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FORSCHUNG/116: Unterschwellige Reize - Bemerkenswert unbemerkt (GEHIRN&GEIST)


GEHIRN&GEIST 11/2008
Das Magazin für Psychologie und Hirnforschung

Bemerkenswert unbemerkt

Von Christoph Uhlhaas


Unsere Sinne nehmen mehr von der Welt wahr, als wir meinen.
Und doch beeinflussen unterschwellige Reize unser Verhalten nur in Nuancen.



AUF EINEN BLICK

Unsichtbar, aber da

1. Ein visueller Reiz ist "subliminal", das heißt nicht bewusst
    wahrnehmbar, wenn man ihn maximal 30 Millisekunden darbietet
    und danach durch einen anderen Reiz "maskiert".

2. Ein unterschwelliger Reiz kann das Verhalten von Probanden
    beeinflussen - Forscher sprechen von "Priming".

3. Wird unsere Aufmerksamkeit abgelenkt, findet kein Priming statt.


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Selten liegen Wissenschaft und öffentliche Meinung so weit auseinander wie beim Thema unterschwellige Reize. Damit sind beispielsweise Bilder gemeint, die so flüchtig erscheinen, dass wir sie nicht bewusst wahrnehmen. Obwohl sie die Schwelle zum Bewusstsein nicht überschreiten und nur unbemerkt ihre Spuren im Gehirn hinterlassen, können sie unsere Entscheidungen beeinflussen. Mit den Reizen, die niemand wahrnimmt, wird angeblich auch Stimmung gemacht und Geld verdient: Trickreiche Strategen nutzen sie in der Werbung oder um Wählerstimmen zu ködern - so heißt es. Doch wie Forscher heute wissen, ist die Wirkung subliminaler Reize - wiewohl nachweisbar - viel unspektakulärer.

Bekannt wurden subliminale Techniken durch einen Versuch des US-amerikanischen Marktforschers James Vicary aus dem Jahr 1957. Er blendete in einem Kino wiederholt und für die Zuschauer unsichtbar kurz die Werbebotschaft »Iss Popcorn, trink Coca-Cola!« ein. Angeblich erhöhte das den Colakonsum um ein Fünftel, den Popcornverzehr gar um 60 Prozent, so Vicary danach. Auch wenn er fünf Jahre später einräumte, dass es das Experiment in der Art nie gegeben habe, sondern er lediglich den Umsatz seiner Werbeagentur hochschrauben wollte: Der Mythos von der unmerklichen Manipulierbarkeit unseres Verhaltens war geboren. Vicary führte das Experiment zwar in einem Kino und danach auch noch einmal mit einer Schar interessierter Journalisten durch, aber die Zahlen waren durchweg gefälscht: Das ominöse Gerät, welches die kurzen, unsichtbaren Botschaften sendet, existiert, führt jedoch nicht zu den bahnbrechenden Ergebnissen.

2007 - zum 50. Jahrestag der »Iss-Popcorn-trink-Cola-Studie« - wiederholte der Werbeexperte und Hypnotherapeut Jim Brackin das Experiment auf einem Marketing-Kongress in Istanbul. Er warb mittels unterschwelliger Einblendungen für das fiktive Produkt »Delta«. Die 1400 Zuhörer im Kongresssaal sollten sich nach einer Filmvorführung zwischen diesem und einem anderen Produkt »Theta« entscheiden. 81 Prozent wählten »Delta«. Die in wissenschaftlichen Studien übliche Gegenprobe, ob dasselbe Experiment ohne subliminale Einblendungen ein anderes Ergebnis gehabt hätte, wurde jedoch nicht durchgeführt.


Das Kreuz mit der Manipulation

Ein weiteres aktuelles Beispiel stammt aus der Politik: Ende 2007 wurde in den USA der republikanische Präsidentschaftskandidat Mike Huckabee verdächtigt, die Wähler in einem Werbefilm unterschwellig zu manipulieren. Der Verdacht stützte sich auf ein weißes Regal, das in dem Spot hinter dem Politiker zu sehen war. Die Regalbretter bildeten dabei, je nach Kameraeinstellung und Fantasie, ein Kreuz. Huckabee wolle sein Bild in den Köpfen des Publikums mit christlicher Symbolik verbinden, so der Vorwurf an den ehemaligen Baptistenprediger. Hier stimmt nur leider nicht einmal das Label »subliminal«. Das lateinische sub limen bedeutet »unterhalb der Grenze« und bezieht sich auf Reize, die so schwach sind, dass wir sie nicht bewusst wahrnehmen. Das Regalkreuz freilich war für jeden Zuschauer gut erkennbar eine längere Weile im Bild.

Als zeitliche Grenze dessen, was als »unbewusster« Reiz gelten kann und was nicht, haben Wissenschaftler ein strenges Kriterium entwickelt: Erscheint beispielsweise die Ziffer »4« für eine Sekunde auf einem Bildschirm, dann nehmen wir sie bewusst wahr. Verkürzt man die Zeit, gelangt man in einen Grenzbereich. Die Probanden beteuern dann, keine Zahl gesehen zu haben. Lässt man sie trotzdem raten, ob ihnen eine Zahl kleiner oder größer »5« gezeigt wurde, dann liegen sie überdurchschnittlich oft richtig. Offenbar haben sie ohne ihr Wissen doch etwas gesehen.

Als subliminal gilt ein Reiz daher erst, wenn die Probanden auch bei dieser Entscheidung - größer oder kleiner als fünf? - nur zufällig richtig raten. Länger als etwa 30 Millisekunden darf die Ziffer dafür nicht auf dem Bildschirm prangen. Zudem muss sie sofort durch eine zufällige Buchstabenkette »maskiert« werden, wie es die Forscher nennen. Das Nachbild auf der Netzhaut würde sonst für einen bleibenden Eindruck sorgen. Huckabees Bücherregal lag also weit oberhalb dieser Wahrnehmungsschwelle.

Doch was soll schon ein Reiz bewirken, von dem wir nachweislich nichts merken? Eine ganze Menge, beweisen Psychologen und Hirnforscher in vielen Experimenten. Ohne dass wir es ahnen, versteht das Gehirn Wörter, deutet Gesichtsausdrücke, entschlüsselt Symbole und vieles mehr. Eine Fülle von so genannten Priming-Experimenten decken den Einfluss subliminaler Reize auf: Ein unterschwelliger Ausgangsreiz, der prime, beeinflusst die Reaktion auf einen bewusst wahrgenommenen Zielreiz, das target. Eingeblendete Zahlen sind dabei ein Klassiker: Probanden sehen auf dem Bildschirm eine Ziffer zwischen »1« und »9« und sollen durch Tastendruck einordnen, ob sie kleiner (linke Taste) oder größer als »5« (rechte Taste) sei.

Die Versuchsteilnehmer machen bei dieser einfachen Aufgabe kaum Fehler. Der Einfluss von unterschwelligen Reizen zeigt sich vielmehr in der Reaktionszeit: Die Probanden reagieren schneller, wenn vor dem bewusst wahrgenommenen target ein subliminaler prime aufflackerte, welcher denselben Tastendruck erfordert. Flimmert zum Beispiel vor der bewusst wahrnehmbaren »8« eine unterschwellige »7« auf, entscheiden sich die Probanden schneller für die richtige Taste. Eine subliminale »4« dagegen hätte sie länger zögern lassen. Dasselbe Experiment funktioniert auch mit Zahlwörtern wie »sieben«. Ebenso hinterlassen Wörter mit emotionalem Gehalt wie etwa »Angst« ihre Spuren - und erst recht emotionale Gesichter. Diese Effekte sind mittlerweile gut untersucht. Die Verarbeitung subliminal gezeigter emotionaler Gesichter verfolgten die Psychologen Monika Kiss und Martin Eimer von der University of London 2007 mit Hilfe von EEG-Messungen: 14 Probanden sollten den Gesichtsausdruck von Menschen auf Fotos in »ängstlich« oder »neutral « einordnen. Das gelang den Teilnehmern problemlos, wenn sie ein Gesicht für 200 Millisekunden sahen. Dann verkürzten die Wissenschaftler die Zeit auf gerade mal acht Millisekunden. Nun lagen die Probanden nur noch zufällig richtig: Der Reiz war damit definitionsgemäß subliminal. Trotzdem zeigten die Hirnstromkurven die gleichen Veränderungen, wie sie auch durch bewusste Wahrnehmung entstehen!


Ratten im Wahlkampf

Der Mythos »subliminale Beeinflussung« hat also durchaus eine empirische Basis. Nicht bewusst wahrnehmbare Reize lösen eine messbare Reaktion im Gehirn aus. Von einer tief greifenden Manipulation unserer Urteile und Entscheidungen kann dagegen keine Rede sein.

Die Angst vor der heimlichen politischen Beeinflussung keimte 2000 in den USA auf, als findige PR-Berater in einem Wahlkampfspot für George W. Bush mehrmals das Wort Democrats einblendeten, um für drei hundertstel Sekunden allein die letzten Buchstaben rats auf dem Bildschirm zu belassen. Doch kann das negativ besetzte Wort »Ratte« die Wähler tatsächlich beeinflussen?

Wie subliminal eingeblendete Wörter verarbeitet werden, untersucht das Forscherteam um den Kognitionswissenschaftler Stanislas Dehaene am Collège de France in Paris. Lionel Naccache etwa wies den Einfluss emotionaler Wörter auf direktem Weg nach: Bei drei Epilepsiepatienten, denen zu Behandlungszwecken Elektroden fest ins Gehirn implantiert wurden, konnte er zeigen, wie emotionale subliminale Wörter die Aktivität des Mandelkerns beeinflussen. Diese Hirnregion gehört zum limbischen System und trägt wesentlich zur gefühlsmäßigen Bewertung von Eindrücken bei. »Subliminale emotionale Wörter verändern die Aktivität des Mandelkerns genauso, wie wir es von der bewussten Verarbeitung emotionaler Wörter her kennen«, stellte Naccache fest.

Dass flüchtige emotionale Wörter eher ins Bewusstsein dringen als Wörter mit neutralem Gehalt, bewies Raphaël Gaillard. Er variierte die Zeit, nach der ein subliminal präsentiertes Wort durch eine zufällige Buchstabenkette maskiert wird. Geschah dies nach 66 Millisekunden, hing der Erfolg vom emotionalen Wert ab: Bei neutralen Wörtern konnte sich jeder zweite Proband erinnern, was auf dem Bildschirm stand. Bei emotional negativen Wörtern dagegen stieg die Quote auf zwei Drittel. Der emotionale Gehalt eines Wortes kann also die Schwelle der bewussten Wahrnehmung absenken. Selbst unbewusst wahrgenommene Wörter werden offenbar je nach semantischem Gehalt unterschiedlich verarbeitet.

Solche Versuche zielen indes nicht auf dreiste Werbetricks wie jene im Bush-Video ab. Dass sich mit solchen Einblendungen Menschen nachhaltig manipulieren lassen, ist sehr unwahrscheinlich. Denn solange ein Reiz nicht ins Bewusstsein vordringt, lässt sich sein Einfluss nur kurze Zeit nachweisen. Doch wie wird entschieden, was ins Bewusstsein dringt und was nicht? Gaillards Experiment zeigte, dass nicht allein die Dauer des Reizes darüber entscheidet, sondern auch sein Inhalt. Außerdem werden subliminale Reize abhängig davon verarbeitet, womit wir uns gerade beschäftigen. Das demonstrierte der Neurologe Kimihiro Nakamura von der Kyoto University eindrücklich: Er hemmte mittels transkranialer Magnetstimulation (TMS) gezielt bestimmte Hirnareale bei Probanden, die subliminale Einblendungen von Wörtern sahen.

Mit der magnetischen Stimulation konnte er zweierlei Priming-Effekte unterbinden: erstens bei einem Worterkennungstest, in dem die Probanden durch Tastendruck mitteilen sollten, ob eine eingeblendete Buchstabenkette ein Wort bildete oder nicht. War ihnen dasselbe Wort vorher subliminal dargeboten worden, reagierten sie schneller - es sei denn, die Magnetstimulation verhinderte dies.


Nur keine Hemmungen!

Zweitens sollten die Testkandidaten ein eingeblendetes Wort laut vorlesen. Auch das klappte normalerweise zügiger, wenn zuvor dasselbe Wort subliminal vorgegeben war. Die TMS konnte auch hier den Priming-Effekt vereiteln. Je nach Aufgabe mussten dazu unterschiedliche Hirnareale gehemmt werden: Hatten die Probanden Wörter und zufällige Zeichenketten auseinanderzuhalten, dann wirkte eine Hemmung des oberen Bereichs des Schläfenlappens. Bei der Leseaufgabe hingegen musste das Magnetfeld auf den unteren Schläfenlappen ausgerichtet werden. Das bedeutet: Wo im Gehirn das unterschwellig eingeblendete Wort seine Spuren hinterlässt, entscheidet die Aufgabe, der sich die Kandidaten im Augenblick des subliminalen Reizes widmen. Studienleiter Dehaene glaubt, dass wir subliminale Reize möglicherweise sogar semantisch verarbeiten. Das wäre eine faszinierende Leistung: Der schwache optische Reiz wird als Wort erkannt, die Zeichenkette wird entschlüsselt und die zum Wort gehörige Repräsentation im Gehirn abgerufen - und das alles völlig unbewusst.

Dafür sprechen die Ergebnisse von Nakamura und Gaillard. Und Nakamura liefert noch ein Argument: Der Priming-Effekt durch subliminale Wörter wirke ebenso »crossmodal«: Auch wenn das Wort für drei hundertstel Sekunden schriftlich eingeblendet wurde, die folgende Worterkennungsaufgabe jedoch aus einem gesprochenen Wort besteht, verkürzt die subliminal eingeblendete Buchstabenfolge die Reaktionszeit der Probanden.

Dehaene schließt daraus, dass uns Reize nur dann bewusst werden, wenn sie im Gehirn einen verteilten und dauerhaften »Widerhall« erzeugen. Darüber entscheiden nicht nur ihre Dauer, sondern auch übergeordnete kognitive Prozesse, so etwa die Aufgabe, mit der sich ein Proband gerade beschäftigt, oder worauf er seine Aufmerksamkeit richtet. Was das Lesen von subliminalen Wörtern betrifft, dauert der wissenschaftliche Disput allerdings noch an. Skeptiker weisen die Vorstellung zurück, dass wir unterhalb der Bewusstseinsschwelle Wörter lesen. Wahrscheinlicher sei, dass die kurzen Zeichenfolgen als komplettes Bild im Gehirn abgespeichert werden und deshalb Priming-Effekte erzeugen.

Der Psychologe Richard Abrams von der University of Washington fand bereits im Jahr 2000 Hinweise dafür: Auch er ließ zuerst Probanden den emotionalen Gehalt von Wörtern bestimmen. Zum Beispiel wirkt smile positiv, während smut, also Schmutz, negativ belegt ist. Nach dem Priming-Experiment bestätigte Abrams, dass ein subliminales negatives Wort die Versuchsteilnehmer rascher auf ein bewusst wahrgenommenes mit derselben Assoziation reagieren lässt. Doch auch »sinnfreie« Wortkreuzungen wie »anrm« wirken als positives Primewort, wenn die Probanden zuvor mehrmals positiv belegte Worte wie angel und warm gelesen haben. Abrams konnte sogar smile zu einem emotional negativen subliminalen Wort umfunktionieren: Dazu ließ er seine Probanden mehrmals smut und bile - Dreck und Galle - lesen. Subliminal erkennen wir allenfalls abgespeicherte Wortfetzen, schließt Abrams aus seinen Ergebnissen.

Um solche Feinheiten kümmert sich die Werbeindustrie kaum. Der IT-Start-up Xtive bietet seit 2007 eine Software an, die in unhörbaren Frequenzen Computersüchtigen sinngemäß einflüstert: »Schalt die Kiste aus.« Diese Botschaft an das Unterbewusstsein könne die Sucht heilen - so die Hersteller. Auch subliminale Musik ist im Handel: Hier werden erbauliche Texte verfremdet und mit Entspannungsmusik unterlegt. »Die gewünschten Affirmationen gelangen ohne jegliche Prüfung ins Unterbewusstsein. Einer dauerhaften Umprogrammierung von Charaktereigenschaften steht somit nichts mehr im Weg«, preist ein deutscher Versand seine CDs an. Auch diverse Computerprogramme, mit denen man seine eigenen Botschaften oder Bilder in Filme einspielen kann, stehen zum Beispiel von der Firma Ded Phyto Inc unter www.fileheap.com zum Download bereit.


Windige Geschäftsideen

Auch im Internet kann man auf etlichen Seiten eine Affirmation eingeben, die man dann »in einer für das Unterbewusstsein gut verdaulichen Form« aufbereitet bekommt. Zur Wirkung gibt es meist keine Angaben, geschweige denn Studien. Aus wissenschaftlicher Sicht sind diese Produkte mehr als fragwürdig. Definitionsgemäß weiß der Käufer nicht einmal, was er hört oder sieht - und schon gar nicht, wie die freundlichen Worte unter dem Radar der bewussten Wahrnehmung wirken. Wenn sie es denn überhaupt tun.

Solch windige Geschäftsideen haben kaum noch Bezug zur wissenschaftlichen und empirisch fundierten Definition eines subliminalen Reizes. Während Forscher wie Stanislas Dehaene subliminale Reize benutzen, um mit ihnen die Schwelle des Bewusstseins zu vermessen, haben sich auch einige selbst ernannte Spezialisten des Themas angenommen, die von einer subliminalen Programmierbarkeit des Geistes ausgehen. Ein nicht wahrnehmbarer Einfluss auf das Unterbewusstsein scheint die menschliche Fantasie zu beflügeln. Doch jenseits des wissenschaftlich Nachgewiesenen bleibt die Wirkung Glaubenssache.


Christoph Uhlhaas ist Philosoph und Wissenschaftsjournalist in München.

Diesen Artikel finden Sie als Audio-Datei unter:
www.gehirn-und-geist.de/audio


ZUSATZINFORMATIONEN:

Kuriose Zensur
Im Jahr 2000 wurde der russische Fernsehsender Avtorskiye Televisionniye Novosti, kurz ATN, von der Regierung geschlossen, weil er die Zuschauer angeblich subliminal dazu auffordere, »sitzen zu bleiben und ATN zu schauen«.


Verdeckte Drogenwirkung

Dieses Jahr fanden Forscher der University of Pennsylvania um Anna Rose Childress heraus, welche große Wirkung subliminale Reize im Gehirn haben können. 22 Männern, die wegen ihrer Kokainsucht durchschnittlich 15 Jahre in Behandlung waren, zeigten sie Bilder, die mit der Substanz in Zusammenhang standen. Die Untersuchung per fMRT zeigte, dass der unbewusste Reiz ihr Belohnungszentrum in Aufruhr versetzte.

Die Interpretation der Wissenschaftler: Eine schnelle Reaktion auf bestimmte Reize stellt einen evolutionären Vorteil dar. So kann es zum Beispiel entscheidend sein, unbewusst auf etwas Essbares zu reagieren. Die Reaktion auf die Droge folgt dem gleichen Schema, ist aber durch den langjährigen Konsum »erlernt«.


Subtiler Suchtfaktor?

2007 wurden in Kanada »Einarmige Banditen« aus dem Verkehr gezogen, weil sie die Spieler angeblich subliminal beeinflussten. Bei dieser Art Glücksspiel drehen sich drei Rädchen mit Symbolen - eine bestimmte Kombination der Symbole knackt den Jackpot. Die Geräte des Herstellers Konami Gaming, die dieses Prozedere per Videoanimation darstellen, zeigten für 200 Millisekunden die Gewinnsymbole, berichtete die Canadian Broadcasting Corporation (CBC). Damit täuschten sie subliminal eine erhöhte Gewinnchance vor und forderten gerade Spielsüchtige auf weiterzuzocken, lautete der Vorwurf. Die Hersteller beteuern jedoch, dass ein Softwarefehler die Ursache dafür sei.


LITERATURTIPPS

Childress, A. R. et al.: Prelude to Passion: Limbic Activation by »Unseen« Drug and Sexual Cues. In: Public Library of Science 3(1), DOI: 10.1371/journal.pone.0001506, 2008.

Dehaene, S.: Conscious, Preconscious, and Subliminal Processing: a Testable Taxonomy. In: Trends in Cognitive Sciences 10, S. 204 - 211, 2006.

Kiesel, A.: Unconscious Manipulation of Free Choice in Humans. In: Consciousness and Cognition 15, S. 397 - 408, 2006.

Kiesel, A. et al.: Mechanisms of Subliminal Response Priming. In: Advances in Cognitive Psychology 3, S. 307 - 315, 2007.

Kiss, M., Eimer, M.: ERPs Reveal Subliminal Processing of Fearful Faces. In: Psychophysiology 45, S. 318 - 326, 2008.

WEBLINK
http://faculty.washington.edu/agg/pdf/Abrams-Klinger-Greenwald_PBR.pdf
Link zur Studie von Richard Abrams über die vermeintliche Wirkung von subliminal dargebotenen Wörtern


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

FLÜCHTIGER SCHIMMER
Die Augen sehen auch Dinge, die nicht ins Bewusstsein gelangen: Eine sehr kurz eingeblendete Zahl hinterlässt zwar Spuren im Gehirn - wir merken davon allerdings nichts.

SUBLIMINALE PROPAGANDA
Im US-Wahlkampf 2000 benutzten die PR-Berater von George W. Bush zweifelhafte Tricks, um ein schlechtes Bild über dessen Rivalen zu verbreiten: Mittels subliminaler Einblendungen sollten Democrats mit rats assoziiert werden.

UNBEWUSSTE ERWARTUNGSHALTUNG
Mit Kokainkonsum assoziierte subliminale Bilder aktivierten große Teile des Belohnungssystems wie die Amygdala, das Striatum, das Pallidum und die Insel.


© 2008 Christoph Uhlhaas, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg


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Quelle:
GEHIRN&GEIST 11/2008, Seite 38 - 42
Herausgeber: Dr. habil. Reinhard Breuer
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Dezember 2008