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SCHACH-SPHINX/05460: Lauter Verbandsquerelen (SB)


1960 stellte der vielbegnadete jugoslawische Großmeister Prof. Milan Vidmar in seinem Buch "Goldene Schachzeiten" die keineswegs rhetorische Frage: "Ist das heutige hohe Schach krank?" Entrüstung war die erste Reaktion, doch schon auf den zweiten Blick mußte man die durchaus feine Diagnose des "Schacharztes" anerkennen. Seine Warnungen betrafen viele Bereiche, im wesentlichen griff Vidmar jedoch den Schachbetrieb an, die große künstliche Mechanik, den zentnerschwer gewordenen Überbau. Seine erste und gewichtigste Forderung an die FIDE war: "Sekundanten haben abzutreten!" Gehört wurde er, seine Ratschläge blieben jedoch wirkungslos. Zwei Jahrzehnte später griff Großmeister Salo Flohr Vidmars Ansatz wieder auf: "Wenn Professor Vidmar schrieb, daß das heutige hohe Schach krank ist, vielleicht sogar schwer krank, so war diese Meinung, diese Kritik bestimmt ein Schrei eines schachliebenden Herzens. Ich bin nicht kompetent genug, um festzustellen, ob Vidmar, ein Gelehrter, Wissenschaftler, Philosoph recht hatte. Als Schachpraktiker darf ich mir vielleicht gestatten zu sagen, daß er sich in vielerlei Hinsicht richtig ausdrückte, und Grund zur Beunruhigung um die schöpferische Zukunft der Schachkunst hatte. Aber vielleicht war Vidmars Sorge in mancher Hinsicht etwas übertrieben, oder?" Mehr als zehn Jahre später kann man im Grunde nur konstatieren, daß sie durchaus hätte schärfer ausfallen können. Ob dies dann jedoch mehr bewirkt hätte, kann mit Bausch und Bogen bezweifelt werden. Was wird man ein weiteres Jahrzehnt später von Vidmars mahnenden Worten halten: Das er ein Prophet war? Zum würdigen Anlaß stammt das heutige Rätsel der Sphinx aus einer Zeit, als das Schach zwar ungelenk, aber frisch und frei vom Dickhäutertum der Verbandsquerelen war. Mit den schwarzen Steinen besiegte der englische Meister Burn seinen Kontrahenten Harmonist auf recht harmoniestörende Weise. Hörst du den Matt-Mißklang, Wanderer?



SCHACH-SPHINX/05460: Lauter Verbandsquerelen (SB)

Harmonist - Burn
Frankfurt 1887

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Dem bulgarischen Großmeister Topalow fiel die Kinnlade zwar nicht herunter, schockiert war er dennoch, als sein Kontrahent Barejew mit 1...Tf8-e8!! ein schreckliches Gewitter über die weiße Stellung entlud. Nach dem erzwungenen 2.De4xe8 folgte ein rascher Abgesang mit 2...Lc8-f5! 3.De8xa8 Dd5-e4+ 4.Ke1-f2 De4-g2+ 5.Kf2-e3 Sf4-d5+ 6.Ke3- d4 Dg2-d2+ 7.Kd4-c5 Dd2-e3+ 8.Kc5-c4 Sd5-b6+ und Topalow gab rechtzeitig auf.


Erstveröffentlichung am 21. Mai 2002

30. April 2015


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