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SCHACH-SPHINX/05739: Lotterie des Zufalls (SB)


"Die Bauern sind die Seele des Spiels", beteuerte Philidor, der französische Schach- und Lehrmeister des 18. Jahrhunderts, und er hatte damit - mit einem Vorlauf von hundert Jahren - eine Theorie vorweggedacht, die von Wilhelm Steinitz, Siegbert Tarrasch und Emanuel Lasker zu einem festen System zusammengezimmert werden sollte. Philidor war also so etwas wie ein Vordenker der modernen Schachtheorie. Seine Leistung und Meisterschaft wurden im 19. Jahrhundert jedoch höher eingeschätzt, als sie es in Wahrheit waren. Philidor war zwar Schachspieler aus Leidenschaft, aber vornehmlich interessierte ihn die Musik und ihre innere Dynamik. So geriet er im direkten Klingenkreuzen mit englischen Meisterspielern mehr als einmal ins Hintertreffen. Dennoch gab er der Schachkunst wertvolle Impulse, die wiederum nicht hoch genug eingeschätzt werden können. Durch die Festlegung auf eine bestimmte Bauernstruktur, so erkannte Philidor, werden die für die Partie ausschlaggebenden Strategeme vorgezeichnet. Kein Wunder also, daß ihn seine Zeitgenossen nicht verstanden. Diese sahen in der Kombination, im schöpferischen Einfall, den Dreh- und Angelpunkt der Denkmechanik. Durchsetzen sollte sich Philidors Bauernlehre dennoch, auch wenn sie einige Korrekturen in Zielsetzung und Gewichtung erfahren mußte. Erst nach der Eroberung strategischer Felder durch Bauernzüge, so der zeitgenössische Geist, sind überfallartige Angriffe sinnvoll und auch durchschlagend. Ansonsten überläßt sich der Spieler der Lotterie des Zufalls. Im heutigen Rätsel der Sphinx hatte der deutsche Meister Lothar Schmid auf dem Clare- Benedict-Turnier in Zürich 1954 dank einer soliden Bauernformation die Voraussetzungen dafür geschaffen, daß sein Angriff unüberwindlich wurde. Von da an herrschte die Kombination vor, und damit stellt sich an dich die Frage, Wanderer, wie die schwach gewordene schwarze Stellung im Sturm genommen werden konnte.



SCHACH-SPHINX/05739: Lotterie des Zufalls (SB)

Schmid - Szabados
Zürich 1954

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Mag der Teufel seine Finger im Spiel gehabt haben oder auch nicht, jedenfalls war die Partie nach 1.Dg3-c3? unrettbar verloren. Bedauerlich, denn auch 1.c5-c6(!) Kg7xf6 2.c6-c7 Te1-c1 3.Dg3-e3 Sf4- e2! 4.De3xe2 hätte Meister Najdorf durchaus noch auf ein Remis spekulieren können. So aber schlug der schwarze Angriff nach 1...Sf4- e2! 2.Sf6-h5+ Kg7-f8 3.Dc3-h3 Td4-d1 durch. Najdorf gab auf, denn nach 4.Sh5-g3 hätte 4...Se2-f4 die Entscheidung gebracht.


Erstveröffentlichung am 21. Februar 2003

07. Februar 2016


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