Schattenblick →INFOPOOL →SPORT → BOXEN

MELDUNG/1150: Man wird doch wohl noch träumen dürfen! (SB)




Tony Thompson will gegen die Klitschkos antreten

Als der US-amerikanische Schwergewichtler Tony Thompson Anfang Juli 2012 in Bern die zweite Niederlage gegen Wladimir Klitschko bezog, schien das Ende seiner Karriere besiegelt zu sein. Mit seinen 40 Jahren und einem enttäuschenden Auftritt wirkte er wie ein Boxer, der hochklassigen Gegnern nicht mehr gewachsen ist und um seiner Gesundheit willen besser zurücktreten sollte. Nach einer ausgiebigen Pause trat er am 23. Februar in Liverpool gegen den aufstrebenden Briten David Price an, der in 15 Kämpfen ungeschlagen war. Promoter Frank Maloney wollte seinem Schützling offensichtlich einen namhaften, aber in die Jahre gekommenen Kontrahenten als Kanonenfutter vorsetzen, um Price in den Ranglisten aufsteigen zu lassen und ihn womöglich auch in den USA zu präsentieren.

Wie Tony Thompson vor diesem Kampf erklärte, werde er im Falle einer Niederlage seine Laufbahn beenden. Er sei einst in Clubs aufgetreten und habe nicht die geringste Absicht, seine Karriere dort zu beenden. Zur Vorbereitung hatte er sein Team neu aufgestellt und Carlos Diez sowie Charlie Mooney als Trainer verpflichtet. Er habe sich mit Leuten umgeben, die an ihn glaubten und ihm gehörig Beine machten. Dessen ungeachtet galt der 29 Jahre alte und 2,03 m große David Price als klarer Favorit, war er doch körperlich weit überlegen und hatte im Zuge seiner Siegesserie fast alle Gegner vorzeitig besiegt.

Es sollte jedoch anders kommen. Thompson machte seine 41 Lebensjahre und die physische Unterlegenheit durch Erfahrung und kluges Konterboxen mehr als wett. Als der Brite im zweiten Durchgang über ihn herfiel, wich er an den Seilen stehend seitlich aus und fällte den Gegner mit einem rechten Haken aufs Ohr. Price kam wieder auf die Beine, doch schwankte er derart, daß ihn der Ringrichter aus dem Kampf nahm. Wenngleich das Manöver des US-Amerikaners beeindruckend war, attestierte man ihm doch einen Glückstreffer, der seine Haut gerettet und dem Höhenflug des Briten einen gehörigen Dämpfer verpaßt hatte.

Davon dürfte auch David Price ausgegangen sein, der keinen zwischenzeitlichen Aufbaukampf bestritt, sondern auf eine umgehende Revanche bestand, um die Scharte auszuwetzen. Wenngleich die Option eines Rückkampfs vertraglich vereinbart war, stieg der Marktwert Thompsons schlagartig, so daß es nicht billig gewesen sein dürfte, ihn am 6. Juli ein zweites Mal in die Liverpooler Echo Arena zu holen. Beide Boxer gingen dabei ein beträchtliches Risiko ein, da Price im Falle einer erneuten Niederlage in seinen Karriereplänen weit zurückgeworfen würde und Thompson seinen zweiten Frühling postwendend aufs Spiel setzte.

Die Konstellation erwies sich als verhängnisvoll für den Briten, da sich Tony Thompson ein zweites Mal gegen ihn durchsetzen konnte und damit alle Skeptiker eines Besseren belehrte, die seinen Sieg im ersten Kampf auf einen Glücksfall zurückgeführt hatten. Der Brite mußte ausgerechnet an seinem 30. Geburtstag und vor heimischem Publikum die zweite Niederlage seiner Profilaufbahn hinnehmen, da sich Thompson von einem Niederschlag in der zweiten Runde erholte, zunehmend frischer wirkte als der Lokalmatador und ihn in der fünften Runde solange mit Schlägen eindeckte, bis der Ringrichter den verteidigungsunfähigen Riesen aus dem Kampf nahm.

Wie Thompson nach seinem überzeugend herausgeboxten Sieg anmerkte, habe ihm Price wirklich Angst gemacht, doch sei der Brite offenbar mental nicht ganz auf der Höhe gewesen. Bei ihm selbst verhalte es sich umgekehrt, da sein Körper alt, doch der Geist wach sei. Der US-Amerikaner, für den 38 Siege und drei Niederlagen zu Buche stehen, hat sich nun noch einmal zu seinem letzten Gegner geäußert. Er teile die Auffassung nicht, daß der Brite seine Karriere mit diesen beiden Niederlagen ruiniert habe. Price sei erst 30 Jahre alt und müsse im Ring reifen. Er solle den Kopf nicht hängen lassen, da er nicht gegen eine Flasche, sondern einen Boxer verloren habe, der sich in jüngerer Zeit nur Wladimir Klitschko geschlagen geben mußte.

Natürlich ist Thompsons Trostspruch zugleich eine Werbung in eigener Sache, zumal der US-Amerikaner den Schub seiner beiden Siege in Liverpool nutzen und bereits in zwei oder drei Monaten in den Ring zurückkehren möchte. Sein Wunschgegner Tyson Fury ist inzwischen nicht mehr verfügbar, da er am 28. September in Birmingham gegen seinen Landsmann David Haye antritt. Er sei regelrecht sauer auf Haye, der ihm die Gelegenheit vermasselt habe, Fury als Rummelboxer zu entlarven. David werde diesen Gegner zerstören, der nur ein 2,06 m großer Sandsack mit Armen sei. Das sind harsche Worte des Amerikaners, den Fury freilich als "Boxopa" verhöhnt hatte, der einem leid tun könne.

Thompson würde sich am liebsten mit einem Gegner messen, der an der Spitze einer der vier maßgeblichen Ranglisten steht. Auf diese Weise könnte man einen Ausscheidungskampf bestreiten, dessen Sieger zum Pflichtherausforderer des Weltmeisters erklärt wird. Sollte das nicht möglich sein, wünsche er sich Vitali Klitschko vor dessen Rücktritt. Der WBC-Champion habe zuletzt immer gegen Leute gekämpft, die von vornherein keine Chance hatten, so der US-Amerikaner. Sein ultimatives Ziel sei ein dritter Kampf gegen Wladimir Klitschko, der ihn zweimal dominiert habe. Da er ihn deswegen nicht einfach herausfordern könne, müsse er zuvor etwas ganz Spezielles vollbringen, und seinen älteren Bruder zu schlagen, wäre zweifellos etwas Außergewöhnliches, hält sich Thompson nicht mit Wünschen auf, deren Erfüllung in seiner Reichweite liegt. [1]

Fußnote:

[1] http://www.boxen.de/news/thompson-will-eliminator-oder-kampf-gegen-vitali-klitschko-27732

19. Juli 2013