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INTERNATIONAL/189: Philippinen - Paramilitärischer Terror gegen Indigene auf der Insel Mindanao (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 24. September 2015

Philippinen: "Das Militär hat ein Monstrum erschaffen" - Paramilitärischer Terror gegen Indigene auf ressourcenreicher Insel Mindanao

von Karina Böckmann



Bild: © Carlos Conde/Human Rights Watch

Ein Sportzentrum in der philippinischen Stadt Tandag, in das sich Indigene nach Angriffen der paramilitärischen Gruppe 'Magahat' geflüchtet hatten
Bild: © Carlos Conde/Human Rights Watch

MANILA/BERLIN (IPS) - Auf der südphilippinischen Insel Mindanao bedienen sich Militärangehörige nach Ansicht von Indigenen- und Menschenrechtsorganisationen paramilitärischer Verbände, um den Widerstand indigener Gemeinschaften gegen Bergbau- und andere Wirtschaftsaktivitäten auf ihren Territorien zu brechen.

Ein neuer Bericht von 'Human Rights Watch' (HRW) bestätigt den Verdacht, dass Armee und Paramilitärs zumindest indirekt bei der Verübung schwerer Menschenrechtsverbrechen kooperieren. Er gründet auf Aussagen von Augenzeugen, wonach bei Überfällen auf indigene Dörfer und Schulen die Streitkräfte zugegen waren. Diese hätten zugelassen, dass Menschen getötet, gefoltert, vertrieben oder eingeschüchtert wurden.

"In Mindanao terrorisieren Paramilitärs indigene Völker, während das Militär im besten Fall tatenlos zusieht", erklärte Phil Robertson, Vizedirektor der Asien-Abteilung bei 'Human Rights Watch'. Er forderte die philippinische Regierung von Staatspräsident Benigno Aquino auf, sowohl gegen die Paramilitärs als auch die involvierten Offiziere vorzugehen.

Dorfbewohner in der Provinz Surigao del Sur hatten in Gesprächen mit HRW und Regierungsvertretern berichtet, dass bei Angriffen der Kämpfer der 'Magahat Bagani' (Magahat) die regulären Streitkräfte zugegen waren. Der Gouverneur von Surigo del Sur, Johnny Pimentel, hält die Magahat sogar für ein Produkt der Armee. "Das Militär hat ein Monstrum erschaffen", erklärte er am 6. September vor Journalisten, nachdem die Magahat fünf Tage zuvor eine Lehrkraft und zwei Ureinwohnerführer ermordet und damit die Flucht von 4.000 Menschen ausgelöst hatten.


Schulen zu Zielscheiben

In den Provinzen Bukidnon und Davao del Norte treibt seit letztem Jahr die paramilitärische 'Alamar' ihr Unwesen. Ihre Angriffe richten sich vor allem gegen indigene Dorfschulen, die von religiösen Gruppen und Nichtregierungsorganisationen geführt werden, weil diese die Schüler mit der kommunistischen Ideologie indoktrinierten.

Auch diese Miliz arbeitet offensichtlich mit der Armee zusammen. So war das Militär zugegen, als sie Lehrer und Schüler in der Stadt Talaingod drangsalierte. "Die Soldaten blieben zwar vor der Tür stehen, erlaubten aber den schwerbewaffneten Alamar-Kämpfern, die Klassenräume zu betreten und uns als Komplizen der [kommunistischen] Neuen Volkspartei (NPA) zu beschimpfen", zitierte HRW einen anwesenden Schüler.

Die Angriffe führten zur Schließung etlicher Schulen und zur Vertreibung hunderter Menschen. Die in Manila ansässige Bildungsorganisation 'Save Our Schools Network' spricht von 52 Übergriffen im Zeitraum 2014 bis Mitte 2015 in Mindanao. In der Mehrzahl richteten sich die Übergriffe gegen indigene Schulen in abgelegenen Gebieten, in denen die NPA präsent ist.

