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MELDUNG/887: Hochverschuldet sucht Manuel Charr den grünen Zweig (SB)




Krasser Außenseiter allenfalls finanziell nicht chancenlos

Nach allgemeiner Einschätzung steht Manuel Charr beim Kampf gegen Vitali Klitschko auf verlorenem Posten. Der 41 Jahre alte Weltmeister des WBC im Schwergewicht verteidigt seinen Titel in Moskau gegen einen Herausforderer, der als einer der schwächsten eingestuft wird, mit denen der Ukrainer bislang im Ring stand. 1984 als Mahmoud Omeirat Charr in Beirut geboren, flüchtete der Gelsenkirchener zwei Jahre nach dem Tod des syrischen Vaters im Bürgerkrieg 1989 mit seiner Mutter und fünf seiner sieben Geschwister nach Deutschland. Charr wurde Weltmeister im Kickboxen und trat in der Folge als Boxer für Sauerland, Universum, Felix Sturm und EC-Boxing an. Inzwischen vermarktet er sich in Eigenregie und verschuldete sich mit Plazierungskämpfen, wofür er nun zumindest in finanzieller Hinsicht eine stattliche Kompensation einfahren kann. Dem Vernehmen nach erhält er eine Börse von 350.000 Euro, die es ihm erlauben dürfte, seine Schulden zu begleichen. Sollte er wider Erwarten gegen Vitali die Oberhand behalten, winkt ihm sogar eine Revanche oder ein Kampf gegen Wladimir Klitschko.

Dazu wird es nach der Prognose des Weltmeisters jedoch nicht kommen. "Kann Manuel Charr Opa Klitschko besiegen?", fragte Vitali Klitschko auf der Pressekonferenz rhetorisch und steuerte gleich selber die Antwort bei: "Ich glaube nicht." Wenngleich der Herausforderer seit seinem Debüt im Jahr 2005 in 21 Kämpfen ungeschlagen ist, findet man in der Liste seiner Gegner so gut wie keine prominenten Namen. Mit einer Größe von 1,92 m und seiner wuchtigen Statur ist er durchaus von beeindruckender Erscheinung, doch sind im Boxring zumindest auf höchstem Niveau andere Qualitäten gefragt.

Bezeichnenderweise beschäftigen sich die Medien weniger mit Manuel Charr, der zumeist mit wenigen Worten abgeschrieben wird, als vielmehr der Zukunft Vitali Klitschkos. Unablässig sieht sich der Champion der Frage ausgesetzt, ob er seine sportliche Laufbahn nach dem Auftritt im Sportkomplex Olimpiskyi definitiv beenden wird. Im Schwergewicht könne jeder Kampf der letzte sein. Er werde sich jedoch nicht mit Gedanken an neue Herausforderungen beschäftigen, bevor er Manuel Charr besiegt habe, zieht sich der Ukrainer auf Allgemeinplätze zurück. Vor einigen Wochen heizte sein Manager Bernd Bönte die Gerüchteküche mit der Feststellung an, ein politisches Amt sei nicht mit einer Karriere im Leistungssport vereinbar.

Vitali Klitschko tritt am 28. Oktober als Vorsitzender der Partei Udar zur Parlamentswahl in der Ukraine an. Die prowestliche Allianz wird derzeit in Meinungsumfragen auf zwölf bis 15 Prozent taxiert, so daß die Fünfprozenthürde kein Hindernis sein dürfte. Damit ist so gut wie sicher, daß Klitschko als Parteichef automatisch Parlamentarier wird. Ob mit diesem Status auch ein politisches Amt verbunden ist, bleibt vorerst jedoch ungewiß. Fragt man Fritz Sdunek, liegt die Antwort auf der Hand. Vitalis Reflexe seien hervorragend, er befinde sich in Hochform. Warum sollte er aufhören?, spricht aus Sicht des langjährigen Trainers nichts gegen weitere Kämpfe seines Schützlings.

Überdies kündigte der Weltmeister auf der Pressekonferenz in Moskau an, daß die Klitschko Management Group (KMG) bereits an einem Kampfabend in Kiew arbeite. Allerdings ließ er offen, ob dabei einer der beiden Klitschkos in den Ring steigen wird. Eine Abschiedsvorstellung in der ukrainischen Hauptstadt wäre zweifellos ein krönender Schlußpunkt, der überdies die Aussichten verbessern könnte, bei den Bürgermeisterwahlen im kommenden Jahr im dritten Anlauf das Rennen zu machen. Wunschgegner wäre in diesem Fall sicherlich David Haye, der im Juli 2011 gegen Wladimir verloren hatte.

Da das WBC die im März nach der Schlägerei zwischen David Haye und Dereck Chisora auf einer Pressekonferenz in München verhängte Sperre zumindest für Haye inzwischen aufgehoben hat, verdichtet sich die Option eines Duells mit dem älteren Klitschko. Wie es in einer Stellungnahme des Verbands heißt, sei WBC-Präsident José Sulaiman in London mit dem britischen Boxer zusammengetroffen. Das WBC habe 2007 als erster Weltverband David Haye als Champion anerkannt, nachdem er den Titel im Cruisergewicht gewonnen hatte. Der Brite habe danach im Schwergewicht gekämpft und strebe nun eine neue Titelchance gegen den jetzigen Weltmeister Vitali Klitschko an. Da Haye derzeit jedoch keine Lizenz hat und ein Auftritt mit luxemburgischer Lizenz wie zuletzt gegen Chisora bei einem Kampf um die Weltmeisterschaft nicht in Frage käme, müßte David Haye zuvor mit der britischen Boxkommission ins reine kommen.

7. September 2012