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MELDUNG/1381: In Eigenregie - Manuel Charr besiegt Kevin Johnson (SB)




Veranstalter und Hauptkämpfer in Personalunion

Vor 3.500 Zuschauern im Bonner Telekom Dome hat der Kölner Schwergewichtler Manuel Charr den US-Amerikaner Kevin Johnson deutlich nach Punkten besiegt (97:93, 97:93, 98:92). Während Charr damit seine Bilanz auf 26 Siege und eine Niederlage verbesserte, stehen für seinen Gegner nun 29 gewonnene und sechs verlorene Auftritte sowie ein Unentschieden zu Buche. Wenngleich es dem "Diamond Boy" versagt blieb, seine Ankündigung in die Tat umzusetzen und Johnson die erste vorzeitige Niederlage zu verpassen, bringt ihn dieser Erfolg gegen einen namhaften Gegner doch seinem Fernziel einen Schritt näher, ein zweites Mal in seiner Karriere einen Weltmeister herauszufordern. [1]

Gegen Vitali Klitschko hatte er im September 2012 in der Moskauer Olympiahalle keine realistische Chance, was ihn nicht daran hinderte, immer wieder gegen den Ukrainer anzurennen. Dabei mußte er diverse Treffer einstecken, bis er in der vierten Runde von einem linken Haken getroffen wurde, worauf sich eine Rißwunde im rechten Augenwinkel öffnete, die stark zu bluten begann. Zwar warf sich Charr mit dem Mut der Verzweiflung noch einmal ins Gefecht und konnte dabei sogar zwei Treffer landen, doch griff Ringrichter Guido Cavalleri schließlich ein und zog den Arzt zu Rate. Der untersuchte die Verletzung gründlich und empfahl dem Referee dann, den Kampf abzubrechen. Der Herausforderer wollte die Entscheidung zugunsten seines Schutzes zunächst nicht wahrhaben und protestierte lautstark. Es dauerte mehrere Minuten, bis sich der Kölner wieder beruhigt hatte.

Charr versteifte sich so sehr auf einen angeblichen Regelverstoß, daß Thomas Pütz, Präsident des Bundes Deutscher Berufsboxer, und Ringarzt Stefan Holthusen bei der Pressekonferenz Rede und Antwort stehen mußten. Nur der Ringrichter könne den Kampf abbrechen, betonte Pütz. Der Arzt könne lediglich eine Empfehlung geben. Ringarzt Dr. Stefan Holthusen begründete seine Entscheidung damit, daß sich die Rißwunde sehr schnell vergrößert habe und seines Erachtens keine freie Sicht mehr möglich war. Weitere Treffer hätten den Cut noch weiter vergrößert und das Augenlid gefährdet. Daher habe dringender Anlaß bestanden, den Kampf nicht weiterlaufen zu lassen.

Auch Kevin Johnson hatte bereits mit Vitali Klitschko im Ring gestanden, dem er 2009 einen Gang über die volle Distanz abnötigte. Der US-Amerikaner stellte dabei seine Qualitäten als Defensivkünstler unter Beweis, machte aber während der gesamten zwölf Runden so gut wie keine Anstalten, den Titelverteidiger ernsthaft anzugreifen. Daraus resultierte ein unansehnlicher Kampf, in dem der Ukrainer vergeblich versuchte, den fortgesetzt abduckenden und pendelnden Gegner entscheidend zu treffen.

Der 34 Jahre alte Johnson machte es auch Charr nicht leicht und landete einige klare Treffer, die deutliche Spuren im Gesicht des Kölners hinterließen. Mit seinen massiven 111 kg steckte der Amerikaner auch die härtesten Treffer problemlos weg und provozierte seinen Gegner ein ums andere Mal mit lässigen Gesten. So forderte er den Kölner heraus, der nun noch giftiger angriff und in den letzten Runden unbedingt eine vorzeitige Entscheidung erzwingen wollte, was ihm jedoch nicht gelang. Charr brachte indessen die härteren Schläge ins Ziel und lag daher nach zehn absolvierten Runden deutlich in Front. Als der Schlußgong ertönte, reckte der 29jährige seine Faust zur Siegerpose empor und schlug sogar noch ein Rad im Ring.

