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SCHACH-SPHINX/05287: Prasserei an der Tafel der Berühmtheit (SB)


Zu Beginn des 19. Jahrhunderts beherrschte ein Spieler das Pariser Schachgeschehen wie kein anderer, nämlich der einarmige General Napoleons, Alexander Louis Honoré Lebreton Deschapelles. So überlegen war seine Kunst, daß er es sich leisten konnte, die Partie mit Tempovorgaben oder gar einer Figur weniger zu spielen. Für gewöhnlich gab er seinen Bauern f7 und zwei Züge vor. William Lewis, ein englischer Schachmeister und Schriftsteller (1787 - 1870), schrieb über ihn: "Als ich das Vergnügen hatte, mit Deschapelles zu spielen, stellte er mir höflich frei, gleichauf mit ihm zu spielen, oder eine geringe Vorgabe anzunehmen, und als ich in dem Match unter Vorgabe von Bauer und Zug als Sieger geblieben war, würden wir zweifellos gleichauf gespielt haben, wenn die Umstände ein zweites Zusammentreffen ermöglicht hätten. Deschapelles war viel zu höflich und wohlerzogen, als daß er hinsichtlich der Vorgabe sich den Wünschen des Gegners widersetzt haben würde." Man hat ihn oft als tyrannisch oder im Zorn aufbrausend geschildert und sicherlich hatte er wie die meisten Menschen, die in irgendeiner Weise ins Rampenlicht des öffentlichen Interesses gerückt werden, seine Grillen. In seinem Testament allerdings kam eine bescheidenere Seite Deschapelles zum Vorschein. Darin zeigte sich ein Mensch, der das Ansehen seiner Zeit in großen Zügen genossen hatte, satt geworden war mit der Prasserei an der Tafel der elitären Berühmtheit, schließlich jedoch nichts sehnlicher wünschte als "ich will, daß mein Leib keinem kirchlichen Kultus unterworfen werde, daß man weder zu meinem Leichenbegängnis einlade, noch meiner in einem Journal gedenke. Ich wünsche das Begräbnis eines armen und eines gemeinen Mannes." In seiner Partie gegen seinen Schüler La Bourdonnais glückte dem französischen Meisterspieler mit den weißen Steinen eine der brillantesten Kombinationen der Schachgeschichte. Bist du bereit, Wanderer, dich dem heutigen Rätsel der Sphinx zu stellen?



SCHACH-SPHINX/05287: Prasserei an der Tafel der Berühmtheit (SB)

Deschapelles - La Bourdonnais
Paris

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Meister Polajzer hatte guten Grund, ein scharfes Auge auf die Grundreihe des Anziehenden zu werfen, denn nach 1...Tb5xb2! mußte sein großmeisterliche Kollege Michaltschitschin sogleich die Waffen strecken. Da 2.Td2xb2?? nicht anging wegen 2...Td4-d1#, die weißen Türme jedoch von den schwarzen in einem unentrinnbaren Klammergriff gehalten wurden, gab es in der Tat nichts Vernünftigeres zu tun, als sich in die Niederlage zu schicken.


Erstveröffentlichung am 07. Dezember 2001

08. November 2014





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