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SCHACH-SPHINX/05514: ... und hörte auf, ein König zu sein (SB)


Wie eine Droge, ließ einmal ein Schachfreund vernehmen, fließe das Fluidum der Turnierwelt durch die Adern, erfasse den Kopf, die Nerven, das Herz, und wenn man nicht aufpasse, sei man vom "Schachkitzel" durch und durch abhängig. Physiologischer Brainpush, Gedanken als sublimierte Modedroge - man muß kein Quäker sein, um bei dieser Vorstellung zur Warntafel zu greifen. Einer, der die Leiden eines Schachspielers am eigenen Leibe erfahren hatte, war der russische Ex- Weltmeister Boris Spassky. Beim Betrachten der modernen Schachkulisse kann er nur noch den Kopf schütteln: "Wenn ich Kasparow und Karpow sehe, danke ich dem Himmel, nicht mehr bei dieser Art Wettkampf dabeizusein." Und Spassky war bei einem der größten Schachspektakel der Geschichte dabeigewesen, besser noch: Er war einer der Hauptakteure. Damals, in Reykjavik, im legendären Zweikampf gegen den amerikanischen Großmeister Bobby Fischer. Spassky erinnert sich: "Als ich 1972 gegen Bobby Fischer verlor, hörte ich auf, ein König zu sein. In der Tat fühlte ich mich viel besser, weil von meinen Schultern eine ungeheure Verantwortung fiel." Die Niederlage im Prestigekampf der Supermächte zahlte Spassky jedoch mit der Ächtung durch seine ehemaligen Schachkollegen. Kein Wunder also, wenn er "nur noch zum Himmel schauen und den Vögel zuhören" möchte. Abgeklärt konstatiert er im Rückblick auf seine Karriere: "Die Leidenschaft zum Schachspiel habe ich völlig verloren, so wie wohl alle, die als Wunderkinder anfingen." Man fühlt sich an die strenge Kaderdisziplin der Sowjets erinnert und die restlose Verwertung schlummernder Talente. Seinerzeit, als Spassky noch die Krone auf seinem Haupte trug, glänzte er in vielen Partien, wie zum Beispiel im heutigen Rätsel der Sphinx. Gegen Meister Ciric hatte Spassky aus der Katalanischen Eröffnung eine brandgefährliche Stellung entwickelt. Mit einer vierzügigen Kombination zwang er seinen Kontrahenten nun zur Aufgabe, Wanderer.



SCHACH-SPHINX/05514: ... und hörte auf, ein König zu sein (SB)

Spasski - Ciric
Amsterdam 1970

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Lehrbuchmäßig widerlegte Siegbert Tarrasch die verfrühte Rochade und wies nach, daß sein Kontrahent Marco nach 8.Lb5xc6 Ld7xc6 9.d4xe5 d6xe5 10.Dd1xd8 Ta8xd8 11.Sf3xe5 Lc6xe4 12.Sc3xe4 Sf6xe4 13.Se5-d3 f7- f5 14.f2-f3 Le7-c5+ 15.Sd3xc5 Se4xc5 16.Lc1-g5 Td8-d5 17.Lg5-e7! - nicht 17.c2-c4 Td5-d2 18.Lg5-e7 Sc5-d3! - die Qualität verliert. Indes, nach 10...Tf8xd8 11.Sf3xe5 Lc6xe4 12.Sc3xe4 Sf6xe4 13.Se5-d3 f7- f5 14.f2-f3 Le7-c5+ 15.Kg1-f1! hätte Tarrasch gar eine Figur erobert.


Erstveröffentlichung am 14. Juli 2002

23. Juni 2015


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