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MELDUNG/955: Zwölf Runden sind für David Price ein unbekanntes Land (SB)




Auch sein Landsmann Matt Skelton soll früh die Segel streichen

Vor dem Kampf seines Schützlings David Price gegen den britischen Landsmann Matt Skelton redet Trainer Franny Smith den Gegner gerade so stark, daß die Früchte des erwarteten Sieges um so süßer anmuten. Er erwarte einen attraktiveren Kampfverlauf als zuletzt gegen Audley Harrison, da Skelton aus anderem Holz geschnitzt sei. Der sei tapfer, suche keinen Hinterausgang und komme um zu kämpfen. Der Herausforderer bediene sich im Zweifelsfall unsauberer Tricks und werde versuchen, einen Gang über die Distanz zu erzwingen.

Was lange Kämpfe betrifft, hat David Price keine allzu profunde Erfahrung. Daß der 2,03 m große Schwergewichtler am liebsten kurzen Prozeß mit seinen Gegnern macht, mußte jüngst auch Audley Harrison erfahren. Mitte Oktober erlitt der inzwischen 40 Jahre alte frühere Olympiasieger beim Versuch, sich zum Ende seiner Karriere doch noch zu rehabilitieren, grandios Schiffbruch. Der 29jährige Britische und Commonwealthchampion David Price brauchte in seiner Heimatstadt Liverpool gerade eine Minute, um Maß zu nehmen. Dann schlug seine erste Rechte ein, worauf er den in den Seilen hängenden Gegner mit einer präzisen Kombination auf die Bretter schickte. So fand der Kampf bereits nach 90 Sekunden ein jähes Ende, da Harrison ärztlich behandelt werden mußte und erst Minuten später wieder auf die Beine kam.

Price blieb damit in vierzehn Kämpfen ungeschlagen, von denen er zwölf vorzeitig beendet hat, und demonstrierte wiederum seine enorme Schlagwirkung. In diesem Jahr hat der Hüne bei drei Auftritten zusammengenommen nur sechs Runden im Ring gestanden, weshalb sein Trainer im Falle Skeltons ebenfalls von einem relativ frühen Ende ausgeht. Angst vor einer längeren Kampfdauer habe sein Schützling, der noch nie mehr als sieben Runden geboxt und seine letzten acht Gegner vorzeitig besiegt hat, jedoch nicht im geringsten. Je länger der Kampf dauere, um so wuchtiger schlage er zu. Da er sich mehr und mehr entspanne, fließe alles desto besser. Er rechne nicht damit, daß Skelton sechs Runden übersteht, doch sollte er es wider Erwarten in die zweite Hälfte des Kampfes schaffen, werde er fürchterliche Prügel beziehen, droht Franny Smith dem Gegner eine Abreibung an.

Was nach dem erhofften Sieg über Skelton kommt, läßt der Trainer offen. Er nimmt den Mund nicht zu voll und läßt insbesondere Wladimir Klitschko aus dem Spiel, dem Price vorerst keinesfalls gewachsen wäre. Der Ukrainer hat zuletzt den ebenfalls deutlich über zwei Meter großen Mariusz Wach so klar dominiert, daß der weit unerfahrenere Brite wohl noch schlechter abschneiden würde als der Pole, der sich stoisch über die volle Rundenzahl retten konnte.

Gute Aussichten hätte Price nach Ansicht Smiths jedoch gegen den regulären WBA-Weltmeister Alexander Powetkin, wenn ihm dieser Kampf denn angeboten würde. Weit von der Weltklasse sei David nicht mehr entfernt, was John McDermott bestätigen könne, der beiden im Sparring gegenübergestanden habe. Wie dieser versichere, sei Price schon jetzt zu stark für den Russen. Das wiederum ist eine Behauptung, die man nicht teilen muß. Powetkin wird gerne von all jenen Kandidaten schlechtgeredet, für die Klitschko definitiv eine Nummer zu groß ist. Sollte mit Trainer Kostia Chou endlich Ruhe im Umfeld des Champions einkehren, dürften die angeblich unerklärlichen Schwächen des Russen ein Ende finden, dessen solides Handwerk noch manchen Widersacher das Fürchten lehren sollte.

Franny Smith will offensichtlich den Eindruck vermeiden, er halte Wladimir Klitschko für unerreichbar. Der Ukrainer sei der wahre Schwergewichtsweltmeister, den es zu schlagen gelte, bringt er den Champion doch noch einmal ins Gespräch. Klitschko habe insbesondere vorgemacht, wie man als hochgewachsener Schwergewichtler sehr erfolgreich boxen könne. David habe jetzt schon Vorteile, was seine Größe und Reichweite angeht, und vor allem einen härteren Jab. Wladimir verfüge über mehr Erfahrung und Wissen. Sollte der Ukrainer in eineinhalb Jahren noch im Ring stehen, werde man bereit für ihn sein.

Nach so viel Zukunftsmusik für die Ohren der Fans und der Konkurrenz richtet David Price selbst sein Augenmerk lieber auf erreichbare Ziele. Der 29jährige Liverpooler wünscht sich ein Duell mit seinem Landsmann Dereck Chisora, der 15 Auftritte gewonnen und vier verloren hat. Sobald er Skelton aus dem Weg geräumt habe, bleibe auf heimischem Level nur noch Chisora übrig, meint Price. Zwar sei da noch David Haye, doch wolle dieser offenbar nur noch für einen Titelkampf in den Ring zurückkehren. Damit es mit Chisora klappen könnte, müßte dieser zuerst seine nationale Lizenz zurückbekommen, die ihm nach der Schlägerei mit Haye im Februar entzogen worden war. Da er den britischen Titel behalten wolle, erforderte eine reguläre Verteidigung dieses Gürtels, daß Dereck Chisora vom britischen Verband grünes Licht bekommt, so Price.

29. November 2012