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FORSCHUNG/148: Wie das Glück anderer Menschen unser Glück beeinflusst (MPG)


Max-Planck-Gesellschaft - 27. Juni 2016

Wie das Glück anderer Menschen unser Glück beeinflusst

Ungleichheit verringert oft auch die Zufriedenheit von Bessergestellten


Forscher haben auf Basis einer Untersuchung eine neue Gleichung entwickelt, die abbildet, wie unser Glück nicht nur davon abhängt, was uns widerfährt, sondern auch, wie es uns im Vergleich zu anderen Menschen ergeht. Dabei fühlen sich im Durchschnitt Menschen unglücklicher, wenn sie besser gestellt werden als andere. Bei manchen Menschen schmälert es allerdings das Glück, wenn sie weniger bekommen als ihre Mitmenschen. Der unterschiedliche Einfluss von Ungleichheit auf die Zufriedenheit korreliert laut der Studie auch mit der Großzügigkeit der jeweiligen Personen.


Formel - © Robb Rutledge, UCL

Die Berechnung von Glück erfordert eine komplizierte Formel.
© Robb Rutledge, UCL

Das Team von Wissenschaftlern unter maßgeblicher Beteiligung des Max Planck UCL Centre for Computational Psychiatry and Ageing Research in London hat herausgefunden, dass Ungleichheit im Durchschnitt das aktuelle Wohlbefinden verringert. Laut der Studie, die in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht wurde, gilt dieser Befund unabhängig davon, ob es Menschen besser oder schlechter geht als anderen, die sie gerade kennengelernt hatten. 2014 hatte das Team bereits eine Gleichung entwickelt, um Glück vorherzusagen, wobei die Bedeutung von Erwartungen besonders berücksichtigt wurde. In die aktualisierte Gleichung fließt nun auch der Einfluss von fremdem Glück auf die eigene Zufriedenheit ein.

Basis der Ergebnisse waren Testreihen mit Freiwilligen: Die Versuchspersonen spielten Glücksspiele, mit dem Ziel Geld zu gewinnen. Dabei bekamen sie mit, ob andere Personen die gleichen Spiele gewannen oder verloren. Gewannen die Teilnehmer ein Spiel, waren sie im Schnitt glücklicher, wenn auch ihre Partner das gleiche Spiel gewannen. Dieser Unterschied könnte auf Schuldgefühle beruhen. Allerdings waren auch viele Teilnehmer, die ein Spiel verloren hatten, im Vergleich glücklicher, wenn auch ihre Partner verloren hatten - ein Unterschied, der auf Neid zurückgeführt werden kann.

"Unsere Gleichung kann genau vorhersagen, wie glücklich Menschen sein werden und zwar nicht nur basierend auf dem, was ihnen widerfährt, sondern auch basierend auf dem, was den Menschen um sie herum geschieht", erklärt einer der führenden Autoren der Studie, Robb Rutledge, Fellow am Max Planck UCL Centre. "Im Durchschnitt sind wir weniger glücklich, wenn andere mehr oder weniger bekommen als wir, aber dies variiert sehr stark von Mensch zu Mensch."

Großzügigkeit korreliert mit Einfluss von Ungleichheit Mithilfe der Gleichung konnten die Forscher auch einzuschätzen, wie großzügig eine Testperson in einem separaten Szenario agieren würde, erklärt Rutledge: "Wir haben die Teilnehmer gebeten, einen kleinen Geldbetrag mit einer anderen Person zu teilen. Abhängig davon, wie sehr Ungleichheit zuvor ihr Glück beeinflusst hatte, konnten wir vorhersagen, welche Personen sich als großzügig erweisen würden."

Im Rahmen der Studie lösten 47 Freiwillige, die sich nicht kannten, mehrere Aufgaben in kleinen Gruppen. Eine Aufgabe war, Glücksspiele zu spielen, die sie gewinnen oder verlieren konnten. Zugleich bekamen sie mit, was eine andere Person im gleichen Spiel erhalten hatte, was manchmal mehr und manchmal weniger war. Dadurch konnten sich die Versuchspersonen mit den Mitspielern vergleichen.Während des Experiments wurden die Teilnehmer in regelmäßigen Abständen gefragt, wie glücklich sie sich fühlten. Bei einer weiteren Aufgabe wurden die Probanden gefragt, wie sie anonym einen kleinen Geldbetrag mit einer anderen Person teilen würden, die sie gerade kennen gelernt hatten.

Im Ergebnis hing die Großzügigkeit der Teilnehmer nicht davon ab, wer der Partner war oder welchen Mitspieler sie laut eigenen Angaben bevorzugten. Das legt nahe, dass die Entscheidungen eher von festen Persönlichkeitsmerkmalen der Spieler geprägt wurden als von ihren Gefühlen gegenüber anderen Teilnehmern. Menschen, deren Glück besonders davon beeinträchtigt war, mehr als andere zu bekommen, gaben im Durchschnitt 30 Prozent ihres Geldes ab. Diejenigen, die stärker darunter litten, weniger als andere zu bekommen, gaben nur 10 Prozent.

Schuldgefühle und Neid beeinflussen Bereitschaft zum Teilen "Unsere Ergebnisse zeigen: Großzügigkeit gegenüber Fremden hängt damit zusammen, wie Ungleichheiten unser Glück zu unseren Gunsten oder zu unserem Nachteil beeinträchtigen", sagt Archy de Berker vom UCL Institute of Neurology. Die Menschen, die freiwillig die Hälfte ihres Geldes abgaben, zeigten keinen Neid, wenn sie beim Glücksspiel schlecht abschnitten. Stattdessen zeigten sie Schuldgefühle, wenn sie mehr erhielten als andere. Im Gegensatz dazu zeigten diejenigen, die das ganze Geld für sich behielten, beim Glücksspiel keine Anzeichen von Schuldgefühlen, wenn sie gewannen, sondern Neid, wenn sie verloren.

"Dies ist das erste Mal, dass wir einen direkten Zusammenhang zeigen konnten zwischen der Großzügigkeit von Menschen und damit, wie Ungleichheit ihr Glück beeinträchtigt", betont de Berker. "Wirtschaftswissenschaftler hatten immer Schwierigkeiten zu erklären, aus welchem Grund manche Menschen großzügiger sind als andere. Unsere Experimente bieten eine Erklärung." Die Forscher halten ihren Ansatz für eine nützliche Methode, Empathie zu messen. Das könnte auch neue Einblicke in krankhafte Störungen des Sozialverhaltens ermöglichen, beispielsweise in die Borderline-Persönlichkeitsstörung. "Bestimme Aspekte von gestörtem Sozialverhalten könnten wir damit besser verstehen, etwa die Gleichgültigkeit gegenüber dem Leid anderer."   UCL/MEZ


Originalveröffentlichung:
Robb B. Rutledge, Archy O. de Berker, Svenja Espenhahn, Peter Dayan & Raymond J. Dolan
The social contingency of momentary subjective well-being
Nature Communications, Published 13 June 2016
https://dx.doi.org/10.1038/ncomms11825

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Quelle:
MPG - Presseinformation vom 27. Juni 2016
Herausgeber:
Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Juni 2016

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