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FORSCHUNG/115: Kleine Menschen entwickeln sich am besten bei großer Zuwendung (Uni Erlangen)


uni.kurier.magazin - 109/September 2008
Wissenschaftsmagazin der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Milliarden Gehirnzellen auf Kontaktsuche
Kleine Menschen entwickeln sich am besten bei großer Zuwendung

Von Ralph Dawirs, Gunther Moll


"Dazu bist du noch zu klein", hört das Kind oft. Dann träumt es vom Großsein: "Wenn ich groß bin, dann ...". Doch wie werden Kinder groß und nicht bloß lang? Damit ihre Entwicklung optimal verlaufen kann, brauchen Kinder vor allem LIEBE. Eine Binsenweisheit, meinen Sie? Die Wirklichkeit sieht allerdings ganz anders aus. Wir leben in einer Gesellschaft, in der Kinder zunehmend nicht mehr als göttliches Geschenk, sondern als soziales Risiko wahrgenommen werden. Dabei stören Kinder die berufliche Laufbahn, die gesellschaftliche Mobilität, die persönliche Selbstverwirklichung und die Befriedigung materieller Bedürfnisse von Erwachsenen.

Die kindliche Entwicklung ist in einem hohen Maße störanfällig. Durch eine lieblose und aggressive Umgebung prägen sich antisoziale Verhaltensmuster ein, die bei dauerhaftem Einüben ein ganzes Leben lang stabil bleiben können. Jedes fünfte Kind in Deutschland zeigt deutliche Auffälligkeiten in seinem Gefühlsleben und/oder sozialen Verhalten. Jedes zehnte Kind leidet an einer behandlungsbedürftigen psychischen Störung. In den ersten Lebensjahren verpasste Entwicklungschancen lassen sich später nicht mehr nachholen. Der Schaden an der Persönlichkeitsentwicklung eines jeden betroffenen Kindes und der sozialen Gemeinschaft als Ganzes ist enorm.

Wie entsteht unsere Persönlichkeit? Woher kommen unsere Wahrnehmungen, Gefühle, Gedanken, Wertvorstellungen und Verhaltensweisen? Anders gefragt, wie entwickelt sich unser Gehirn? Am besten, wir fragen einmal direkt bei einem "Kleinen" nach.

FRAGE: Wie sollen wir dich nennen?

LUKA: Meine Eltern nennen mich Lukas. Allerdings erst seit meiner Geburt. Davor haben sie es offenbar nicht für nötig gehalten. Das hat mich damals sehr amüsiert.

FRAGE: Verrätst du uns auch, wie alt du bist?

LUKA: Na klar. Ich bin 1 1/2 Jahre alt.

FRAGE: Also gut, Lukas. Es heißt ja "Kleine Kinder, kleine Sorgen - Große Kinder, große Sorgen"

LUKA: Großer Käse! Es muss genau umgekehrt heißen: "Kleine Kinder, große Sorgen" und "Keine Kinder, keine Sorgen". [Lukas quietscht vergnügt - Anm. der Red.]

FRAGE: Wie sollen wir das denn verstehen?

LUKA: Im Grunde ist es ganz einfach. Alles, was euch Erwachsenen selbstverständlich erscheint, muss sich bei mir erst mühsam entwickeln. Und das geht nicht irgendwie von selbst. Da kann jede Menge schief gehen. Vor allem dann, wenn die äußeren Bedingungen, die ihr mir bietet, nicht gut genug sind. Am liebsten wären mir natürlich optimale Bedingungen. In den ersten Wochen, Monaten und Jahren entwickeln sich bei mir die entscheidenden Dinge. Deshalb solltet ihr euch in dieser Zeit auch die größten Sorgen um mich machen.

FRAGE: Also direkt nachdem du auf die Welt gekommen bist...

