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MELDUNG/178: Bittere Pillen für Ina Menzer und Firat Arslan (SB)



Angriffsdruck der Kanadierin Jeannine Garside belohnt

Bei der "Universum Champions Night" in der Stuttgarter Porsche-Arena wurde Ina Menzer als Weltmeisterin der Verbände WBC, WBO und WIBF im Federgewicht entthront. Die 29jährige Mönchengladbacherin unterlag der drei Jahre älteren Kanadierin Jeannine Garside über zehn Runden einstimmig nach Punkten (92:98, 94:96, 94:96). Während die geschlagene Titelverteidigerin in ihrem 27. Profikampf die erste Niederlage einstecken mußte, verbesserte die Herausforderin ihre Bilanz auf zehn Siege, drei Niederlagen und ein Unentschieden. Die Kanadierin hat zudem den Gürtel der WIBA in ihrem Besitz.

Nachdem die Kontrahentinnen in der ersten Runde noch vorsichtig zu Werke gegangen waren, übernahm die Kanadierin im zweiten Durchgang von der Ringmitte aus die Kontrolle, die sie während des gesamten Kampfes nie mehr abgab. Zwar gelang es Ina Menzer zunächst, die offene Deckung der wild angreifenden Gegnerin zu einigen klaren Treffern zu nutzen, doch zahlte ihr es die Herausforderin umgehend mit heftigen Schlägen heim. Die Mönchengladbacherin hatte offensichtlich große Probleme mit der Rechtsauslage Jeannine Garsides, vor allem aber mit deren ungestümem Angriffsdruck.

So lag die Titelverteidigerin bereits frühzeitig im Rückstand und fand auch in der Folge kein Mittel gegen die Treffer der Kanadierin, deren Spuren ab der siebten Runde ihr Gesicht zeichneten. Gegen Ende setzte Ina Menzer alles auf eine Karte, doch konterte Garside souverän, erzielte im zehnten Durchgang sogar einen Niederschlag und brachte den Sieg sicher nach Hause.

Die zuvor als Außenseiterin gehandelte Jeannine Garside zeigte sich überwältigt von ihrem Sieg. Sie dankte Ina Menzer für die Chance und für den tollen Kampf: "Ina ist eine sehr harte Boxerin. Aber ich war heute die Bessere. Danke an Stuttgart, danke an Deutschland. Ihr habt mich toll behandelt."

Ina Menzer gratulierte der Siegerin, die verdient gewonnen habe. Dann entschuldigte sie sich bei ihrem Trainer und den Fans für ihre Leistung, die sie als enttäuschend bezeichnete. An der Vorbereitung habe es nicht gelegen, doch sei sie mit dieser Gegnerin einfach nicht zurechtgekommen. Sie wisse aber auch, daß jeder großer Boxer irgendwann einmal verloren hat, wie auch das Beispiel der Klitschkos zeige. Entscheidend bleibe, welche Lehren man aus der Niederlage zieht. Nun hoffe sie natürlich auf eine Revanche, da sie beweisen wolle, daß sie es doch besser kann.

Auch Promoter Klaus-Peter Kohl machte aus seiner Enttäuschung keinen Hehl und sagte, daß Ina mehr könne, als sie an diesem Abend gezeigt habe. Zusammen mit Trainer Michael Timm werde sie die Fehler analysieren und dann stärker als vorher zurückkommen. Kohl gratulierte der neuen Weltmeisterin, die einen großartigen Auftritt geboten habe.

Der Kampfabend in Stuttgart war die drittletzte Veranstaltung, die der Universum-Boxstall zusammen mit seinem Fernsehpartner ZDF durchführt. Am 17. Juli verteidigen Susianna Kentikian aus Hamburg und der Schweriner Jürgen Brähmer ihre Titel in Schwerin. Beim letzten gemeinsamen Projekt ist WBC-Interimsweltmeister Sebastian Zbik am 31. Juli in Hamburg der Hauptkämpfer. Danach ist die Zukunft des einst größten Boxstalls Europas ungewiß.


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Kreislauf ließ führenden Firat Arslan im Stich

Auch im zweiten Titelkampf des Abends mußte die gastgebende Universum Box-Promotion eine herbe Niederlage hinnehmen. Im Kampf um den Gürtel des Interimsweltmeisters der WBA im Cruisergewicht unterlag Firat Arslan aus Süßen dem Franzosen Steve Herelius durch technischen K.o. in der zwölften Runde. Der 39 Jahre alte frühere Champion, der 21 Monate nach einem schweren Fahrradunfall in den Ring zurückkehrte, lag nach Punkten in Führung, als er eine Runde vor Ende des Kampfes einen Kreislaufzusammenbruch erlitt, so daß seine Ecke das Zeichen zur Aufgabe geben mußte. Regulärer Weltmeister dieses Verbands ist Guillermo Jones aus Panama, der in den nächsten drei Monaten seinen Titel verteidigen muß, da er ihn andernfalls an Herelius verliert.

Firat Arslan hatte zehn Runden lang alles gegeben, seinen Gegner durch den Ring getrieben und aus einer massiven Doppeldeckung heraus immer wieder mit Schlägen eingedeckt. Wenngleich er die ersten Runden verloren hatte, bekam er den Franzosen ab Mitte des Kampfs unter Kontrolle, der am Rande eines Niederschlags stand. Herelius wehrte sich tapfer und hielt durch, doch schien er einer klaren Niederlage entgegenzusehen. Gegen Ende der elften Runde wirkte Arslan plötzlich orientierungslos, taumelte und suchte die falsche Ecke auf. Daraufhin nahm ihn sein Trainer Michael Timm aus dem Kampf, um ihn vor gesundheitlichen Schäden zu bewahren. Nach einigen Minuten der Ungewißheit wurde Arslan auf einer Bahre aus der Halle getragen und ins Krankenhaus eingeliefert.

Daß sich Firat Arslan ausgezeichnet vorbereitet hatte und körperlich auf der Höhe war, bestätigte sein früherer Trainer und Vertrauter Valentin Silaghi. Dann kursierten Mutmaßungen, es sei in der Stuttgarter Porsche Arena viel zu heiß gewesen sei, was Promoter Kohl jedoch ausschloß. Allerdings wurden noch eine Stunde nach Ende der Veranstaltung um zwei Uhr nachts 32,5 Grad Celsius auf dem Ringboden gemessen, wobei es während des Kampfs im Scheinwerferlicht wohl rund zehn Grad mehr gewesen waren. Ob die Klimaanlage defekt oder bei der Gluthitze draußen einfach überfordert war, blieb offen.

Das sei schon bitter, befand Trainer Michael Timm, denn er sei sich sicher gewesen, daß Firat den Kampf klar nach Punkten gewonnen hätte. Dieser sei jedoch beim Zurückkehren in die Ecke schon nicht mehr Herr seiner Sinne gewesen. In einer solchen Situation gehe die Gesundheit des Boxers vor: "Es gibt auch noch ein Leben nach dem Sport. Das darf man bei allem Ehrgeiz nie vergessen."

Universum-Arzt Dr. Michael Ehnert konnte Stunden später Entwarnung geben. Obgleich Firat vor dem Kampf in der Kabine zwei Liter Wasser getrunken habe, sei er durch die Anstrengung vollkommen dehydriert gewesen und habe durch den Flüssigkeits- und Mineralverlust einen Kreislaufzusammenbruch erlitten. Durch eine intravenöse Zuführung von vier Liter mineralischer Flüssigkeit sei es noch im Krankenwagen gelungen, den Kreislauf zu stabilisieren. Im Krankenhaus habe man zur Sicherheit eine Computertomografie des Gehirns durchgeführt, die keinerlei Auffälligkeiten gezeigt habe. Arslan blieb zur Überwachung die Nacht im Katharinenhospital, das er am nächsten Morgen wieder verlassen konnte.

Promoter Klaus-Peter Kohl lobte den unbändigen Willen Firat Arslans, der über seine Grenzen gegangen sei und dennoch weiterboxen wollte. Er könne sehr stolz auf sich sein und sei leider für seine tolle Arbeit nicht belohnt worden. Der Abbruch sei völlig richtig gewesen. Ob Arslan noch einmal in den Ring zurückkehrt, ist ungewiß. Kohl vermied es zwar ausdrücklich, seinem Boxer zum Rücktritt zu raten, zählte aber die Umstände auf, die ein Ende der Karriere nahelegen. Er nannte das fortgeschrittene Alter, die schwere Verletzung, die lange Pause von zwei Jahren und die Niederlagen in den letzten beiden Kämpfen.


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Rachim Tschachkijew und Jack Culcay siegen souverän

Den Abend eröffnet hatte Rachim Tschachkijew, der in einem Kampf des Cruisergewichts auf den Polen Lukasz Rusiewicz traf. Tschachkijew, der bei den Olympischen Spielen in Peking 2008 die Goldmedaille im Schwergewicht gewonnen hatte und als Favorit in seinen sechsten Profikampf ging, setzte seinen Gegner von Beginn an unter Druck. Rusiewicz sah sich in der Defensive und kam insbesondere mit der Linken des Russen nicht zurecht. Erst ab der dritten Runde faßte der Pole etwas besser Tritt und brachte seinerseits einige Treffer ins Ziel. Tschachkijew mußte daher erstmals über die Distanz boxen, gewann aber am Ende klar mit 60:54, 60:55 und 60:54 nach Punkten.

Erfolgreich war auch Jack Culcay im Halbmittelgewicht, der seinem Gegner Omar Siala sofort zeigte, wer Herr im Ring war. Der letztjährige Amateurweltmeister boxte sehr beweglich, tauchte vielfach unter den Schlägen weg und ging immer wieder in die Offensive. Im dritten Durchgang erhöhte Culcay den Druck, traf noch häufiger mit seiner Führhand und begeisterte mit seiner attraktiven Kampfesweise das Publikum. Sein Gegner aus Hameln mußte sich schließlich einstimmig nach Punkten geschlagen geben (60:54, 60:54, 60:54), so daß Culcay auch seinen vierten Auftritt im Profilager sicher über die Bühne brachte.

4. Juli 2010