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KIND/080: Berichte zur Fachtagung - Zweckfreie Kindheit (DJI Bulletin)


DJI Bulletin Nr. 85 - 1/2009
Deutsches Jugendinstitut e.V.

BERICHTE ZUR FACHTAGUNG
Zweckfreie Kindheit

»Und dann und wann ein weißer Elefant ...«
Kindheit zwischen Eigensinn und gesellschaftlicher Vereinnahmung

Von Wolfgang Gaiser, Pia Rother


Über Kindheit kursieren viele, oft ambivalente Bilder. Die kulturkritische Sichtweise von Neil Postman prophezeite das »Verschwinden der Kindheit« (1983) infolge der Einflüsse und Wirkungen des Fernsehens und fand eine breite öffentliche Aufmerksamkeit. Die Kindheit ist nicht verschwunden - im Gegenteil: Kindheit gilt als persönlich elementare und als gesellschaftlich wichtig wahrgenommene Lebensphase und steht im Mittelpunkt wissenschaftlichen, politischen sowie öffentlichen Interesses und Gestaltungswillens. Die Ambivalenz lässt sich einerseits durch eine passive Rezeption einer virtuellen Welt, das Vermissen von Kreativität und das Bemängeln eines verplanten Kinderalltags charakterisieren, andererseits durch eine Vielfalt an Optionen.
In Familien und Institutionen können Kinder außer Bildung, Betreuung und Erziehung auch zweckfreie Anregungen und Chancen zur Selbstentfaltung sowie Freiräume zum Träumen, Spielen, Schauen, Staunen, Fragen, Ausprobieren und zum eigensinnigen Aneignen der Umwelt finden - alles Elemente, die das Bild einer »zweckfreien Kindheit« ausmachen. Inwieweit Kindheit »zweckfrei« sein kann und soll, ist jedoch zwiespältig. Bereits der Versuch, ein Bild von Zweckfreiheit nachzuzeichnen, ist mit einer Vielfalt an Normen und (Wert-)Vorstellungen verbunden, die von Bildern einer »idealen« bzw. »idealisierten« Kindheit aus der Perspektive von Erwachsenen besetzt sind.
Wie aber haben sich die Bilder von Kindheit gewandelt? Was bedeutet Kindheit als Schonraum? Welche Unterschiede heutiger Kindheiten lassen sich ausmachen? Inwieweit gerät Kindheit heute bzw. geraten Kinder unter Druck? Wie können Kinder aufgrund veränderter Lebensbedingungen adäquat gefördert werden? Welche Aufgaben stellen sich für die verschiedenen Akteure, die mit Kindern zu tun haben?



Konkurrierende Bilder von Kindheit

Jean-Jacques Rousseau betonte in seinem Roman »Emile oder Von der Erziehung« (1762), dass die Herausbildung der naturgegebenen individuellen und sozialen Instinkte das Hauptziel von Erziehung sein solle. Dabei akzentuiert er die Eigenart der kindlichen Psyche und die Selbsttätigkeit des Individuums, das sich vieles (von allein) aneignet. Diese These steht im Gegensatz zur kirchlichen Tradition, deren explizites Erziehungsziel es war, den Menschen gesellschaftlich und religiös zu formen. Rousseaus Leitgedanke richtet sich dagegen auf das naturgegebene Reifen und Wachsen des Kindes, das nicht durch externe Zwecksetzungen und Zivilisation korrumpiert werden dürfe.

Kindheit wurde lange Zeit als eine besondere Lebensphase angesehen und Kinder als »nicht verantwortliche, schutzbedürftige, durch lernende Aneignung der Welt und primär über Familie und Bildungsinstitutionen definierte Menschen in einem Stadium des 'Noch-Nicht'« (Honig 1988, S. 70).

Die Bilder von Kindheit als »naturgegebene« und gleichzeitig »gesellschaftlich formierte« Lebensphase wurden seit den 1990er-Jahren von einer Sichtweise auf soziale Konstruktionsprozesse abgelöst, die ihr Augenmerk auf die gesellschaftliche Funktion sowie die Veränderungen von Kindheit richten (Kränzl-Nagl/Mierendorff 2007; Deutsches Jugendinstitut 1992).

