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STANDPUNKT/079: Gericht Kroatiens rehabilitiert wegen Kriegsverbrechen verurteilten Kardinal (Gerhard Feldbauer)


Gericht Kroatiens rehabilitiert Nazi-Verbrecher

Kardinal Stepanic war als Kollaborateur des mit Hitlerdeutschland verbündeten Ustascha-Regimes an der Ermordung von einer Millionen Menschen beteiligt

Von Gerhard Feldbauer, 1. August 2016


Das Bezirksgericht der kroatischen Hauptstadt hat in der vergangenen Woche das 1946 von einem jugoslawischen Gericht gegen den damaligen Kardinal und Erzbischof von Zagreb, Alojzije Stepinac, wegen Komplizenschaft mit dem faschistischen Ustascha-Regime Kroatiens verhängte Urteil von 16 Jahren Zwangsarbeit, die später in Hausarrest umgewandelt wurden, aufgehoben. Die italienische Puplizistin Rosella Lotti schrieb 2005 in der linken Zeitschrift Contradzione (Nr. 208) im Ergebnis ihrer Forschungen in "Der weißgetünchte Fürst", dass "im allerkatholischsten Ustascha-Kroatien" zwischen 1941 und 1945 "über eine Millionen Serben, Männer, Frauen und Kinder, auf grausamste Weise umgebracht" wurden. "Ihre einzige Schuld bestand darin, orthodoxe Christen zu sein; die Ustascha-Horden haben 292 orthodoxe Kirchen zerstört, die besten davon hat sich die katholische Kirche angeeignet." Weitere Opfer waren Juden, Sinti und Roma.

Für Franziskus kommt der Vorfall höchst ungelegen, wurde er doch während seines Polenbesuchs im Vernichtungslager von Auschwitz gerade mit den dort ermordeten Millionen Opfern des faschistischen Massenmords konfrontiert. Die Rehabilitierung des daran in Kroatien beteiligten Kardinals hat der der Papst nicht verurteilt. Mit dem Vorfall, der "ein ungelöster Streitpunkt zwischen katholischen Kroaten und orthodoxen Serben" sei, soll sich, wie Radiovaticana berichtete, die eingerichtete Katholisch-orthodoxe Kommission auf einer Tagung im Oktober in Zagreb befassen.

Die Rehabilitierung eines an den schwersten faschistischen Kriegsverbrechen beteiligten Kardinals konfrontiert Franziskus mit der Tatsache, dass die katholische Kirche seit der Faschismus 1922 in Italien und 1933 in Deutschland und anderswo an die Macht kam, sich zu dessen Verbündeten machte und sich bis heute nicht davon distanzierte, geschweige denn das verurteilte.

Nicht nur das: Unter Pius XII. (Papst 1939-1958) organisierte der Vatikan für Tausende und Abertausende führende Faschisten die Flucht über die im Geheimdienstjargon "Rattenlinie" genannte Route nach Südamerika oder beteiligte sich aktiv daran. Dazu gehörten neben international gesuchten Kriegsverbrechern wie dem NSDAP-Reichsleiter Martin Bormann, Adolf Eichmann, dem KZ-Arzt von Auschwitz Josef Mengele, dem Kommandanten der Vernichtungslager von Sobibor und Treblinka, Franz Sprangl, und dem des Ghettos in Przemysl, Josef Schwammberger, auch der Chef des unter der Okkupation Hitlerdeutschlands proklamierten "Unabhängigen Staates Kroatien", Ante Pavelic, mit fast seinem gesamten Kabinett. Zur Sicherung der Ausschleusung hatte der Bischof Battista Montini, der spätere Papst Paul VI. (1963-1978) persönlich die Ustascha-Führer im Kloster San Girolamo in Rom versteckt. Wie der argentinische Historiker Uki Goni in seinem Buch "Odessa" (Berlin/Hamburg 2006) recherchierte, waren wenigstens 300 der ausgeschleusten Faschisten bereits in Europa abgeurteilte oder angeklagte Kriegsverbrecher. Der im Oktober 1946 in Nürnberg in Abwesenheit zum Tode verurteilte Martin Bormann besaß als Jesuitenpriester getarnt, auf den jüdisch klingenden Namen eines in Polen geborenen Eliezer Goldstein ausgestellte Papiere mit der Unterschrift Pius XII. Zum Stab der Fluchthelfer im Vatikan gehörte der SS-Sturmbannführer Karl Hass, der zusammen mit dem SS-Chef von Rom, Herbert Kappler u.a. an der Ermordung der 335 Geiseln im März 1944 in den Ardeatinischen Höhlen bei Rom beteiligt war.

Laut 1975 in Washington freigegebenen Aufzeichnungen des Finanzministeriums hat der Vatikan bei Kriegsende vom Ustascha-Regime Gold im Werte von 250 Millionen Schweizer Franken "in Verwahrung" genommen. Der Betrag stammte aus dem Vermögen von insgesamt 350 Millionen Schweizer Franken von mehreren Hunderttausend Serben, Juden, Sinti und Roma sowie oppositionellen Kroaten, die unter dem Ustascha-Regime umgebracht wurden. 100 Millionen hatten britische Truppen an der Grenze zwischen Österreich und der Schweiz bei Kriegsende sichergestellt.

Es bleibt abzuwarten, wie sich Franziskus aus der skandalösen Affäre winden will. Hat doch der polnische Papst Johannes Paul II. alias Karol Wojtyla Stepinac 1998 selig gesprochen und das Heligsprechungsverfahren soll unter Franziskus weiter laufen. Das leistete der jetzigen Rehabilitierung dieses Nazi-Verbrechers nachgerade Vorschub. Wojtyla wiederum hat sein Nachfolger, der deutsche Ratzinger-Papst Benedikt XVI. 2014 auch schon selig gesprochen. Was Pius XII. betrifft, unter dessen Pontifikat Kardinal Stepinac mit dem Ustascha-Regime kollaborierte, steht Franziskus unter Druck, ihn auch bald selig zu sprechen.

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Quelle:
© 2016 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. August 2016

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