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SCHACH-SPHINX/04575: Implikationen des Betrugs (SB)


Kein Anschein ist möglich ohne die dahinterstehende unerschütterliche Kraft des Glaubens. Daß die in der Welt lebenden Geschöpfe betrogen werden wollen, kommt eben daher. Betrug ist selbstredend nur denkbar im Miteinander der Werte auf der Grundlage ihrer Austauschbarkeit. Nehmen wir beispielsweise das Amt und die Würde des Weltmeisters. Wir ahnen wohl, daß der Titel nur verliehen und erworben wird aufgrund einer bestimmten eigens zu diesem Zweck konstruierten Schnittstelle eines Vergleichs. Dessen ungeachtet verleitet der trügerische, sich selbst betrügende Wahn, daß Hierachien unerläßlich seien, uns dazu die Welt in Gegensätzen zu formulieren. Sieger und Verlierer sind jedoch voneinander abhängige Begriffe. Garry Kasparow zahlt den Preis für die Aufrechterhaltung des Anscheins durch einen stetig steigenden Aufwand. Es ist der Titel, der seine Schöpfungskraft letztendlich frißt ohne den rückfließenden Nutzen einer Weiterentwicklung seiner Kunst. Als Gallionsfigur einer aus dem Adelsdenken entsprungenen Idee trägt er nur weiter, was die Bürde der Vergeblichkeit im Dasein aller menschlichen Geschlechter seit jeher bestimmt hat. Die Welt, die sich der Meister scheinbar untertan macht, indem er einen Titel mit allen soziopolitischen Implikationen und Verpflichtungen annimmt, bleibt jenseits eines Zugriffes. Ohne Menschen, die betrogen werden wollen, kann es keine Betrüger geben, und betrogen ist jeder, der dem Anschein huldigt und seinen Zwecken gehorcht. Die Kunst, die der Meister hervorzubringen einst angetreten war, bleibt Rudiment, Scheuklappe, Wunschdenken, unerfüllt im Reigen vergleichsgestützter Wertmaßstäbe. Der König ist nicht die Krone der Entwicklung, soviel verrät schon die Schachkunst, sondern Getriebe eines viel größeren Willens. Wie undankbar die Rolle des Königs sein kann, zeigt auch das heutige Rätsel der Sphinx, wo der weiße Monarch zur Zielscheibe seines eigenen Irrtums wurde. Also, Wanderer, auf zur Königsjagd!



SCHACH-SPHINX/04575: Implikationen des Betrugs (SB)

Bibikow - Walschin
Moskau 1954

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Für unseren unbekannten Schachfreund ging die verspätete Erkenntnis, daß er nach 1...Db2-c1!! in allen Varianten in Vorteil gekommen wäre, wie ein Stich durch die Seele: 2.Te1xc1 Le5xf6 oder 2.Df6xe5 Dc1xh6!


Erstveröffentlichung am 07. Januar 2001

26. November 2012





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