Die heutige Kindheitsforschung bewirkte einen Blick auf Kindheit als soziales Phänomen und basiert auf der zentralen Erkenntnis, dass Kindheit nicht nur eine Lebensphase ist, sondern

in der Gesellschaft sozial und kulturell verankert ist,
mit normativen Interessen und Vorstellungen verknüpft ist und
in einem kontinuierlichen gesellschaftlichen Prozess von und mit Kindern konstruiert wird.

Kindheit und die gesellschaftlichen Prozesse des Wandels

Die Lebensbedingungen von Kindern veränderten sich nachhaltig durch

die Einführung der Schulpflicht (Scholarisierung),
das Verbot von Kinderarbeit bzw. deren Entkoppelung von Einkommen,
die Emotionalisierung der Beziehung zu den Eltern (Kinder werden zunehmend zu anerkannten und ernst genommenen Partnern in der Eltern-Kind-Beziehung und tragen zum Lebenssinn der Eltern bei),
die Privatisierung bzw. die Abschirmung des Privatlebens von der Öffentlichkeit,
den Ausbau des Wohlfahrtsstaates und damit verbunden die umfassende Förderung von Kindern (Kränzl-Nagl/Mierendorff 2007; Bühler-Niederberger 2005; Wintersberger 1998).

Diese Innovationen folgten dem Bild der Schon-, Schutz- und Lernbedürftigkeit von Kindern. Greift man dieses bereits im 19. Jahrhundert ausgeformte Bild von Kindheit exemplarisch heraus, dann wird deutlich, dass Kindheit als eine eigenständige Entwicklungsphase verstanden wurde (Kränzl-Nagl/Mierendorff 2007). »Schonraum« verweist auf »Gehege« und betont eine pädagogisch-psychologische Perspektive zum Schutz der Kinder vor Mangel und Gewalt sowie zur entwicklungsadäquaten Förderung.

Der veränderte Blick auf Kindheit untersucht

- die gesellschaftliche Funktion von Kindheit,
- die sozialen Konstruktionsprozesse und
- vor allem den Stellenwert von Kindern in diesen Prozessen.

Kindheit wird in den neueren Studien deshalb unter Einbezug der Kinderperspektive sowie mit einem Fokus auf Kinder als Forschungssubjekte verstanden. Neu in der Kindheitsforschung ist, dass der Einbezug der Kinderperspektive Kinder als aktiv handelnde und interpretierende Subjekte auffasst und nicht zweckorientiert als künftige Gesellschaftsmitglieder begreift (Kränzl-Nagl/Mierendorff 2007). Mit diesem veränderten Blick auf Kindheit versuchte die empirische Kindheitsforschung das Bild von Kindheit als Schonraum zu verlassen und zunehmend der Sicht von Kindern gerecht zu werden.


Kindheitsforschung heute: Einbezug der Kinderperspektive

Wissen über Kindheit basiert heute auf differenzierten empirischen Studien, die insbesondere die Perspektive der Kinder einbeziehen. Im Folgenden werden einige Beispiele kurz vorgestellt:

Die World Vision Kinderstudie (Hurrelmann u. a. 2007) sowie das DJI-Kinderpanel (Alt 2008) zeigen deutlich, dass es »die« heutige Kindheit nicht gibt. Für das Aufwachsen von Kindern in Deutschland spielen jeweils die Familienform, die Erwerbsbeteiligung der Eltern, die Herkunft (Migrationsgeschichte), das Geschlecht sowie die soziale Schicht eine entscheidende Rolle. Diese Dimensionen begründen bereits im frühen Kindesalter Chancen oder Benachteiligung. Dementsprechend gibt es starke Wechselwirkungen zwischen den sozialen Bedingungen und dem individuellen Erleben der Kinder sowie ihrem Wohlbefinden in Familie, Schule und Gleichaltrigen-Gruppen.

