

Der Osservatore Romano informierte weiter, dass das Abkommen wie alle Verträge, die der Heilige Stuhl mit Staaten abschließt, das Ziel verfolge, das Leben und die Aktivitäten der Kirche zu fördern und sie rechtlich anzuerkennen. In dem Völkerrechtsvertrag sichere der palästinensische Staat der katholischen Minderheit - von etwa fünf Prozent unter den mehrheitlich muslimischen Palästinensern - Gewissens-, Religions- und Kultfreiheit sowie die Zulassung der katholischen karitativen Einrichtungen und ihrer sozialen Netzwerke zu.

Ein ganzes Kapitel befasse sich mit Steuer- und Eigentumsfragen, darunter der Befreiung von Eigentum der katholischen Kirche und ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten von Steuern. Hier ist sicher auch zu sehen, dass Palästina, wie verlautet, dem Internationalen Strafgerichtshof beitritt.


Der Papst ist weltliches Oberhaupt eines mächtigen Staates

Beobachter vermerken weiter, dass die Anerkennung durch den Vatikan sich nicht einfach auf den Heiligen Stuhl als Repräsentant der katholischen Kirche mit über 900 Millionen Mitgliedern beschränkt, sondern vom Papst als ebenso weltlichem Oberhaupt des stärksten und eines einflussreichen Staates weltweit ausgeht. Das dürfte sich auch auf die USA und die Bundesrepublik Deutschland auswirken, die bisher dem Palästinenserstaat die Anerkennung verweigern. Nicht zuletzt setzt Franziskus beim Beharren auf Dogmen seiner Kirche wie dem Zölibat oder der Ablehnung des Frauenpriestertums nach der Unterstützung der Annäherung zwischen den USA und Kuba erneut ein Zeichen der Völkerverständigung über unterschiedliche politische wie weltanschauliche und religiöse Fragen hinaus.

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Quelle:
© 2015 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Mai 2015

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