LUKA: Das müsst ihr euch unbedingt abgewöhnen: "Auf die Welt kommen" sagen und "Geburt" meinen. Meine Geburt war Nichts im Vergleich zu dem, was in den ersten Tagen und Wochen bei mir in Mamas Bauch abging. Die Geschichte fängt nun mal ganz am Anfang an.

FRAGE: Nun, eigentlich wollten wir ja nur ein paar authentische Eindrücke über die Entwicklung des kindlichen Gehirns sammeln.

LUKA: Ich hab nicht um das Gespräch gebeten. [Lukas schmollt - Anm. der Red.]

FRAGE: Das war doch nicht so gemeint, Lukas. Dann leg mal los.

LUKA: Also gut. Sofort nachdem Papas Samenzelle und Mamas Eizelle ein Team geworden sind, hab ich angefangen, mich zu teilen. So ist aus mir in wenigen Tagen ein ganz ansehnliches Zellhäufchen geworden. Ich hieß damals übrigens Embryo und mein Hauptjob bestand darin, dafür zu sorgen, dass alle meine Organe zur richtigen Zeit am richtigen Platz angelegt wurden, und jeden Tag gigantisch zu wachsen. In meiner dritten Lebenswoche bildete sich die Anlage meines Zentralnervensystems. An ihrem vorderen Ende entstanden in meiner vierten Woche drei große Bläschen. Diese Hirnbläschen bildeten die ersten sichtbaren Stadien meines Gehirns. Ich war gerade mal fünf Wochen alt, als es mit meinem Gehirn dann so richtig abging. Schon jetzt nahm es etwa die Hälfte meiner gesamten Körpergröße ein. Die Zellschicht, die die Hohlräume der Bläschen auskleidet, hatte es wirklich in sich. Hier befanden sich meine Stammzellen, aus denen fast alle meine Nervenzellen entstehen sollten. Bereits zwei Wochen vorher fingen diese Zellen an, sich wie wild zu teilen. Inzwischen brachte ich es auf eine satte halbe Millionen neuer Nervenzellen pro Minute. Das bedeutete rund 720 Millionen neue Nervenzellen am Tag. Wahnsinn, oder?

FRAGE: Warum bloß diese Eile? Schließlich hattest du doch noch jede Menge Zeit. Es blieben dir noch acht Monate bis zur Geburt.

LUKA: Ehrlich gesagt, habe ich die ganze Hektik anfangs auch nicht verstanden. Mit acht Wochen sah ich dann schon fast so aus wie ihr. Nur kleiner eben. Alle meine Organe waren angelegt. Nach meiner zwölften Woche hieß ich dann Fötus. Mein neuer Name bedeutete: Alles war da und musste nur noch wachsen. Ich war schon 5 Zentimeter groß und wog stattliche 10 Gramm. Und dann das: Etwa nach der Hälfte meiner Zeit in Mamas Bauch kam die Massenproduktion meiner Nervenzellen unvermittelt zum Erliegen. Mit 4 1/2 Monaten besaß ich unvorstellbare 100 Milliarden davon in meinem Gehirn. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, kamen allerdings seither keine neuen Nervenzellen mehr hinzu. Im Gegenteil, ein großer Teil von ihnen ist im Laufe meiner frühen Entwicklung wieder zugrunde gegangen.

FRAGE: Fragt sich nur, wozu du diese ungeheure Menge an Nervenzellen so früh schon brauchtest.

LUKA: Eigentlich waren es ja noch keine richtigen Nervenzellen. Eher eine Art kleiner Vorläuferzellen. Die machten sich bald nach ihrer Entstehung auf den Weg, um in die verschiedensten Regionen des Gehirns auszuwandern. An ihren Bestimmungsorten angekommen, begannen sie sich äußerlich stark zu verändern und zu richtigen Nervenzellen zu werden, so wie ihr sie alle kennt. Aber das Entscheidende war, dass meine Nervenzellen jetzt anfingen miteinander Kontakt aufzunehmen. Dieses Knüpfen von Kontakten ist der entscheidende Vorgang bei der Entwicklung meines Gehirns und wird mich wohl noch über Jahre hinweg beschäftigen.