Fragt man Kinder (von 8 bis 11 Jahren) nach »ihren Sorgen«, tauchen bei ihren Antworten »Erwachsenenängste« auf:

50 % der Kinder haben Angst vor Armut,
37 % der Kinder haben Angst vor Arbeitslosigkeit der Eltern (Gloger-Tippelt 2009; Hurrelmann u. a. 2007).

Kinder haben sich bezüglich ihrer Selbstkonzepte mit Blick auf die Schule von Optimisten zu Realisten verändert (DJI-Kinderpanel: Alt 2008). Ein Merkmal des Wandels von Kindheit ist, dass Elemente der Jugend- und der Erwachsenenwelt die Kindheit (wieder) mehr beeinflussen.


Kindheit - ein zweckfreier Schonraum?

Das bis heute greifende Bild des Schonraums betont, dass Kinder individuelle Entfaltungsmöglichkeiten jenseits von externen Zweckstrukturen haben. Gleichzeitig sollen aber auch denjenigen Kindern optimale Entwicklungsmöglichkeiten geboten werden, die über geringe Ressourcen und Anregungsmilieus verfügen.

Ein förderlicher »Schonraum« existiert beispielsweise

bei verlässlichen häuslichen Umfeldern,
bei stabiler Eingebundenheit von Vater und/oder Mutter in das Erwerbsleben sowie der Sicherstellung von Betreuung,
bei vielfältigen Anregungen für den Prozess der Entwicklung und Entfaltung der kindlichen Persönlichkeit, und damit verbunden das Vertrautmachen und Vertrautwerden der Umwelt,
bei der Wahrung des Rechts von Kindern auf eine eigene Meinung sowie dem Ernstnehmen ihrer Bedürfnisse (Schneekloth 2008).

Sind solche Voraussetzungen gegeben, nutzen Kinder bereits frühzeitig unterschiedliche Angebote an Aktivitäten außerhalb der Familie. Basis für solche positiven Entwicklungen ist aber auch eine gezielte Förderung für diejenigen, die in benachteiligte Verhältnisse hineingeboren wurden. Auch diesen Kindern sollen Möglichkeiten eröffnet werden, Interessen, Neigungen und Talente zu entfalten und sich aktiv einzubringen. Dies verdeutlicht, dass das Bild des Schonraums bis in die Gegenwart greift.

Eine Auseinandersetzung mit dem normativ aufgeladenen Bild einer zweckfreien Kindheit wäre im Grunde genommen nicht nötig, wären da nicht andere öffentliche/mediale Debatten um die Investitionen in »Kinder als Humankapital« sowie die »Instrumentalisierung von Kindern« in politischen Diskursen.

Ein zentraler Aspekt von Kindheit heute ist, dass die Chancen für Kinder ungleich verteilt sind. Dem Bild des kindlichen Schon-, Schutz- und Lernraumes folgend soll die Chancengerechtigkeit verbessert und die Fähigkeit zur Selbstverortung von Kindern in einer Gesellschaft mit vielfältigen Werten, Normen und Kulturen gefördert werden. Kindheit unterliegt damit einer erhöhten Aufmerksamkeit, und die an Chancengerechtigkeit orientierte Förderung von Kindern zielt darauf ab, zu verhindern, dass verpasste Lern- und Entwicklungschancen eine Hypothek nicht nur für die Kinder, sondern auch für die Gesellschaft darstellen könnten.


Kindheit unter Druck

Kindheit als Lebensphase mit Elementen zweckfreier Zeit für Phantasie, Eigensinn, Unangepasstheit, Neugier und Spontaneität gerät unter diesen Anforderungen zunehmend unter Druck und Kinder werden vermehrt angesehen als

- Potenzial der gesellschaftlichen Reproduktion,
- zukünftige Leistungsträger und
- kompetente Akteure in einer globalisierten Welt.

