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SCHACH-SPHINX/05667: Chamäleonfarben (SB)


Auf seinem Weg durch die Geschichte nahm das Schachspiel chamäleonhaft die Farben seiner Gastgebervölker an. Es trug so dem Kulturgeschmack Rechnung. Aber auch die jeweilige Zeitepoche drückte ihm den Stempel auf. Mentalität, Sprache und das moralisch-religiöse Selbstverständnis gaben dann die letzten Pinselstriche hinzu. Selbst das heutige Weltschach ist trotz der international gültigen Regeln noch ein bunter "Flickenteppich". So war es fast zwangsläufig zu ersten Kontroversen gekommen, als Schachspieler verschiedener Kulturen aufeinandertrafen. Meister der Kunst aus den arabischen Ländern hatten beispielsweise eine andere Auffassung von den Regeln als ihre europäischen Vettern. Und selbst in Europa herrschten lange Zeit verschiedene Meinungen vor. Das mag einer der Gründe gewesen sein, warum zum Beispiel Italien im 17. und 18. Jahrhundert den Anschluß verpaßte und im 19. Jahrhundert völlig aus der Konkurrenz war. Das Beharren auf ihrem Regelwerk führte auf europäischem Boden zum ersten geschichtlichen Schisma. Frankreich, England und später auch Deutschland übernahmen in ihrer Zugkraft die Funktion einer Lokomotive, um das Schachspiel in die Jetztzeit zu führen. In vielen Fragen teilt sich die weltweite Schachgemeinde noch immer in divergierende Fraktionen. So benutzen beispielsweise die Engländer ein eigenes Notationssystem. Man darf in Anbetracht dessen gespannt sein, in welches neue Denkjahrhundert das Schach auf seiner Entwicklung gehen wird. Im heutigen Rätsel der Sphinx gab es allerdings keine Mißverständnisse in den Regeln, wohl aber darin, ob Meister Johner mit seinem letzten Zug 1...g6-g5 die Stellung insgesamt blockiert und damit den weißen Angriff lahmgelegt hatte. Ein Tip, Wanderer, sein Kontrahent Canal hatte noch einen hübschen Opferzug parat, der Johners Hoffnungen Lügen strafte.



SCHACH-SPHINX/05667: Chamäleonfarben (SB)

Canal - Johner
Karlsbad 1929

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Die weiße Stellung sah hundeelend aus. Nur die Dame besetzte standesgemäß ein starkes Feld, die anderen weißen Figuren - nur nutzlose Statisten. Das rächte sich furchtbar nach 1...Sc6-d4! 2.e3xd4 f3-f2+! und plötzlich brannte das Brett: 3.Ke1xf2 Td8xd4 4.De4-c2 Td4- c4 5.Dc2-d3 De6-c6. Ohne den Beistand ihrer Armee konnte die weiße Dame natürlich nichts mehr ausrichten gegen den Sturm der gegnerischen Figuren. Traurig, aber gerecht war dann das Ende: 6.Dd3-f5+ Kc8-b8 7.Sg1-f3 Tc4-f4 8.Df5xe5+ Lf8-d6 9.De5-c3 Ld6-c5+ 10.Kf2-e2 Tf4xf3! 11.Dc3-e5+ Lc5-d6 12.De5xg7 Th8-f8 13.Th1-g1 Dc6-e4+ und Weiß gab ermattet auf.


Erstveröffentlichung am 11. Dezember 2002

23. November 2015


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