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INTERNATIONAL/135: D. R. Kongo - Soldaten und Rebellen kassieren Bevölkerung ab (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 18. März 2013

D. R. Kongo: Soldaten und Rebellen kassieren Bevölkerung ab

von Taylor Toeka Kakala


Bild: © William Lloyd-George/IPS

Auch die M23 gehört zu den Schutzgeldeintreibern
Bild: © William Lloyd-George/IPS

Goma, 18. März (IPS) - Wenn Denise Mambo, ein Einwohner von Kitshanga in Nord-Kivu im Osten der Demokratischen Republik Kongo (DRC), zu seinem Feld aufbricht, muss er vor einem Seil haltmachen, das quer über den Weg gelegt wurde. "Hier kommt niemand vorbei, der sein 'lala salama' nicht bezahlt", sagt ein Feldwebel der Armee (FARDC), der sich 'Django' nennt.

'Lala salama' ist Swahili und bedeutet 'schlafe in Frieden'. Der Begriff meint eine illegale Steuer, die Armee und Rebellen in den Kampfgebieten von Nord- und Süd-Kiwu, Maniema, Katanga und den östlichen Provinzen erheben. Auch in der Region Ituri im Nordosten der DRC ist die Praxis weit verbreitet.

Ursprünglich war 'lala salama' ein Rundfunkprogramm, das von 'Radio Liberté' (Radio Freiheit) im Nordosten der DRC ausgestrahlt wurde. Durch die Sendung führte der Vertreter einer politischen Gruppierung, die Uganda nahesteht und Ruanda und dessen Verbündete im Kongo für die Misere in der DRC verantwortlich macht.


Geld oder Naturalien

Doch in Kitshanga hat 'lala salama' wenig mit Ideologie und viel mit Geld zu tun. Alle Bauern, die dort auf ihre Felder wollen, müssen Schutzgelder im Wert von einem US-Dollar an den informellen Kontrollposten entrichten. Oder aber sie zahlen in Naturalien. "Manchmal kämpfen Armee und Milizen um die Kontrolle der Wege", berichtet Jean Ngoa, ein traditioneller Führer der Stadt.

Die bewaffneten Gruppen halten auch auf Marktplätzen die Hand auf. Sie verlangen zwischen 20 Cent und zehn Dollar - je nach der Größe der jeweiligen Stände. Die Gebühr muss an den Markttagen entrichtet werden, gewöhnlich zwei Mal die Woche. Ähnlich hoch sind die Gebühren, die die Behörden den Händlern abverlangen.

Seit der gescheiterten Integration der ehemaligen Rebellen in die FARDC 2009, die zum M23- oder Armeeaufstand im April 2012 führte, finanzieren sich Armee, bewaffnete Rebellengruppen und ruandische Milizen wie die Demokratischen Kräfte für die Befreiung von Uganda aus den Schutzgeldern, die sie der Bevölkerung abpressen.

"Die Milizen treiben inzwischen in allen fünf Provinzen im Osten der DRC ihr Unwesen und plündern, vergewaltigen und morden", berichtet Juvenal Munubo, der für Walikale in Nord-Kivu im Parlament sitzt. Er ist zudem Mitglied des Verteidigungs- und Sicherheitsausschusses der Nationalversammlung. "Zudem wird die Zivilbevölkerung gnadenlos finanziell ausgebeutet."

General François Olenga ist Stabschef der FARDC. Er hat das Amt im November 2012 von General Gabriel Amisi geerbt, nachdem dieser von der UN in einem Bericht beschuldigt worden war, Waffen an Rebellen zu verkaufen. Damals versprach Olenga seinen Soldaten, persönlich dafür zu sorgen, dass sie ihren Sold erhielten.

Nach Angaben von Armeeführern sind die Bezüge der Sicherheitskräfte in den letzten sieben Jahren von zehn auf 60 Dollar gestiegen. Doch von den Soldaten kommen Klagen, unangemessen und unregelmäßig bezahlt werden.

Für viele von ihnen kommt die Zivilbevölkerung gerade recht. "Wenn wir Glück haben, kommen 60.000 Dollar zusammen, die für den Sold von 1.000 Männern einschließlich der Offiziere reichen", berichtet Hauptmann George Sakombi vom 810. Regiment in Masisi in Nord-Kivu im Gespräch mit IPS.

"Wir waren eine Armee ohne Bezahlung", so Oberstleutnant Vianney Kazarama, der Sprecher der M23-Rebellen, die im November 2012 die Kontrolle über Goma übernahmen. Die M23-Rebellen sind ehemalige Mitglieder des Nationalkongresses für die Verteidigung des Volkes, der im März 2003 ein Friedensabkommen mit der Regierung geschlossen hatte.


Milizen sprießen

Die illegalen Einnahmen begünstigen die Gründung neuer bewaffneter Gruppen. In Nord-Kivu zum Beispiel ist die Zahl der Milizen nach Angaben von Nichtregierungsorganisationen in den vergangenen fünf Jahren von zwölf auf 25 gestiegen, in Süd-Kivu im gleichen Zeitraum von elf auf 20.

Wie von einem Lehrer aus Kashuga in Nord-Kivu zu erfahren ist, haben die kongolesische Armee, die Rebellengruppe Allianz der Patrioten für einen freien und souveränen Kongo und die M26 die Marktstadt zwischen April und Juli 2012 insgesamt zwölf Mal angegriffen. Die M26 ist eine neue Rebellengruppe, die die vollständige Umsetzung des Friedensabkommens von 2009 zwischen der Regierung und dem Kongolesisch-Patriotischen Widerstand fordert, der heute ein reguläre Partei ist.

"Als die M26 Kashuga eingenommen hat, zwang sie alle Menschen über 13 Jahre zur Zahlung von 1.200 kongolesischen Francs (etwas mehr als einen Dollar)", so die Quelle, die sich Anonymität ausbat. Diese Steuer heißt in der Lokalsprache Kinyarwanda 'rengera buzima' (Leben schützen).

Anders als die Eintreiber der 'lala salama' durchkämmen die M26-Kämpfer Flüchtlingslager, Schulen und Kirchen nach säumigen Zahlern. Wer keine Quittung vorlegen kann, wird zur Kasse gebeten. (Ende/IPS/kb/2013)


Link:

http://www.ipsnews.net/2013/03/local-communities-forced-to-pay-salaries-of-drc-army-and-rebels/

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IPS-Tagesdienst vom 18. März 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. März 2013