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MELDUNG/613: David Hayes Abschied räumt nicht alle Zweifel aus (SB)



Nach wie vor will man taktisches Manöver nicht ausschließen

David Haye hat zu seinem 31. Geburtstag den Rücktritt vom aktiven Boxsport erklärt: "Um Mitternacht ist meine Boxkarriere zu Ende gegangen. Es war meine Absicht, mich an diesem Tag vom Boxsport zu verabschieden, seit ich als spargeldünner Zehnjähriger zum ersten Mal Boxhandschuhe übergezogen habe." Wie der frühere Weltmeister zweier Verbände im Cruisergewicht und ehemalige WBA-Champion im Schwergewicht weiter ausführte, habe er gemeinsam mit seinem Freund, Trainer und Manager Adam Booth einen Dreistufenplan vollendet: So viele Titel wie möglich zu gewinnen, so viel Geld wie möglich zu verdienen, um sich finanziell abzusichern, und nicht zuletzt den Boxsport auf dem Höhepunkt des Könnens in perfekter physischer und mentaler Gesundheit zu verlassen. Großbritannien bringe heutzutage nur wenige echte Champions hervor, so der gebürtige Londoner. Er sei froh, einer von ihnen gewesen zu sein.

Zwangsläufig ging Haye in seiner Rücktrittserklärung auch auf den in jüngerer Zeit vieldiskutierten Kampf gegen Vitali Klitschko ein, der zeitweise so gut wie sicher zu kommen schien. Wie der Brite einräumte, habe Vitali zwar zunächst Interesse gezeigt, 2012 mit ihm in den Ring zu steigen. Seither habe er vom Management der Klitschkos jedoch nur negative Signale erhalten. Daher seien seiner Meinung nach die Chancen gering, diesen Kampf tatsächlich über die Bühne zu bringen. Dabei hätte er seinen Rücktritt gern um sechs Monate verschoben, um gegen einen weiteren Champion anzutreten, gegen den ihm niemand eine Chance gebe. Leider kämpften die Klitschkos nur dann gegen starke Gegner, wenn man sie dazu zwinge. Aus diesem Grund trete Wladimir nun gegen Jean-Marc Mormeck an, während sich Vitali den Amerikaner Chris Arreola vorknöpfen wolle. Das seien zwei unattraktive Kämpfe, die das Schwergewicht wieder in eine Flaute beförderten, so der Brite.

Ungeachtet der Rücktrittserklärung, über deren Ernsthaftigkeit bereits im Vorfeld Spekulationen die Runde machten, es handle sich um ein taktisches Manöver David Hayes, stehen auch nach der vermeintlichen Zäsur Zweifel im Raum. Dies gilt um so mehr, als der Manager der Klitschkos, Bernd Bönte, noch vor wenigen Tagen das Interesse an einem Kampf des Briten gegen Vitali unterstrichen und seiner Realisierung gute Aussichten eingeräumt hat. Es ist daher nicht auszuschließen, daß Haye mangels eines Weltmeistertitels, den ihm bekanntlich Wladimir Klitschko abgenommen hat, ein Druckmittel ins Spiel zu bringen versucht.

Der sportlich attraktivste und finanziell lukrativste Herausforderer wäre er allemal, da es den Ukrainern nach deren letzten Erfolgen wiederum an vermarktungsfähigen Gegnern mangelt. Wladimir hat beträchtliche Mühe, den Franzosen Mormeck, gegen den er im Dezember in Düsseldorf antritt, zum gefährlichen Kontrahenten hochzustilisieren. Vitali will seine Karriere auf jeden Fall im kommenden Jahr fortsetzen, doch benötigt auch er dafür einen akzeptablen Kandidaten. Mit einer vergleichsweise geringen Börse läßt sich David Haye mit Sicherheit nicht aus der Reserve locken, hat er doch zuletzt eine offenbar astronomische Summe eingestrichen. So viel Geld würde er mit Sicherheit im Falle eines Duells mit Vitali Klitschko nicht noch einmal bekommen, doch dürfte zwischen dem Angebot der Ukrainer und den Vorstellungen des Briten ein so große Lücke klaffen, daß Bewegung nicht ausgeschlossen ist. Man darf gespannt sein, ob das Management der Klitschkos nachlegt und David Haye doch noch Gründe findet, seinen Abschied vom aktiven Boxsport eines weiteren Zahltags willen zu verschieben.

15. Oktober 2011