FRAGE: Woher wissen denn all die vielen Nervenzellen so genau, mit welchen anderen sie wie Kontakt aufnehmen müssen?

LUKA: Das wissen sie nicht. Brauchen sie auch nicht. Von entscheidender Bedeutung sind die Aktivitäten der beteiligten Nervenzellen. Diese sind in ihrer Summe ein Spiegelbild der jeweiligen Umweltbedingungen, die sich ständig in den Aktivitätsmustern meines Gehirns abbilden. Sie sind die Veranlassung dafür, dass sich das ganze Kontaktspektrum laufend um-, ab- und neu aufbaut. So gelingt es meinem Gehirn, frühe Erfahrungen, die sich ihm über alle meine Sinne mitteilen, in entsprechend angepasste Netzwerke von Nervenzellen umzusetzen. So richtet sich mein Gehirn ständig auf die Anforderungen aus, die an mich gestellt werden.

FRAGE: Eine beruhigende Vorstellung! Dann kann ja eigentlich nichts schief gehen.

LUKA: Von wegen! Von alleine läuft da gar nichts. Auf die richtigen Anregungen von außen kommt es an. Allein in meiner Großhirnrinde müssen über 10 Milliarden Nervenzellen verschaltet werden. Und jede meiner Nervenzellen nimmt im Schnitt Kontakt mit 10.000 bis 15.000 anderen Nervenzellen auf. Das bedeutet: 10.000 bis 15.000 neue Anschlüsse [Synapsen - Anm. der Red.] für 100 Milliarden neue Mitbewohner. Da müssen gleichzeitig eine gigantische Menge von Strippen gezogen werden. Ich denke, ich leiste auf diesem Gebiet mehr als alle Telekommunikationsunternehmen auf der ganzen Welt zusammen.

FRAGE: Übertreibst du da nicht etwas?

LUKA: Überhaupt nicht! Obwohl ich also in einer einzigen Sekunde immerhin rund 2 Millionen neue Kontakte geknüpft habe, war mir klar, dass ich mit diesen ganzen Verschaltungen bis zu meiner Geburt in keinem Fall fertig werden würde. Ich würde mit dem Verbindungsaufbau zwischen meinen Nervenzellen mindestens bis zu meinem zweiten Lebensjahr beschäftigt sein. In dieser Zeit wuchsen die anfangs eher mickrigen Ausläufer [Dendriten - Anm. der Red.] meiner Nervenzellen zu beachtlichen Baumkronen heran, um Platz für alle kontaktsuchenden Ausläufer anderer Nervenzellen zu bieten. Der größte Teil des gesamten Dendritenwachstums der Nervenzellen in meiner Großhirnrinde fand allerdings erst nach meiner Geburt statt. Entsprechend nahm die Zahl der Synapsen in meiner Großhirnrinde im ersten Jahr hier draußen rasant zu. Dadurch wuchs mein Gehirn mit atemberaubender Geschwindigkeit. Bei meiner Geburt brachte mein Gehirn rund 400 Gramm auf die Waage. In den ersten elf Monaten hier draußen habe ich mein Gehirngewicht bereits auf etwa 850 Gramm verdoppelt. Bei meiner Einschulung werde ich eure 1.400 Gramm dann fast eingeholt haben.

FRAGE: Wenn, wie du sagst, in den ersten neun Monaten deines Lebens ein so überdurchschnittlich hohes Gewicht auf die Entwicklung deines Gehirns gelegt wurde, warum warst du dann nach deiner Geburt ein so völlig hilfloser Nesthocker? Ohne Ganztagsbetreuung wärst du doch jetzt noch völlig aufgeschmissen.

