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MELDUNG/1238: Rat der Legende an den jungen Herausforderer (SB)




Bernard Hopkins will Karo Murat keine Chance lassen

In der Nacht vom 26. auf den 27. Oktober fordert der in Berlin lebende Halbschwergewichtler Karo Murat die Legende Bernard Hopkins heraus. Mit seinen 48 Jahren ist der US-Amerikaner ältester Weltmeister in der Geschichte des Profiboxens und zählt dank seiner außergewöhnlichen Leistungen in Vergangenheit und Gegenwart zu den herausragenden Vertretern der Branche. Murat tritt in der Boardwalk Hall von Atlantic City als krasser Außenseiter an, weshalb es einer Sensation gleichkäme, kehrte er mit dem Gürtel der IBF nach Hause zurück. Dessen ungeachtet versicherte der 30jährige auf der letzten Pressekonferenz in New York, er sei in der Form seines Lebens und werde kämpfen wie ein Wolf. Promoter Wilfried Sauerland bemühte einen Vergleich mit Axel Schulz, der 1995 mit George Foreman in den Ring gestiegen war. In den USA habe ihn keiner gekannt, doch mit seinem beherzten Auftritt in Las Vegas sei es ihm gelungen, sich in die Herzen der Fans zu kämpfen. Er rechne damit, daß Karo Murat dasselbe gelingen werde, so Sauerland.[1]

Bernard Hopkins zollte dem Herausforderer Respekt für den Mut, in den USA gegen ihn anzutreten. Gewinnen werde Murat natürlich nicht, da er selbst noch längst nicht am Ende seiner Karriere angekommen sei. Leichtfertig urteilt der Weltmeister aus Philadelphia nicht, denn wie er bei einer anderen Gelegenheit sagte, sei Karo in den Staaten völlig unbekannt und habe bisher nicht im Rampenlicht gestanden. Daher habe der Deutsche in diesem Titelkampf nicht viel zu verlieren. Solche Gegner seien häufig die schwersten, so der Champion.[2] Murat ist bereits seit zwei Jahren Pflichtherausforderer beim Verband IBF. Im März ließ er Hopkins den Vorrang, gegen den damaligen Weltmeister Tavoris Cloud anzutreten, und erhielt für seinen Verzicht ein ansehnliches Handgeld. Das hat sich auch in sportlicher Hinsicht ausgezahlt, da er es nach dem geschichtsträchtigen Sieg des US-Amerikaners nun mit dem weitaus attraktiveren Gegner zu tun bekommt.

Dieser steht seit 25 Jahren als Profi im Ring und dürfte nicht fehl in der Annahme gehen, daß es wohl niemanden mehr geben wird, der seine Rekorde brechen kann. Hopkins, der sich einst "Executioner" nannte und mit einer Henkersmaske einzumarschieren pflegte, hat sich jüngst ein neues Image zugelegt. Er sei zwar auf der Erde geboren, könne jedoch unmöglich von dort stammen. Führe man sich vor Augen, wie fit er in seinem Alter noch sei und welche Leistung er nach wie vor im Ring abrufe, könne man nur zu dem Schluß kommen, daß er ein Alien sei. Um das optisch zu unterstreichen, zeigte er sich in der Maske eines Außerirdischen. Das mag aus hiesiger Sicht recht albern anmuten, bedient aber erfolgreich das in den USA insbesondere aus dem professionellen Wrestling bekannte Rollenspiel.

Daß er ungeachtet seines beträchtlichen Showtalents ein ernstzunehmender Mensch und disziplinierter Sportler ist, der auf eine bewegte Lebensgeschichte zurückblicken kann, unterstrich Hopkins in einem aktuellen Interview mit welt.de [3]. Er wurde als zweites von acht Kindern geboren und wuchs in einer Gegend auf, wo sich kein Weißer allein hingetraut hätte. Als Jugendlicher wurde er dreimal bei Messerangriffen schwer verletzt und saß wegen verschiedener Delikte des öfteren im Gefängnis. Als 17jähriger wurde er zu 18 Jahren Haft verurteilt, die er teilweise in Graterford, dem größten Hochsicherheitsgefängnis Pennsylvanias, in Einzelhaft verbrachte. Dort studierte er den Koran, konvertierte zum Islam und lernte den Boxer Smokey Wilson kennen, unter dem er trainierte. Seit seiner Haftentlassung kam er nie wieder mit dem Gesetz in Konflikt und kassierte eigenen Angaben zufolge in seiner neunjährigen Bewährungszeit nicht einmal einen Strafzettel wegen Falschparkens.

Am 29. April 1995 gewann er den vakanten IBF-Titel im Mittelgewicht und sicherte sich in der Folge auch die drei anderen maßgeblichen Gürtel in diesem Limit. Zehn Jahre, zwei Monate und 17 Tage war er Weltmeister, solange wie kein anderer Boxer dieser Gewichtsklasse. Im Alter von 42 Jahren gedachte er seine Karriere zu beenden, doch als er bei seinem ersten Auftritt im Halbschwergewicht am 10. Juni 2006 seinen Landsmann Antonio Tarver sensationell besiegte, bestärkte ihn dieser Erfolg darin, das Abenteuer fortzusetzen. Wie er stets sein eigener Manager gewesen war und sich seine Entscheidungen von keinem andern diktieren ließ, schlug er nun ein zweites Kapitel seines Boxerlebens auf.

Hopkins führt seine bemerkenswerte körperliche Verfassung auf eine disziplinierte und asketische Lebensweise zurück. Er ernähre sich vegetarisch, rauche nicht und trinke bis auf ein gelegentliches Glas Wein keinen Alkohol. Auch feiere er keine Partys, schlafe jeden Tag neun Stunden und achte penibel darauf, nach einem Kampf nicht zuzunehmen. Er trainiere täglich mindestens zweimal sehr intensiv und sparre mit mehreren Partnern, die wesentlich jünger als er seien. Entscheidend sei aber auch, daß er wegen seines defensiven Boxstils in 63 absolvierten Kämpfen kaum Substanz gelassen habe und nie schwer getroffen worden sei. Menschen seines Typs seien sehr rar auf dieser Welt, so Bernard Hopkins.

Er unterschätze keinen Gegner und habe bis in die letzte Hautpore verinnerlicht, daß ihn der andere vernichten will. Deswegen bereite er sich auf jeden Kampf so vor, als gehe es um sein Leben. Junge Boxer, die sich einen großen Namen machen wollen, müßten Demut besitzen, jedes Opfer auf sich nehmen und verzichten können. Sollte Karo Murat diese Auffassung teilen, könne er es zu einer bedeutenden Karriere bringen. Vorerst fehle es dem Herausforderer jedoch an Erfahrung, da er noch nie um die Weltmeisterschaft gekämpft habe und zum ersten Mal in Amerika antrete. Deshalb werde er die Heimreise definitiv nicht als neuer IBF-Champion im Halbschwergewicht antreten, versichert Hopkins, daß er dem Herausforderer keine Chance lassen werde.


Fußnoten:

[1] http://www.boxen.com/news-archiv/newsdetails/article/murat-will-nicht-enttaeuschen/23.html

[2] http://www.fr-online.de/sport/boxen-mission-impossible,1472784,24743274.html

[3] http://www.welt.de/sport/boxen/article121170289/Ich-bin-der-Gottvater-des-Boxens.html

25. Oktober 2013