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SCHACH-SPHINX/05363: Europas dunkle Epoche (SB)


Man liest so viel Gräßliches über das Mittelalter, diese dunkle Epoche Europas, daß sich einem die Nackenhaare wie die Stacheln eines Igels aufrichten. Gar nicht glauben möchte man, daß diese blutrünstig- barbarische Zeit auch das Schachspiel zur Blüte gebracht hat. Nun hat jede Blume ihre Wurzel in einem dunklen Erdreich und entfaltet nur im Sommer ihre Farbenpracht. Vorher jedoch muß sich der junge Trieb unter Qualen aus dem harten Boden emporkämpfen. Für die Blume ist die Kindheit eine einzige Grausamkeit. Und dies gilt als Metapher auch für das Schach. Mit versteherischer Geduld blickt man dann auch über solche Auswüchse hinweg, von denen beispielsweise der Mönch Martellus im 12. Jahrhundert zu berichten hatte, nämlich daß der Sohn König Pippins des Kleinen einem bayerischen Edelmann mit der massiven Figur des Turmes, den Tisch überspringend, den Schädel einschlug, nur weil dieser den unverzeihlichen Fehler begangen hatte, die Partie zu gewinnen. Seinen Kopf behalten durfte dagegen der amerikanische Meister Arthur Dake beim US Open 1935, trotzdem er seinem Kontrahenten Simonson mit den schwarzen Steinen eine Lektion erteilt hatte. Simonson hatte dank einer kleinen Opferkombination die Qualität erobert, mußte nun jedoch seinen Springer auf c7 wieder in die heimatlichen Gefilde zurückführen. Da der Springer die schwarze Dame bedrohte, schien ein Tempo gewonnen zu sein für den geordneten Rückzug. Du ahnst wohl schon, Wanderer, daß der Springer im heutigen Rätsel der Sphinx zur Beute eines Irrtums werden sollte.



SCHACH-SPHINX/05363: Europas dunkle Epoche (SB)

Simonson - Dake
USA 1935

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Der geistreiche Einfall begann mit 1.Kh3-g4! und da 2.Tg3-h3 nebst Matt auf h8 drohte, blieb auch der bedrohte Läufer unangetastet. Um ihrem König Luft zu verschaffen, zog die schwarze Dame nun nach 1...Db4-b2 und visierte den Pfahlbauern f6 an. Meister Stulik ließ sich jedoch nicht einschüchtern und ging unbeirrt nach seinem Plane vor: 2.Tg3-h3! Db2xf6 3.e4-e5! - die Pointe zeigt sich gleich - 3...d6xe5 4.Th3-h8+ Df6xh8 5.Th1xh8+ Kg8xh8 6.d5-d6! Das war der Clou der ganzen Geschichte, nun entscheidet der Freibauer das Rennen: 6...f7-f5+ 7.Kg4-h3! - sonst gewinnt Schwarz nach 7.e4xf5 g6xf5+ 8.Kg4xf5 Kg8-f7! ein wichtiges Tempo zur Verteidigung - 7...f5xe4 8.d6- d7 Sd2xb1 9.d7-d8D+ Kg8-g7 10.Dd8-c7+ und Schwarz gab auf.


Erstveröffentlichung am 17. Februar 2002

23. Januar 2015





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