LUKA: Ihr habt natürlich Recht. Auf den ersten Blick könnte man denken: Die Nachwuchsfrage hätte die Evolution bei uns Menschen doch irgendwie eleganter hinbekommen können. Aber, lasst euch nicht täuschen. In Wirklichkeit ist meine völlige Abhängigkeit eine ganz besonders pfiffige Strategie. Ein Trick, könnte man meinen. Offensichtlich ist die Entwicklung meines Gehirns darauf ausgerichtet, mir nach meiner Geburt sofort möglichst gute Startbedingungen zu bieten. Aber wofür? Denn meine bisherige Entwicklung zielte tatsächlich nicht darauf ab, dass ich mich nach der Geburt so schnell wie möglich eigenständig zurecht finden sollte. Vielmehr war ich zur Bewältigung des ganzen Alltagskrams von Anfang an dringend auf tatkräftige Unterstützung angewiesen. Von dieser Unterstützung hängen alle meine weiteren Entwicklungschancen ab. Tatsächlich sollte ich zunächst nichts weiter tun, als mich in erster Linie um die komplexe Weiterentwicklung meines Gehirns zu kümmern.

FRAGE: Warum dann noch weiterentwickeln? Es hätte doch längst alles fertig sein können.

LUKA: Eben nicht. Das Zauberwort heißt: LERNEN. Um mich später erfolgreich verhalten zu können, brauche ich mehr als nur Masse und Gewicht. Meine Persönlichkeitsmerkmale bilden sich erst langsam nach meiner Geburt aus. Und zwar im Lichte der Umwelt, in die ich mich hinein entwickle. Eine der wichtigsten Aufgaben meines Gehirns besteht ab jetzt darin, zu lernen, das Richtige zu wollen! Dazu brauche ich neben Gedächtnisleistungen, gedanklichen Konzepten und der Fähigkeit, Bewertungen vorzunehmen, vor allem meine Gefühle. Die sind nicht angeboren, sondern müssen nach und nach gelernt werden. Es wird für mich überlebenswichtig sein, die Auswirkungen und Konsequenzen meiner Handlungen richtig einschätzen zu können. Ihr nennt das soziale Kompetenz. Je besser ich lerne, mein Gegenüber und dessen Bedürfnisse richtig einzuschätzen und je mehr ich meine eigenen Gefühle und Wünsche im Griff habe, umso erfolgreicher werde ich mich später in meinem sozialen Umfeld zurechtfinden und behaupten können. Dabei entwickeln sich meine Gefühle Schritt für Schritt durch ständiges Üben. Diese soziale Entwicklung ist dabei an eine anhaltende Umbautätigkeit meiner Nervenzellnetze gebunden.

FRAGE: Immer mehr Eltern wollen ihre Kinder immer früher fördern. Auch in der Hoffnung, sie so besser auf den Konkurrenzkampf in einer zunehmend globalisierten Erwerbsgesellschaft vorzubereiten.

LUKA: Eltern müssen natürlich wissen, was sie ihren Kindern mitgeben möchten: Bestimmte Fakten und Fertigkeiten, oder eher die allgemeine Fähigkeit, das Leben in seiner Fülle zu meistern? Andererseits haben Eltern auch das Recht zu wissen, zu welchem Zeitpunkt in der Entwicklung ihrer Kinder welche ihrer Bemühungen überhaupt sinnvoll sind. Was immer sie tun, eines darf dabei unter keinen Umständen vernachlässigt werden: Die Entwicklung meines Gefühlslebens. Tatsächlich zählen meine Fähigkeiten, Gefühle zu erzeugen und zu steuern, sowie Gefühlsäußerungen wahrzunehmen und zu bewerten, zu den wichtigsten und komplexesten Leistungen meines Gehirns überhaupt. Dazu bin ich allerdings zunächst gar nicht, und in den ersten zwei Jahren nach der Geburt nur sehr unzureichend, in der Lage. Danach werden sich allmählich die für die Steuerung meiner Gefühle zuständigen Nervenzellnetze entwickeln. Eine zentrale Rolle spielt dabei mein Frontalhirn. Seine Entwicklung ist eine ziemlich aufwendige und langwierige Geschichte, die mich über meine gesamte Kindheit und Jugend hinweg beschäftigen wird, und die sehr eng mit der Entwicklung meiner Persönlichkeit verknüpft ist. Dagegen fangen meine Langzeitspeicher für abrufbares Faktenwissen, auf das die Erwachsenen ja so großen Wert legen, erst mit etwa sechs Jahren an zu funktionieren. Wie ihr seht, habe ich in den nächsten Jahren Wichtigeres zu tun, als über meine zukünftige Rolle in einer globalisierten Erwerbsgesellschaft nachzudenken.

