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INTERNATIONAL/063: Thailand - 20 Jahre Haft für SMS gegen Königin, Gesetz bringt Bürger auf die Palme (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 28. Dezember 2011

Thailand: 20 Jahre Haft für SMS gegen Königin - Gesetz bringt Bürger auf die Palme

von Marwaan Macan-Markar


Bangkok, 28. Dezember (IPS) - Thailand, das 'Land des Lächelns', lockt jährlich etwa 14 Millionen Touristen an seine malerischen Strände und zu seinen funkelnden Tempeln. Doch vielen Menschen im Lande ist das Lachen vergangen. Schuld daran ist ein Gesetz, das die Würde der Monarchie schützen soll.

Wer auch nur ein einziges Mal gegen dieses Gesetz verstößt, riskiert bereits eine Haftstrafe von bis zu 15 Jahren. Die drakonischen Bestimmungen, die den König und seine Familie vor Verunglimpfung bewahren sollen, gelten zwar schon seit mehr als 100 Jahren. Seit kurzem jedoch beziehen sie sich auch auf Äußerungen im Internet und Mobilfunkverkehr und werden rigoros umgesetzt.

"Es gibt inzwischen eine starke Selbstzensur. Die Menschen haben Angst, ihre Meinung zu äußern", erklärte der Journalist Pravit Rojanaphruk. Erst unlängst geriet eine beliebte Nachrichtenwebsite nach einer Beschwerde ins Visier der Gesetzeshüter. "Die abschreckende Wirkung setzt bereits ein, bevor eine Anzeige bei der Polizei vorgebracht wird."


Monarchie darf nicht in Frage gestellt werden

Der 44-Jährige steckt in Schwierigkeiten, seit er das Gesetz öffentlich kritisiert hat. Ähnliche Erfahrungen hat auch Suraphot Thaweesak gemacht, der Buddhismus an der Universität von Hua Hin südlich der Hauptstadt Bangkok lehrt. Anfang Dezember wurde Suraphot auf eine Polizeiwache bestellt, nachdem er sich auf der Website 'Prachatai' zu einem Artikel geäußert hat, der die Rolle der Monarchie im Thailand hinterfragte.

Zudem wurde Joe Gordon, ein in Thailand geborener US-Bürger, im Dezember verurteilt, nachdem er eine verbotene Biografie über König Bhumibol Adulyadej übersetzt und auf einer Website veröffentlicht hatte. Gordon muss nun zweieinhalb Jahre hinter Gitter.

Einen Skandal ungekannten Ausmaßes rief die Verurteilung des 61-jährigen Lastwagenfahrers Ampol Tangnoppakul hervor. Der Großvater, der Gesundheitsprobleme hat, kam für 20 Jahre in Haft, nachdem er vier SMS von seinem Handy aus gesendet hatte. Es handelt sich um die schärfste Haftstrafe, die bisher im Zusammenhang mit dem Gesetz verhängt wurde.

Nach Einschätzung des Gerichts hatte Ampol in den Botschaften, die an den Sekretär eines früheren Regierungschefs gerichtet waren, Königin Sirikit verunglimpft. "Sein Fall hat viele Menschen schockiert, sogar konservative Thais, die die bestehenden Strukturen verteidigen", sagte Punagthong Pawakapan, die an der Chulalongkorn-Universität in Bangkok lehrt. "Kommentare auf Websites, in Blogs und in sozialen Netzwerken wie Facebook zeigen, wie besorgt die Menschen über die extremen Auswirkungen dieses drakonischen Gesetzes sind."

Dass ein so hartes Urteil aufgrund einer SMS gefällt worden sei, habe die Öffentlichkeit aufgerüttelt, sagte Punagthong. "Viele Menschen sind schockiert, können sie sich nur allzu gut in die Lage des Opfers versetzen."

Die Behörden sind bemüht, möglichst wenige Einzelheiten über Verstöße gegen das Gesetz an die Öffentlichkeit dringen zu lassen. Obwohl etwa 90 Prozent der Angeklagten verurteilt worden sein sollen, bleibt ihre genaue Zahl unklar. Dadurch hat der Ruf Thailands, das früher als Hort der Meinungsfreiheit in Südostasien galt, weiter gelitten.


Amnesty International tappt im Dunkeln

Auch weltweit tätigen Menschenrechtsorganisationen wie 'Amnesty International' (AI) werden Informationen vorenthalten. "Leider können wir seit dem Putsch 2006 nicht mehr sagen, wie viele politische Gefangene es in Thailand gibt. Das Justizsystem hält sich in dieser Hinsicht bedeckt", monierte AI-Mitarbeiter Benjamin Zawacki. Es gebe eine enorme Diskrepanz zwischen den bekannt gewordenen Streitfällen und der Zahl der Verurteilten, die von den Behörden verbreitet werde.

Politische Beobachter führen diese Schattenseiten der thailändischen Politik auf die Wirtschaftskrise und die zunehmende soziale Kluft zurück. "Zwischen 1984 und 2004 wurden jährlich im Schnitt höchstens fünf Thailänder wegen Majestätsbeleidigung verurteilt", sagte der US-Wissenschaftler David Streckfuss. "2010 war die Zahl auf 478 gestiegen."

Selbst Analysten in dem südostasiatischen Land sprächen von "Hysterie" und "Hexenjagd", wie Streckfuss erklärte. Eine kleine Gruppe von Thais und Ausländern habe aber inzwischen das Schweigen gebrochen und fordere Reformen. Bereits 2008 veranstaltete eine Hochschule in Bangkok eine öffentliche Diskussion, der eine Kampagne folgte, die in den Jahren darauf Änderungen an dem Gesetz forderte.

Wie Thongchai Winishakul, einer der Initiatoren der Reformbewegung, warnte, schädigt das Gesetz den Ruf des Landes erheblich. Der einflussreiche Armeechef General Prayuth Chan-ocha erklärte in diesem Monat gegenüber Journalisten, dass das Gesetz erhalten bleibe. "Wer meint, dass thailändische Gesetz sei ungerecht und viel zu hart, kann ja das Land verlassen und im Ausland leben." (Ende/IPS/ck/2011)


Links:
http://www.amnesty.org/en/region/thailand
http://www.prachatai.com/english/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=106305

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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Dezember 2011