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MELDUNG/890: Manuel Charr legt Protest gegen den Abbruch ein (SB)




Begutachtung der Verletzung in der falschen Ecke?

Der Ausgang des Kampfs zwischen WBC-Weltmeister Vitali Klitschko und seinem Herausforderer Manuel Charr dürfte kaum revidiert werden. Erfahrungsgemäß hat der unterlegene Kölner so gut wie keine Aussichten, auf dem Wege nachträglichen Protests eine Korrektur herbeizuführen. Daß er dennoch nichts unversucht läßt, seine Auffassung geltend zu machen, der Abbruch habe ihn unzulässig benachteiligt, hält ihn zumindest noch für einige Zeit im Gespräch und verhilft ihm womöglich zu dem einen oder andern lukrativen Kampf.

Unmittelbar nach dem Abbruch wegen einer stark blutenden Verletzung am Auge des Herausforderers waren die Meinungen geteilt, ob diese Entscheidung angemessen oder voreilig gewesen sei. Der Ringarzt hatte mit der Begründung, die Blutung beeinträchtige die Sicht zu stark, und jeder weitere Treffer drohe das gesamte Augenlid zu schädigen, einen Abbruch empfohlen, auf den der Ringrichter daraufhin entschied. Charr wollte sich damit jedoch nicht abfinden und erklärte unter Protest, er hätte den Kampf fortsetzen können. Möglicherweise hätte man seiner Ecke die Chance geben sollen, die Blutung zu stoppen.

Exweltmeister Lennox Lewis, der den Kampf aufmerksam verfolgt hatte, fühlte sich an seine eigene Titelverteidigung gegen Vitali Klitschko erinnert. Die damalige Reaktion des Ukrainers sei dieselbe wie die aktuelle Manuel Charrs gewesen. Allerdings habe der Ringrichter den Kampf seinerzeit trotz der Rißwunden im Gesicht des Herausforderers noch etwas länger laufen lassen, ehe er ihn abbrach. Im Falle Charrs habe er erwartet, daß er Arzt zumindest warten werde, bis die Runde vorüber gewesen wäre, so der 47jährige.

Was die Zukunftspläne Klitschkos betrifft, geht Lennox Lewis davon aus, daß der Ukrainer seine Boxhandschuhe noch nicht an den Nagel hängen wird. Vitali sei vermutlich zufrieden mit dem Ergebnis des Kampfs gegen Charr, nicht aber der Art Weise seines Sieges. Der Brite würde es jedenfalls begrüßen, ein Duell zwischen dem WBC-Champion und seinem Landsmann David Haye zu erleben. Die Ranglisten einmal beiseite gelassen habe sich David mit seinem überzeugenden Sieg gegen Dereck Chisora die Herausforderung des Weltmeisters verdient, meint Lewis.

Unterdessen hat Manuel Charrs Promotionfirma offiziell Protest beim WBC gegen den Abbruch eingelegt. Wie es in der Begründung des Einspruchs heißt, sei Charr vom Ringrichter zur Begutachtung der Verletzung in die falsche Ecke geschickt worden. Pit Gleim, Geschäftsführer der Diamondboy Promotion, führt dazu an, man habe beim offiziellen Treffen zur Verständigung über die Regeln am Vortag des Kampfs im Beisein beider Teams festgelegt, daß der Ringrichter im Falle einer Verletzung den betreffenden Boxer in die nächstgelegene Ecke zu einem der beiden Ringärzte zu führen hat. Da Manuel Charr zu diesem Zeitpunkt eindeutig näher an seiner Ecke gewesen sei, hätte der eigene Ringarzt die Verletzung untersuchen müssen. Folglich habe es sich um einen eindeutigen und unstrittigen Regelverstoß gehandelt.

BDB-Präsident Thomas Pütz hatte auf der Pressekonferenz nach dem Kampf noch keinen Regelverstoß ausmachen können. Nun hat er jedoch den Supervisor und den Präsidenten des WBC darauf hingewiesen, daß es zwei Ringärzte gibt und bei einer Verletzung der Arzt der jeweiligen Ringecke zuständig ist. In diesem konkreten Fall hätte der Arzt aus Charrs Ecke dessen Verletzung einschätzen müssen, so Pütz. Die Verantwortlichen des WBC hätten darauf jedoch nicht reagiert. Charrs Promotionfirma führt diese Aussage des BDB-Präsidenten zur Bekräftigung ihres Protests ins Feld. Nun ist das World Boxing Council an der Reihe, sich zu dem eingelegten Protest zu äußern.

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Tomasz Adamek plant bereits seinen nächsten Auftritt

Tomasz Adamek, der sich am vergangenen Wochenende in Newark ein turbulentes Gefecht mit Travis Walker geliefert hatte, plant bereits seinen nächsten Auftritt. Nach dem hart erkämpften Abbruchsieg über den US-Amerikaner will er am 22. Dezember die nächste Etappe auf dem Weg zu einem erneuten Titelkampf im Schwergewicht in Angriff nehmen. Augenblicklich schießen die Spekulationen ins Kraut, mit wem sich der Pole kurz vor Weihnachten messen wird. Unter den in Frage kommenden Kandidaten taucht auch Odlanier Solis auf, der in der Rangliste der IBF einen Platz hinter Adamek an fünfter Stelle notiert wird.

Während der in New Jersey lebende Pole 47 Kämpfe gewonnen und zwei verloren hat, stehen für den Kubaner 18 Siege und eine Niederlage zu Buche. Was die beiden gemeinsam haben, ist ihr Scheitern an Vitali Klitschko, das sie dazu zwingt, einen zweiten Anlauf zu unternehmen. Solis sollte eigentlich im Vorprogramm des Kampfs zwischen Tomasz Adamek und Travis Walker gegen den US-amerikanischen Aufbaugegner Willie Herring antreten. Dieses Duell wurde jedoch abgesagt und durch einen Kampf gegen Leif Larsen am 12. September in Madrid ersetzt. Der Norweger hat früher in der NFL gespielt, lebt heute in Spanien und ist in 16 Profikämpfen ungeschlagen.

Ein anderer möglicher Gegner für Tomasz Adamek wäre Steve Cunningham, der früher IBF-Weltmeister im Cruisergewicht war und soeben sein Debüt im Schwergewicht gegeben hat. Dabei besiegte er seinen US-amerikanischen Landsmann Jason Gavern einstimmig nach Punkten. Adamek und Cunningham waren im Dezember 2008 schon einmal aufeinandergetroffen, als sie noch im Cruisergewicht antraten. Damals lieferten die beiden einander einen turbulenten Kampf, in dem Cunningham dreimal zu Boden gehen mußte und Adamek am Ende knapp nach Punkten gewann. Sollte der Pole seinen Dezemberkampf erfolgreich über die Bühne bringen, könnte es im Frühjahr 2013 zu einem Duell mit Steve Cunningham kommen, zumal beide bei Main Events unter Vertrag stehen.

12. September 2012