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SCHACH-SPHINX/05868: Universitäts-Mamsellen (SB)


Unstrittig hängt vom Standpunkt des Betrachters ab, wo und wann in der Geschichte der Beginn der deutschen Emanzipation anzusiedeln ist. Mit den Augen bürgerlicher Gelehrsamkeit wird man wohl die Zeit vor dem Ausbruch der Französischen Revolution als Fixpunkt setzen, wo sich im kleinstaatlichen Deutschland die erste emanzipatorische Bewegung abzeichnete, die später den Frauen eine verfassungsmäßige Gleichstellung in Familie und Gesellschaft garantierte. Seinerzeit, 1787, waren es die "Göttinger Universitäts-Mamsellen" Therese Forster, Caroline Boehmer-Schlegel-Schelling - offenbar eine heiratswütige Dame - Philippine Gatterer, Meta Forkel und Dorethea Schlözer gewesen, die sich von keinem überkommenen Brauch in ihrem Selbstentfaltungsdrang abhalten lassen wollten und jede auf ihre Weise Karriere machte, wie man es heute gerne zu sagen pflegt. Zumindest Dorethea Schlözer verfolgte diesen Weg mit einiger Brillanz, weil sie, gerade mal 17jährig, als erste weibliche Kandidatin das philosophische Doktorexamen absolvierte. Auf die damalige Gelehrtenignoranz und Widerständelei einerseits und die Verstrickungen dieser fünf Frauen in die Allerweltsdünkeleien ihrer männlichen Gegenfüßler andererseits soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden. Auch Irrtümer, und seien sie zu Beginn noch so engagiert und ernstgemeint gewesen, schrieben schließlich Geschichte. Erwähnt werden soll allerdings, daß die männerbeherrschte Burg des Königlichen Spiels nicht mit der Erstürmung der Bastille in Frankreich fiel. Bis eine Frau den schuldigen Respekt in den Turnierhallen einfordern konnte, sollten noch mehr als hundert Jahre vergehen. Erst mit Vera Menchik wurde der Damm gebrochen, der weitere fünfzig Jahre später und nach und nach bis heute den Frauen einen anerkennungsvollen Platz neben der schachspielenden Männerfraktion einräumte. Im heutigen Rätsel der Sphinx gelang der Moskauer Meisterin Bykowa gegen ihre ukrainische Kontrahentin Kogan eine auch in der Männerwelt sehenswerte Schlußkombination. Also, Wanderer, mit welchem taktischen Gefährt wurde die schwarze Stellung überrollt?



SCHACH-SPHINX/05868: Universitäts-Mamsellen (SB)

Bykowa - Kogan
UdSSR 1954

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Der weiße Gewinnweg war vorgezeichnet durch die Wanderung des Königs nach b8. Nach 1.Kf2-e3 Ta1-a5 2.Ke3-d4 Kg5-f4 3.Th7-g7 Kf4-g5 4.Kd4-c4 Ta5-a2 5.Kb4-b5 g6-g5 6.Kb5-b6 g5-g4 7.h3xg4 f5xg4 8.Kb6-b7 Ta2-b2+ 9.Kb7-c8 Tb2-c2+ 10.Kc8-b8 gab sich Schwarz geschlagen. Gegen einen solch wanderwütigen König halfen weder Gesundbeterei noch Racheschachs.


Erstveröffentlichung am 29. Juni 2003

15. Juni 2016


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