Wenn das Salz verschwindet
Ingolf Bossenz über den christlichen Exodus aus dem Nahen Osten
27. Februar 2016
»Ihr seid das Salz der Erde.« Wie bittere Ironie mag die Verheißung Jesu in der Bergpredigt heute vielen Christen im Nahen Osten aufscheinen - denn deren Präsenz ist in der Region mehr denn je bedroht.
»Ihr seid das Salz der Erde.« Wie bittere Ironie mag die Verheißung
Jesu in der Bergpredigt heute vielen Christen im Nahen Osten aufscheinen.
Verheerung, Verfolgung, Vertreibung - Konflikte und Kriege lassen die in
der Gründungsregion ihres Glaubens verbliebenen Christen immer weniger
werden. So hat sich in Irak deren Zahl nach jüngsten Angaben in den
vergangenen Jahren auf etwa 200.000 halbiert, in Syrien leben nur noch
rund 300.000 von einst knapp 700.000 Christen. Erzbischof Ludwig Schick,
Vorsitzender der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz,
nannte die Zahlen anlässlich einer Konferenz in Rom zu diesem Thema.
Statt vom »Salz der Erde« sprach er von »kleinen Körnern zwischen den
Mühlsteinen«. Um dem Schicksal des Zermahlenwerdens zu entkommen, werde
es wohl weiter einen »dramatischen Exodus« der Christen aus der Region
geben. Dass damit die Probleme nur verlagert und exportiert werden,
zeigen die Kollisionen zwischen Muslimen und Christen sowohl auf den
internationalen Fluchtrouten als auch in den Zielländern islamischer
Einwanderung. Der auflodernde Glaubenshader im »aufgeklärten« Europa
kongruiert mit dem sukzessiven Verschwinden christlicher Präsenz im
Orient. Letzteres ist kein Kollateralschaden, sondern eine Katastrophe.
Denn das Christentum gehört zum Nahen Osten.
*
Quelle:
Ingolf Bossenz, Februar 2016
Der Schattenblick veröffentlicht diesen Artikel mit der freundlichen
Genehmigung des Autors.
Erstveröffentlicht in Neues Deutschland vom 27./28. Februar 2016
http://www.neues-deutschland.de/artikel/1003202.wenn-das-salz-verschwindet.html
veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Februar 2016
Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang