Schattenblick → INFOPOOL → SOZIALWISSENSCHAFTEN → PÄDAGOGIK


SCHULE/433: Bamberger Soziologin untersucht Bildungsungleichheiten im Schulsystem (idw)


Otto-Friedrich-Universität Bamberg - 18.09.2015

Bamberger Soziologin Sandra Buchholz untersucht Bildungsungleichheiten im Schulsystem


Deutsche Schülerinnen und Schüler entscheiden sich deutlich häufiger für alternative Bildungswege als bislang angenommen. Das zeigt die Bamberger Professorin Dr. Sandra Buchholz in einer neuen Studie und stellt fest: "Die Bildungsungleichheit in Deutschland wird dadurch verstärkt."

Neue Schule, neue Mitschüler, neue Fächer: Damit beginnen in diesen Tagen tausende deutsche Fünftklässler die Haupt- oder Realschule oder das Gymnasium. Welche Schulform sie besuchen, hängt stark vom Elternhaus ab. Deutschland gehört zu den Ländern, denen die PISA-Studien eine besonders große Ungerechtigkeit des Schulsystems bescheinigt haben. Zwei Faktoren unterstützen diese Ungerechtigkeit: Zum einen werden die Kinder bereits im Alter von zehn bis zwölf Jahren auf eine der drei weiterführenden Schulformen festgelegt, zum anderen findet ein Wechsel zwischen diesen weiterführenden Schularten, etwa von der Hauptschule auf die Realschule, vergleichsweise selten statt.

Es gibt zwar seit über 50 Jahren alternative Wege, um einen höheren Abschluss nach dem ersten zu erreichen, doch die Forschung ging bislang davon aus, dass diese nicht von einer breiten Masse genutzt werden. Eine neue Studie der Bamberger Professorin Dr. Sandra Buchholz zeigt: Das Schulsystem ist deutlich durchlässiger als angenommen. Gegen Bildungsungleichheit nützt das aber wenig.

Für ihre Studie wertete die Professorin, die den Lehrstuhl für Soziologie I vertritt, die Daten von mehr als 2.200 Menschen aus. Alle von ihnen hatten als ersten Bildungsabschluss entweder einen Hauptschulabschluss oder die Mittlere Reife erworben. Buchholz und Antonia Schier, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi), einem An-Institut der Universität Bamberg, verwendeten dessen Daten des Nationalen Bildungspanels (NEPS). Dabei handelt es sich um eine langfristig angelegte Längsschnittstudie, die den Bildungserwerb und die Kompetenzentwicklungen vom Kleinkindalter an bis zur Rente misst.

Die Daten zeigen: 27 Prozent der Untersuchten machten nach der Haupt- oder Realschule weiter und erarbeiteten sich einen höheren Abschluss. "Dass fast jeder Dritte sich für einen höheren Schulabschluss entscheidet, hat uns sehr überrascht", so Buchholz. "Die Wissenschaft nahm an, dass eine unvorteilhafte Zuordnung nach der Grundschule kaum korrigierbar ist. Das deutsche Schulsystem galt bislang als besonders rigide - das ist aber nach diesen Ergebnissen nicht haltbar."

Das Schulsystem ist also durchlässiger als angenommen. Allerdings zeigte die neue Bamberger Studie deutlich: Nicht unbedingt die begabtesten und fleißigsten Kinder nutzen diese Wege. Besonders wichtig neben guten Noten ist, wie bereits bei der Wahl der weiterführenden Schule, die soziale Herkunft der Kinder. Der Bildungsabschluss der Eltern ist ein sehr einflussreicher und stabiler Faktor für die Wahrscheinlichkeit, dass jemand einen höheren Abschluss nach dem ersten anstrebt. Vier von zehn Schülerinnen und Schülern, deren Eltern das Abitur abgelegt hatten, wählten eine weiterführende Bildung nach dem ersten Abschluss. Hatten die Eltern einen Hauptschulabschluss, lag dieser Wert bei gut 20 Prozent, also lediglich bei der Hälfte.

Die Studie von Buchholz und Schier zeigt: Vor allem diejenigen, die ohnehin privilegierten sozialen Gruppen angehören, nutzen Aufstiegschancen. Das bestehende System reduziert die Ungleichheiten im deutschen Schulsystem also nicht. "Im Gegenteil", sagt Buchholz. "Es verstärkt sie sogar."


Weitere Informationen unter:
https://www.uni-bamberg.de/kommunikation/news/artikel/bildungswege/

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution93

*

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Otto-Friedrich-Universität Bamberg, Dr. Monica Fröhlich, 18.09.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. September 2015

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang