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SCHACH-SPHINX/04437: Nebelschwaden der Ästhetik (SB)


Die ästhetisch-philosophische Auslegung des Schachspiels war immer nur unter gewissen Vorbehalten möglich, und längst nicht alle führenden Köpfe der Schachkunst widmeten sich diesem geisteswissenschaftlichen Terrain. Eine selbständige Schachphilosophie hat es strenggenommen nie gegeben. Die Suche nach der Wahrheit und ihre Begründung durch allgemeingültige Prinzipien sind zudem nicht schachspezifisch. In der Frage der Ästhetik und ihrer gesellschaftlichen Vorliebnahmen gingen die Meinungen freilich seit jeher auseinander. Es ist interessant, wie der FIDE-Weltmeister Anatoli Karpow dieses Thema erörtert: "Für mich bedeutet das Schachspielen in erster Linie Kampf, wenngleich ich dabei die ästhetische Seite sehr hoch einschätze. Sobald ich am Brett sitze, versuche ich immer nur eins: gewinnen. Risikobeladenes Spiel ist dennoch nicht nach meinem Geschmack. Auch im Berechnen komplizierter, weitreichender Zugvarianten verlasse ich, wenn möglich, den Bereich des Überschaubaren nicht. In allen Stellungen den logischen und wirkungsvollsten Plan zu finden, ist mein vorrangigstes Bemühen." Der philosophische Vordenker Emanuel Lasker spiegelt sich in diesen Worten evident wider. Ohnehin gehört die Lektüre seiner Schriften zur Grundausstattung jedes russischen Spielers. Karpows hohes Durchhaltevermögen half ihm in seiner Karriere mitunter Partien, in denen er auf Verlust stand, auf eine fast schon mysteriöse Weise zu gewinnen. Im heutigen Rätsel der Sphinx hätte sein Kontrahent Speelman mit 1...Ka6-b7! den Gewinnweg betreten können, doch statt dessen spielte er 1...Tc2-e2? und erlaubte Karpow so zumindest die glückliche Flucht ins Remis, Wanderer?



SCHACH-SPHINX/04437: Nebelschwaden der Ästhetik (SB)

Karpow - Speelman
London 1982

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Der Schlüssel zum Sieg war die Eroberung der siebten Reihe mit 1.Tc1- c7!, worauf 1...Lb7-a8 2.Lb2-d4 Se4-d6 3.Sf5-e7+ Lf8xe7 4.Tc7xe7 Kg8- f8 5.Te7-a7! die Herrschaft auch über die schwarzen Feldern errang. Der Rest verlief dann nach dem Einmaleins der Vorteilsverwertung: 5...Td8-c8 6.Ld4xb6 Tc8-c1+ 7.Lg2-f1 La8-c6 8.Ta7-c7! Sd6-e4 9.Lb6ax5 g7-g6 10.f2-f3 Se4-g5 11.Kg1-f2 d5-d4 12.e3xd4 Tc1-c2+ 13.Kf2-e3 und Schwarz verging die Lust zum Weiterspielen.


Erstveröffentlichung am 23. November 2000

10. Juli 2012