Die philippinischen Streitkräfte bestreiten derweil jede direkte oder indirekte Mitwirkung an den paramilitärischen Übergriffen und ließen sich dies auf einer Pressekonferenz in Manila im September von drei Indigenen bestätigen. Doch andere Indigene und auch der Gouverneur von Surigao del Sur identifizierten später zwei der drei Redner als Magahat- und Alamara-Führer.

Vermutet wird, dass die Paramilitärs, die selbst Ureinwohner sind und somit ihre Zielpersonen kennen, instrumentalisiert werden, um Bergbau- und anderen Unternehmen den Zugang zu den ressourcenreichen indigenen Territorien gewaltsam zu erschließen.

Für diese Theorie spricht unter anderem der Mord an dem Manobo-Chief und Vorsitzenden der Indigenen-Organisation MAPASU, die sich gegen Menschenrechtsverbrechen, Bergbauaktivitäten und Landraub zur Wehr setzt. Zusammen mit einem weiteren Manobo-Führer aus Surigao del Sur war er vor den Augen von Gemeindemitgliedern von mutmaßlichen Paramilitärs erschossen worden.

Die Region Caraga, in der sich Surigao del Sur befindet, wurde von der Regierung zur "Hauptstadt des philippinischen Bergbaus" erklärt. In den Provinzen Davao del Norte und Bukidnon werden ebenfalls reiche Mineralienlager vermutet. Diese liegen jedoch auf den Territorien, auf die die indigenen Volksgruppen Anspruch erheben.


Ausländische Investoren in den Startlöchern

Seit den 1980er Jahren bremsen komplizierte Gesetze und der Kampf um Umwelt- und Landrechte die Entwicklung des auf 1,4 Billionen US-Dollar geschätzten Bergbausektors aus.

Die Philippinen besitzen die zweitgrößten Goldreserven der Welt, und ausländische Firmen stehen bereit, um das Edelmetall, aber auch andere Rohstoffe wie Kupfer und Nickel abzubauen.

Wie das internationale Wirtschaftsmagazin 'Forbes Asia' im April berichtete, hatte der Bergbau 2012, bedingt durch einen 50-prozentigen Rückgang der Goldproduktion auf 15.760 Tonnen, lediglich zu 0,72 Prozent zur philippinischen Volkswirtschaft beigetragen. Das soll sich mit Hilfe internationaler Investoren ändern. Doch der Widerstand gegen die Bergbauaktivitäten ist groß.

Auch nach Ansicht des Flüchtlingshochkommissariats werden die von den Paramilitärs auf Mindanao begangenen Verbrechen an den indigenen Völkern (IPs) mit dem Wissen, wenn nicht gar mit der aktiven Unterstützung der philippinischen Streitkräfte begangen. Zu oft seien beide Gruppen zusammen gesehen worden, zu selten hätten Soldaten eingegriffen, um die Gräuel zu verhindern.

"Die paramilitärischen Gruppen, die bekanntlich vom Militär unterstützt werden, sind die Hauptursache für die Menschenrechtsverletzungen an den IP-Gemeinschaften und deren Vertreibungen", bilanziert ein Bericht die Erkenntnisse einer UNHCR- Delegation, die Surigao del Sur und Bukidno besucht hatte.

Am 22. September verurteilten die beiden UN-Sonderberichterstatter über die Rechte indigener Völker und über die Situation von Menschenrechtsverteidigern, Victoria Tauli-Corpuz und Michel Forst, die zahlreichen Menschenrechtsverbrechen auf Mindanao und forderten die Aquino-Regierung auf, diese Vorfälle im Rahmen einer unabhängigen Untersuchung aufzuklären und die Täter zur Verantwortung zu ziehen. (Ende/IPS/kb/24.09.2015)


Links:

http://www.hrw.org/news/2015/09/23/philippines-paramilitaries-attack-tribal-villages-schools
http://www.forbes.com/sites/ralphjennings/2015/04/05/trillion-dollar-goldmine-for-philippine-economy-emerging-from-murky-pit/
http://www.ohchr.org/en/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=16481&LangID=E

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 24. September 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. September 2015

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