FRAGE: Der Trick, wie du das nennst, scheint also darin zu bestehen, dass die Entwicklung deines Gehirns in die Zeit nach der Geburt hinein verzögert wird, um so optimale Anpassungsprozesse zu ermöglichen?

LUKA: Richtig! Eine echte Erfolgsstrategie eben. Doch die hat ihren Preis: Meine Abhängigkeit von eurer Betreuung. Ohne eure Liebe geht die Strategie nicht auf. Sie ist der Schlüssel zum Erfolg.

FRAGE: Wie ging es dann in deinem Gehirn weiter?

LUKA: Ich konnte gerade mal laufen, da begann die Verknüpfungsdichte in den Rindenfeldern meines Gehirns rasant abzunehmen. Jeden Tag verliere ich dort jetzt etwa 20 Milliarden Synapsen und ein Ende ist nicht in Sicht. Wie ich höre, soll das bis in meine Jugendzeit so weitergehen. Als Erwachsener werde ich dann gerade noch etwas mehr als die Hälfte der synaptischen Verknüpfungen besitzen, über die ich als Einjähriger verfügt habe. Eine rasante Talfahrt also. Die frischgeknüpften Netzwerke in meinem Frontalhirn bleiben übrigens auch nicht verschont. Hier wird die Abnahme allerdings erst beginnen, wenn ich etwa sieben Jahre alt bin. Ausgerechnet während meiner Schulzeit wird sich also die Verknüpfungsdichte in meinem Gehirn nachhaltig verringern.

FRAGE: Das hört sich ziemlich beängstigend an.

LUKA: Ist es aber nicht. Ihr könnt ganz beruhigt sein. Mein Gehirn wird sich nicht in seine Bestandteile auflösen. Es ist wie in der Bildhauerei. Es entstehen Strukturen durch Reduktion von Masse. Der Bildhauer entfernt Überflüssiges und legt so die in dem Rohling verborgene Skulptur frei. In meinem Falle mein Gefühlsleben und meine Persönlichkeitsmerkmale. Deren Entwicklung ist an die dramatische Abnahme der Verknüpfungsdichte meiner Nervenzellnetze gekoppelt. Während dieses entwicklungsbedingten Umbaus bilden sich diejenigen Verbindungsmuster heraus, die die Grundlage für meine Persönlichkeit darstellen. Klasse statt Masse eben.

FRAGE: Lukas, wir sind tief beeindruckt. Du und deine Altersgenossen scheinen tatsächlich Großartiges zu leisten. Es ist nun also an uns, euch nicht zu enttäuschen.

LUKA: Genau! Meine gesammelten Empfindungen und Erfahrungen schreiben sich gewissermaßen in die Feinabstimmung meiner Nervenzellnetze ein. Dabei prägen mich diese frühen Erfahrungen viel stärker als alle späteren Belehrungen zusammen. Auch wenn ich mich an die einzelnen Ereignisse später gar nicht mehr erinnern kann, weil mein Langzeitgedächtnis erst mit etwa sechs Jahren zu funktionieren beginnt, haben sie sich doch tief in mein Gefühlsleben eingegraben. Dieses emotionale Gedächtnis wird dann später mein gesamtes Erleben und Verhalten prägen.

FRAGE: Lukas, wir bedanken uns für das Gespräch und wünschen dir noch eine erfolgreiche und vor allem heitere weitere Entwicklung.