Somit werden die nachwachsenden Generationen als rares und wertvolles Gut in den Blick genommen, das nicht vergeudet werden dürfe. Verstärkt wird diese Sichtweise durch die Tatsache, dass Kinder in Deutschland aufgrund eines kontinuierlichen Rückgangs der Geburtenrate sowie einer gestiegenen Lebenserwartung eine abnehmende Bevölkerungsgruppe sind.

Auch »wohlmeinende« Eltern und Fachkräfte vereinnahmen zunehmend - unter Bezug auf wissenschaftliche Begründungen - die Kindheit als eine zentrale Phase, in der möglichst früh und möglichst viel positiv beeinflusst bzw. gebildet, betreut, erzogen und optimal gefördert werden soll. »Bildung von Anfang an« ist das Motto, weil Gesellschaft, Politik und Wirtschaft es sich nicht leisten wollen und können, auf die Zukunftspotenziale von Kindern zu verzichten. Dementsprechend wurden weitreichende Maßnahmen initiiert und gesetzgeberisch beschlossen: Aktuelle Maßnahmen, wie die Erhöhung der Kindertagesbetreuungsquote - insbesondere für unter Dreijährige - und der Ausbau der Ganztagsschule, zielen u. a. auf die Reduzierung sozialer Ungleichheiten. Dabei wird neben formaler auch informelle Bildung groß geschrieben und als zusätzliches Instrument zur Förderung von Chancengerechtigkeit angesehen.


Veränderte Vorstellungen einer Förderung in der Kindheit

Wie stark Kindheit heute im Mittelpunkt des öffentlichen Gestaltungswillens steht, zeigt sich auf drei Ebenen:

Kindheit als kostbare Zeit des frühen Erwerbs von Kompetenzen (individuelle bzw. Mikroebene),
Kindheit als Vorbereitung und Ausrichtung auf die Teilhabe am Wirtschaftsleben sowie am demokratischen Gemeinwesen (Mesoebene),
Kindheit als Zielgröße für Maßnahmen einer wohlfahrtsstaatlichen Zweckmäßigkeit (beispielsweise Erwerbsarbeit statt Empfänger von Transferleistungen) (Makroebene) (Olk 2009).

In politischen Argumentationslinien, die »individuelle Förderung von Kindern«, »Entwicklung kindlicher Potenziale«, »Inklusion und Teilhabe« verfolgen, ist der Aspekt des gesamtgesellschaftlichen Nutzens nicht zu übersehen:

Im Nationalen Aktionsplan der Bundesregierung »Für ein kindergerechtes Deutschland 2005-2010« (NAP) (2006) und auch im Nationalen Integrationsplan der Bundesregierung (NIP) (2007) werden die Bildung, Integration und Teilhabe in der frühen Kindheit zum grundsätzlichen Anliegen und handlungsleitenden Ziel erkoren. In den letzten Jahren haben beispielsweise die Einrichtungen der Kindertagesbetreuung eine erweiterte Funktionszuschreibung erfahren, wobei fraglich ist, inwieweit entsprechende Erwartungen den derzeitigen Handlungsmöglichkeiten und -ressourcen entsprechen. Kindertageseinrichtungen beispielsweise werden mit Zielvorgaben und Erwartungen überhäuft, ohne jeweils die ungünstigen Ausgangsbedingungen entsprechend zu berücksichtigen. Dies spiegelt sich insbesondere im Personalschlüssel, in der Weiterqualifizierung des Personals sowie in unzureichender finanzieller und räumlicher Ausstattung wider (Bundesjugendkuratorium 2008). Dadurch aber wird nicht nur der Druck auf Einrichtung und Personal, sondern auch auf die Kindheit als Lebensphase erhöht. Die allerorts vorhandene Interessiertheit besetzt und überhäuft Kindheit mit Absichten, Anliegen, Intentionen, Plänen und Vorhaben. Elemente zweckfreier Entwicklungslinien, in denen Kindern weniger Entfaltungsraum gelassen wird, treten in den Hintergrund.


Was können die Akteure tun?

