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MELDUNG/1205: Sparringsregime - Klitschko überläßt nichts dem Zufall (SB)




Dominanz ist das Leitmotiv nicht nur im Ring

Alexander Powetkin war ein erfolgreicher Amateurboxer und gewann bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen die Goldmedaille im Superschwergewicht. Er ist in 26 Profikämpfen ungeschlagen und regulärer Weltmeister der WBA. Wladimir Klitschko, der seine Titel am 5. Oktober in der Moskauer Olympiahalle gegen den Russen verteidigt, bezeichnet den Herausforderer als seinen bislang gefährlichsten Gegner. Powetkin habe noch keinen Kampf verloren und sei nie am Boden gewesen, zeigte sich der 37 Jahre alte Ukrainer bei einer Pressekonferenz in seinem Trainingslager im österreichischen Going gewarnt. Im Falle einer Niederlage würde Klitschko alle Gürtel verlieren, und da es sich um eine Pflichtverteidigung handelt, gibt es keine Rückkampfklausel im Vertrag.

Die rund 25.000 zur Verfügung stehenden Eintrittskarten sind so gut wie ausverkauft, und unter den Zuschauern, die ihren Landsmann euphorisch anfeuern werden, findet sich wohl auch Präsident Wladimir Putin ein, der als glühender Fan Powetkins gilt und den Kampf zur Chefsache erklärt hat. Der Ukrainer erhält mit 13,16 Millionen Euro die größte Börse seiner Karriere, wobei auch sein Gegner mit 4,38 Millionen einen beachtlichen Schnitt macht. Das Duell wird live im deutschen Privatsender RTL übertragen, eine Vereinbarung mit dem russischen Rechteinhaber Oblstroy sei perfekt, teilte RTL mit.

Für ihn sei das ein bemerkenswertes Ereignis, da sich in Moskau zwei Olympiasieger gegenüberstehen werden, so RTL-Programmgeschäftsführer Frank Hoffmann. Die Zuschauer könnten sich auf einen außergewöhnlichen Kampf freuen, den das RTL-Team als herausragendes Sportereignis präsentiere. Mit dem 25. Klitschko-Kampf in Folge lasse man die Fernsehzuschauer an einem ganz besonderen Sportevent teihaben, stieß RTL-Sportchef Manfred Loppe ins gleiche Horn. Aufgrund der Zeitverschiebung beginnt die Übertragung bereits um 20:15 Uhr, mit dem Kampf ist gegen 21:30 Uhr zu rechnen.[1]

Der Heimvorteil seines Gegners stört Wladimir Klitschko, der erstmals seit 2008 wieder auswärts boxt, eigenen Angaben zufolge nicht. Seien die Fans gegen ihn eingestellt, motiviere ihn das, sie durch seine Leistung umzustimmen. Powetkin profitiere nicht zwangsläufig von dieser Konstellation, die ihn unter Druck setze. Klitschko, der seit 2004 ungeschlagen ist, will vor dem Heimpublikum des Kontrahenten jedoch kein Risiko eingehen und möglichst vorzeitig gewinnen. Er sei nach wie vor die Nummer eins im Schwergewicht und werde komplette Dominanz zeigen, so der Ukrainer. Eindeutige Verhältnisse, bei denen man nicht auf die Wertung der Punktrichter angewiesen ist, wären auch Klitschkos Manager Bernd Bönte am liebsten. Sorgen mache man sich immer, weshalb er sich auf alle Unwägbarkeiten einzustellen versuche.[2]

Zur optimalen Vorbereitung hat Klitschko sieben Sparringspartner aus den USA, England und der Ukraine um sich versammelt. Jeder von ihnen hat die Aufgabe, bestimmte Aspekte der Kampfesweise Powetkins nachzuahmen. Mit von der Partie ist auch Steve Cunningham, der früher IBF-Weltmeister im Cruisergewicht war. Es sei ein Ritterschlag, mit Wladimir im Ring zu stehen, der sich nur solche Sparringspartner hole, die ihn in seiner Entwicklung weiterbringen. Er habe noch nie einen Boxer erlebt, der so akribisch wie Wladimir arbeitet, so der 37 Jahre US-Amerikaner. Natürlich bekomme er jede Menge harte Schläge ab, doch lerne er andererseits bei keinem Boxer mehr, als durch das Sparring mit ihm. Was die allgemeinen Regeln im Trainingslager betrifft, widerspricht Cunningham den strengen Vorgaben nicht: Man wäre doch blöd, sich nicht Wladimirs Gepflogenheiten unterzuordnen, der nun einmal der Chef sei.

Die vom Weltmeister festgelegten elf "Regeln und Richtlinien" sind an einer Pinnwand in der in ein Boxgym umgestalteten Tennishalle nachzulesen. An vier Wochentagen steht morgens um 7 Uhr eine Stunde Frühsport auf dem Programm, wobei schon eine Minute Verspätung mit 150 Dollar Lohnabzug geahndet wird. Dasselbe gilt für die Sparringseinheiten am Nachmittag, die immer um 16 Uhr beginnen. Zu den drei Mahlzeiten darf niemand in Trainingskleidung oder mit Basecap erscheinen. Vor allem aber unterliegen die Trainingsinhalte strikter Geheimhaltung: Sollte jemand das Schweigen brechen, muß er umgehend seine Koffer packen.[3]

Dieses Regime unterscheidet sich nicht grundsätzlich von den Gepflogenheiten im Trainingslager anderer Boxer, doch stehen die Klitschkos als erfolgreiche Selbstvermarkter im Ruf, besonders streng und nicht selten restriktiv sämtliche Details zu bestimmen. Nach gescheiterten Verhandlungen beklagt die Gegenpartei mitunter, daß Großzügigkeit im finanziellen Gebaren und Umgang miteinander offenbar ein Fremdwort für das ukrainische Brüderpaar und ihr Management sei. Wenngleich es sich bei diesen Vorwürfen zumeist nur um Andeutungen handelt, die gewissermaßen durch die Spalten der branchenüblichen Verschwiegenheit nach außen dringen und kaum verifizierbar sind, passen sie doch zumindest ins Bild.

Als sich die Klitschkos vor Jahren im Streit von ihrem Promoter Klaus-Peter Kohl trennten und fortan in Eigenregie vermarkteten, gingen sie ein beträchtliches Risiko ein, vom Rest des Boxgeschäfts ausgegrenzt zu werden. Ihre ungebrochene Dominanz hat ihnen jedoch längst eine Ausnahmestellung beschert, die es ihnen gestattet, die Bedingungen in hohem Maße zu diktieren. Wer immer davon träumt, Weltmeister im Schwergewicht zu werden oder einen solchen als Promoter hervorzubringen, kommt letzten Endes nicht an den Klitschkos vorbei. Wer es sich mit ihnen verdirbt, kann seine diesbezüglichen Hoffnungen zu Grabe tragen.

Fußnoten:

[1] http://www.boxen.de/news/rtl-uebertraegt-wm-fight-klitschko-vs-povetkin-29055

[2] http://www.boxen.de/news/wladimir-klitschko-ich-will-komplette-dominanz-zeigen-29060

[3] http://www.welt.de/sport/boxen/article120161860/Klitschko-liefert-sich-triumphale-Massenschlaegerei.html

20. September 2013