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SCHACH-SPHINX/05392: Schwärmerei fürs Tiefgründige (SB)


Poetische Umschreibungen dafür, was sich im Schach alles an Tiefgründigkeit vermuten ließe, sind von einer solch raren Seltenheit, daß man sich am liebsten auf die Zunge beißen und schweigen möchte. Doch wer Ohren besitzt, wird erkannt haben, worum es hierbei geht. Die Betonung liegt nämlich auf "....vermuten ließe", und das aus einem guten Grund. Es ist seit dem ersten Schachgedenken viel Schwärmerisches über das Königliche Spiel geschrieben worden, ein wenig Pragmatisches war darunter, kaum etwas jedoch von dem Zaubersalz der Nüchternheit. An dieser Stelle soll jedoch kein Forum für kritische Geister eröffnet werden, um das Schach auf seinen eigentlichen, paß- und gesellschaftsfähigen Wert herunterzubrechen. Die Stunde soll dem Dichterischen schlagen, und auf eine schwer zu erklärende Weise steckt oftmals gerade in lyrischen Passagen mehr Klarheit als in einer Stellungnahme voll triefender Kritik. Die Schwärmerei fürs Schach war von kaum einem anderen so rührend- ergreifend zu Papier gebracht worden wie von Stefan Zweig, der mit seiner "Schachnovelle" ein wenn auch umstrittenes, so doch nicht wenig geistreiches Werk zumindest zu einem Aspekt der Schachthematik zur Debatte gestellt hat. Schach - was ist das? fragte er sich und gab salomonisch zur Antwort: "....ist es nicht auch eine Wissenschaft, eine einmalige Bindung aller Gegensatzpaare? Uralt und doch ewig neu, mechanisch in der Anlage und doch nur wirksam durch Phantasie, begrenzt im geometrisch starrem Raum und doch unbegrenzt in seinen Kombinationen, das einzige Spiel, das allen Zeiten und allen Völkern zugehört, und von dem niemand weiß, welcher Gott es auf die Erde gebracht." Wie es sich zutrug, daß er mit den weißen Steinen regelrecht unter die Räder kam, das fragte sich im heutigen Rätsel der Sphinx auch der berühmte Meister Andersen, doch sein Gegner Dufren ließ ihm ganz und gar keine Zeit, darüber nachzudenken, denn mit seinem nächsten Zug beendete er das Dilemma der weißen Stellung. Also, Wanderer, dem die poesievollen Klänge von Stefan Zweig noch in den Ohren nachhallen, mit welchem Prachtzug machte Dufren kurzen Prozeß mit der weißen Stellungsruine?



SCHACH-SPHINX/05392: Schwärmerei fürs Tiefgründige (SB)

Andersen - Dufren
Berlin 1851

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Die weiße Dame bezahlte ihren Übermut kurzerhand mit dem Leben, denn nach 1.De3-a7? folgte streng bestrafend 1...f5-f4! 2.Sg3-f1 Tc8-a8 3.Da7-b7 Te8-e7 und zu Ende war der Damenspuk.


Erstveröffentlichung am 17. März 2002

21. Februar 2015


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