Der Kampf sei super verlaufen, wenngleich es leider nur zu einem Punktsieg gereicht habe. Da er unbedingt durch K.o. gewinnen wollte, habe er zu verkrampft geboxt, befand Charr, der seinen Fans für den nächsten Auftritt einen vorzeitigen Sieg in Aussicht stellte. Manuel habe seine Sache gut gemacht und verdient gewonnen. Im nächsten Kampf werde er noch mehr Gas geben und schon bald Weltmeister sein, verkündete der 29 Jahre alte Rapper Kay One, der erstmals als Charrs Promoter in Erscheinung trat und den Kampfabend gemeinsam mit ihm präsentierte.

Es sei ein hartes Stück Arbeit gewesen und er freue sich, daß alles so gut geklappt habe, atmete Charr nach getaner Tat auf. Man dürfe nicht vergessen, daß er nicht nur der Hauptkämpfer, sondern auch der Organisator der gesamten Veranstaltung gewesen sei. Er habe mit einem kleinen Team guter Freunde im Prinzip innerhalb von sechs Wochen eine große Show die Beine gestellt, worauf er sehr stolz sei. [2]

Manuel Charr war in jungen Jahren mit seiner Familie aus Beirut geflohen, wo sein Vater im libanesischen Bürgerkrieg sein Leben gelassen hatte. Mit seinen Brüdern habe er sich in Deutschland durchgeschlagen, zunächst in Berlin-Wedding, später in Essen. Über das Kickboxen fand er 2005 seinen Weg zu Ulli Wegner und dem Sauerland-Team. 2007 wechselte er zu Fritz Sdunek in den Universum-Boxstall. Ein Fehler, wie er heute meint: Er habe nur das Geld im Kopf gehabt. Als das ZDF den Vertrag mit Universum nicht verlängerte, schloß Charr sich 2011 Felix Sturm an. Aufgrund unterschiedlicher Vorstellungen ging jedoch auch diese Allianz in die Brüche, und so verließ der Kölner noch im selben Jahr Sturms Team und machte sich selbständig.

Unter seinem eigenen Label "Diamond Boy Promotion" hat er einige Gürtel des Verbandes WBC gewonnen. Er darf sich unter anderem Mittelmeer- und Baltischer Meister nennen, was nicht gerade weltbewegend klingt. Er wird jedoch an Nummer sechs der WBC-Weltrangliste geführt, so daß die Hoffnung, in absehbarer Zeit noch einmal ganz oben mitzumischen, nicht unrealistisch anmutet. Als entscheidendes Hindernis dürfte sich freilich Charrs fehlende Einbindung in ein einflußreiches Unternehmen der Branche erweisen, das ihm Türen öffnen könnte. Ob ein Musikproduzent und Casting-Juror wie Kay One die Rolle eines Boxpromoters erfüllen kann, muß mit einem Fragezeichen versehen werden. Zwar hat er Kontakte zu einem Fernsehsender, mit dem er eigenen Angaben zufolge wegen einer Übertragung in Verhandlungen steht. Doch inwieweit das konkrete Folgen zeitigt, muß sich noch erweisen. [3]

Jedenfalls hat Manuel Charr die Flinte nie ins Korn geworfen und in Eigenregie auch als Veranstalter einen gelungenen Anfang gemacht. Es wäre ihm zu wünschen, daß er sich weiterhin im Haifischbecken des Boxgeschäfts behauptet und seinen Ambitionen in sportlicher wie finanzieller Hinsicht tragfähig zur Durchsetzung verhelfen kann.


Fußnoten:

[1] http://www.epochtimes.de/Manuel-Charr-besiegte-Johnson-Angekuendigter-Knockout-blieb-jedoch-aus-a1144924.html

[2] http://www.express.de/sportmix/johnson-besiegt-nun-traeumt-charr-von-einem-grossen-kampf,3204,26835888.html

[3] http://www.general-anzeiger-bonn.de/sport/news/Manuel-Charr-verspricht-Box-Spektakel-gegen-Kevin-Johnson-article1298244.html

14. April 2014