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SCHACH-SPHINX/05751: "Genug des Stumpfsinns, Remis!" (SB)


Mißbilligend blicken viele Schachmeister auf den groben Körpersport herab. Laufen, Springen, Gewichte heben, ein Grauen kommt sie an, wenn sie nur daran denken, daß sich die Knochen verbiegen und Schweiß in Rinnsalen von der Stirne leckt. Schachspieler sind Müßiggänger, Freunde der Beschaulichkeit, doch feind dem strapaziösen Umgang mit dem Körper. Steht ein Sinn dahinter wie bei den olympischen Spielen, die ja im Zeichen des weltverbrüdernden Friedens stattfinden, so mag es noch angehen. Aber sich sinnlos raufen? Den anderen in den Schwitzkasten nehmen und auf die Matte werfen? Nein, auf Ehre, nein! Damit will das schachdenkende Volk nichts zu tun haben. Was ist das bloß für ein widerliches Wort: Ringer. Doch halt! Es gab auch Meister, und eine kleine Schar soll es noch heute geben, die liebten den brutal zur Schau gestellten Ringkampf mehr noch als das Schach. Richard Teichmann, Berliner von Geburt, und preußisch-angriffslustig war zuweilen auch sein Spiel, ließ sich um nichts in der Welt von dieser Freude an Griffen und Überwürfen abbringen. So trug es sich einst in Berlin zu, daß am selben Abend ein Schachturnier ausgetragen und im Zirkus Busch ein Ringkampf vorgeführt wurde. Teichmann hoffte beides miteinander verknüpfen zu können. Schnell die Partie zu Ende gebracht und dann ab in den Zirkus. Aber nein! Ausgerechnet gegen den Langgrübler Fritz Sämisch mußte er an diesem Abend spielen. Und so zog sich die Partie, obwohl längst tot und remis, Stunde um Stunde hin. Schließlich durfte Teichmann nicht länger zaudern, sonst hätte er von dem Ringkampf nichts mehr mitbekommen. Also schob seine Rechte flugs alle Figuren auf dem Brett zusammen und in das verdutzte Gesicht seines Kontrahenten hinein sagte er: "Genug des Stumpfsinns, Remis!" Und einen Augenblick später war er aus der Tür. Zum Glück, daß in Karlsbad 1911 in der Nähe nicht gerade ein Ringertreffen stattfand, Teichmann hätte sonst seinen Turniersieg versäumt. Im heutigen Rätsel der Sphinx, er spielte mit den weißen Steinen, überraschte er seinen Kontrahenten Rubinstein mit einem ringermäßigen Angriff. Also, Wunderer, Lust bekommen auf eine Ringerpartie?



SCHACH-SPHINX/05751:

Teichmann - Rubinstein
Karlsbad 1911

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
1...Tf4xf3! zauberte die Kombination aus dem Hut. Nun verbot sich 2.Sd4xf3 wegen 2...Se5xf3 3.Sf1-d2 Db6-f2 und die schwarze Dame dringt vernichtend in die Königsstellung ein. Also spielte Meister Vogt resigniert 2.Td1-d2, entschied sich freilich nach 2...Lc8-h3 für den Schrecken mit Ende und gab sofort auf.


Erstveröffentlichung am 05. März 2003

19. Februar 2016


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