Aufgrund der Überlegungen und Anregungen zu »zweckfreier Kindheit« stellen sich für Fachpraxis, Wirtschaft, Politik und Wissenschaft folgende Anforderungen:

Anforderungen an die Fachpraxis
Die Fachkräfte im vorschulischen Bereich stehen unter dem ambivalenten Druck einer Orientierung an »school-readiness« sowie an der individuellen Entfaltung innerhalb der Kindheit als Schonraum. Davon ausgehend ist eine neue Qualität der entsprechenden Ausbildungen, institutionellen und finanziellen Ressourcen der Einrichtungen sowie der Steuerungskriterien gefordert - auch mit Blick auf einen institutionellen Übergang.

Anforderungen an die Wirtschaft
Auch in einer wissensbasierten Dienstleistungs- und globalen Konkurrenzgesellschaft müssen Eltern als Arbeitnehmer/innen in der Rolle als Erziehende wahrgenommen werden. Dazu gehören stabile Arbeits(platz)bedingungen sowie flexible Handlungsmöglichkeiten, um elterlichen Aufgaben und Anforderungen nachkommen zu können. Betriebliche und betriebsnahe Betreuungsangebote können zur Erleichterung der Wahrnehmung elterlicher Verantwortung einen wichtigen Beitrag leisten.

Anforderungen an die Politik
Politik muss verstärkt Kinder als Subjekte in den Blick nehmen und sie als eigenständige Rechtsträger anerkennen (UN-Kinderrechtskonvention 1989). Die Investition in die Bildung von Kindern ist derzeit zwar das vorherrschende politische Konzept, zu beachten ist aber, dass nicht - wie es die PISA-Studien nahe legen könnten - ein verkürzter Bildungsbegriff greift. Gleichzeitig ist zu beachten, dass ein Teil der Kinder von Bildung und gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen ist und einem strukturellen Abschneiden von Bildungswegen (z. B. durch Herkunft) entgegengewirkt werden muss. Kindheit nur unter bildungspolitischen Gesichtspunkten zu betrachten, wäre verkürzt; zentrale Aufgabe ist es vielmehr, eine breiter aufgestellte Kinderpolitik zu etablieren.

Anforderungen an die Wissenschaft
Auch wenn die Kindheitsforschung quantitativ und qualitativ nicht so schlecht aufgestellt ist, geht es darum, vier Dimensionen systematischer und konsequenter zu berücksichtigen, das heißt:

gezielter die Kinderperspektive einzubeziehen,
kinderrelevante Strukturbedingungen in den Blick zu nehmen,
professionelle Handlungsbedingungen und Qualifikationsmuster zu untersuchen und
vor allem Erkenntnisse aus internationalen Vergleichen zu nutzen.


Kinder als aktive Subjekte

Insgesamt gesehen zeigt sich, dass Kindheit nicht losgelöst von gesellschaftlichen Prozessen betrachtet werden kann und sich sozialstaatliche Planungen und Steuerungen verstärkt auf die Phase der Kindheit konzentrieren, indem sie Kindern eine Funktion als Gesellschaftsmitglieder der Zukunft zuschreiben. In einer lediglich finalen Orientierung am »Outcome« steckt aber die Gefahr eines beschränkten Bildes von Kindheit, bei der nur Aspekte der Zweckmäßigkeit in den Vordergrund geraten. Gegenüber Auswüchsen solcher Entwicklungen erscheinen die kulturkritischen Argumente von Neil Postman geradezu harmlos. Demgegenüber ginge es auch gezielt darum, Entfaltungsräume zu schaffen, Anregungen zu geben, altersgemäß zu fördern und dabei gleichzeitig nicht zu überfordern. Zudem gibt die UN-Kinderrechtskonvention (1989) vor, Kinder in einer ihrer Entwicklung entsprechenden Weise zu fördern sowie zu beteiligen - und dies wäre in einer Politik für und durch Kinder zu etablieren. Auch wenn dabei Erwachsene noch so gut gemeint die Interessen von Kindern im Blick haben, sollten sie das Kind selber nicht aus den Augen verlieren.