LUKA: Ebenfalls!


Wie alle Kinder, ist Lukas ein lernbegieriges und auf wunderbare Weise an seine Umwelt anpassungsfähiges Wesen. Er entwickelt sein emotionales Erleben und sein Sozialverhalten in Wechselwirkung mit seiner unmittelbaren Umwelt. Diese Entwicklung ist daran gebunden, dass sein kindliches Gehirn mit der Zeit bestimmte Strukturen anlegt, um darüber dann bestimmte Funktionen aufnehmen zu können. Dabei formen vor allem die in den ersten sechs Lebensjahren gesammelten Erfahrungen in individueller Weise die neuronalen Netze in Lukas' Gehirn. Auf diese Weise passen sich seine Fähigkeiten früh an die besonderen Ansprüche seiner sozialen Umgebung an. Bei der Gehirnentwicklung fällt also nichts einfach so vom Himmel. Jeder von uns hat vielmehr die Möglichkeit und zugleich die Verantwortung, sich positiv fördernd in die (Gehirn-) Entwicklung unserer Kinder einzumischen.


Das Gespräch mit Lukas führten Professor Dr. Gunther Moll und Professor Dr. Ralph Dawirs von der Kinder- und Jugendabteilung für Psychische Gesundheit des Universitätsklinikums Erlangen. Prof. Moll ist Leiter der Kinder- und Jugendabteilung für Psychische Gesundheit, Prof. Dawirs leitet den Bereich Forschung. Beide wollen die näheren Umstände des Interviews, im Besonderen die Identität des Gesprächspartners, nicht preisgeben, um seine weitere Entwicklung nicht zu gefährden, was ein öffentlicher Rummel um seine Person ohne Zweifel zur Folge hätte. Beide haben sich jedoch bereiterklärt, für eine Beantwortung von Nachfragen bezüglich einer optimalen Kindsentwicklung zur Verfügung zu stehen. Möglichen Skeptikern, wie dem einen oder anderen Kollegen, gestehen sie gerne zu, dass das Interview selbstverständlich auch fiktiver Natur sein könnte. Das mache aber keinen Unterschied.


Buchtipps:

(1) "Hallo, hier spricht mein Gehirn", von Gunther Moll, Ralph Dawirs, Svenja Niescken.
Beltz, 3. Auflage, Juli 2008,
ISBN: 978-3407858955.
In diesem Buch gibt Lukas einen ganz persönlichen und kurzweiligen Erlebnisbericht seiner Gehirnentwicklung von seiner Zeugung bis zum ersten Schultag. Inzwischen hat Lukas auch noch koreanisch gelernt. Wer also seinen Erlebnisbericht auf koreanisch lesen möchte, gibt dem Buchhändler seines Vertrauens einfach die folgenden Angaben:

(2) [Buchtitel in chinesischen Schriftzeichen - Anmerkung der Schattenblickredaktion
siehe Printversion oder PDF-Version auf den Internet-Seiten der Universität Erlangen
] Gyoyangin, Februar 2008, ISBN: 978-8991799301.

(3) "Endlich in der Pubertät", von Ralph Dawirs, Gunther Moll.
Beltz, voraussichtlicher Erscheinungstermin: 1. Auflage, August 2008.
Ein Sachbuch, das die Pubertät in einem völlig neuen Licht erscheinen lässt. Zugleich eine Geschichte, in der uns Lukas für die Dauer eines Jahres auf seine Reise ins Erwachsensein mitnimmt. Dabei gibt Lukas dem Leser ziemlich freche und intime Einblicke in seine Gefühls- und Gedankenwelt. Dieses Buch gibt Antworten auf die Frage nach dem eigentlichen Zweck der Pubertät und eröffnet überraschende Einblicke in eine einzigartige Erfolgsgeschichte.


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Quelle:
uni.kurier.magazin Nr. 109/September 2008, S. 14-18
Informations-Magazin der
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Herausgeber: Der Rektor
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Dezember 2008