Kontakt:
Dr. Wolfgang Gaiser, gaiser@dji.de
Pia Rother, rother@dji.de

Vorträge zu »Zweckfreie Kindheit« auf der DJI-Tagung »Kinder in Deutschland«, Berlin:
Prof. Dr. Gabriele Gloger-Tippelt: Zweckfreie Kindheit - eigenständige Kindheit
Ulrich Schneekloth: Kindheit als Schonraum? - Befunde aus der World Vision Kinderstudie 2007
Prof. Dr. Thomas Olk: Kommentar zu »Zweckfreie Kindheit«


Literatur: Alt, Christian (Hrsg.) (2008): Kinderleben - Individuelle Entwicklungen in sozialen Kontexten. Band 5: Persönlichkeitsstrukturen und ihre Folgen. Schriften des Deutschen Jugendinstituts: Kinderpanel. Wiesbaden

Bundesjugendkuratorium (2008): Zukunftsfähigkeit von Kindertageseinrichtungen. Stellungnahme des Bundesjugendkuratoriums. München

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2006): Nationaler Aktionsplan. Für ein kindergerechtes Deutschland 2005-2010. Berlin

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (1989 UN-Ratifizierung, 2007): Übereinkommen über die Rechte des Kindes. UN-Kinderrechtskonvention im Wortlaut mit Materialien. Berlin

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2007): Nationaler Integrationsplan. Neue Wege - Neue Chancen. Berlin

Bühler-Niederberger, Doris (2005): Kindheit und die Ordnung der Verhältnisse. Von der gesellschaftlichen Macht der Unschuld und dem kreativen Individuum. Weinheim/München

Deutsches Jugendinstitut (Hrsg.) (1992): Was tun Kinder am Nachmittag? Ergebnisse einer empirischen Studie zur mittleren Kindheit. München

Gloger-Tippelt, Gabriele (2009): Zweckfreie Kindheit - eigenständige Kindheit. In: Kinder in Deutschland (Themenband; erscheint Sommer 2009). München

Honig, Michael-Sebastian (1988): Kindheitsforschung. Abkehr von der Pädagogisierung. In: Soziologische Revue, 11. Jg., H. 2, S. 16-178

Hurrelmann, Klaus / Andresen, Sabine / TNS Infratest Sozialforschung (2007): Kinder in Deutschland 2007. 1. World Vision Kinderstudie. World Vision Deutschland e. V. (Hrsg.). Frankfurt am Main

Kränzl-Nagl, Renate / Mierendorff, Johanna (2007): Kindheit im Wandel - Annäherung an ein soziales Phänomen. In: SWS-Rundschau, 47. Jg., H. 1, S. 3-25

Olk, Thomas (2009): Kommentar zu »Zweckfreie Kindheit«. In: Kinder in Deutschland (Themenband; erscheint Sommer 2009). München

Postman, Neil (1983): Das Verschwinden der Kindheit. Frankfurt am Main

Rousseau, Jean-Jacques (1762 Originalfassung, 2007): Emile oder Von der Erziehung. Waderloh

Schneekloth, Ulrich (2009): Kindheit als Schonraum? - Befunde aus der World Vision Kinderstudie 2007. In: Kinder in Deutschland (Themenband; erscheint Sommer 2009)

Wintersberger, Helmut (1998): Ökonomische Verhältnisse zwischen den Generationen - Ein Beitrag zur Ökonomie der Kindheit. In: Zeitschrift für Soziologie der Erziehung und Sozialisation 18. Jg., H. 1, S. 8-24


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Quelle:
DJI-Bulletin Heft Nr. 85, 1/2009 , S. 5-8
Herausgeber:
Deutsches Jugendinstitut e.V. (DJI)
Nockherstraße 2, 81541 München
Tel.: 089/623 06-0, Fax: 089/623 06-265
E-Mail: barthelmes@dji.de
Internet: www.dji.de/bulletins

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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. August 2009