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MELDUNG/1389: Nebenrollen im Ensemble Klitschkos (SB)




Shannon Briggs brüllt und Sherman Williams plaudert

Wladimir Klitschkos Titelverteidigung gegen den Australier Alex Leapai, die im Samstag in Oberhausen über die Bühne geht, löst beim Sportpublikum nicht gerade überschäumende Vorfreude aus. Der Herausforderer ist für die meisten potentiellen Zuschauer ein mehr oder minder unbeschriebenes Blatt, was einmal mehr dem Verdacht neue Nahrung gibt, der Weltmeister werde in diesem Kampf nicht ernsthaft auf die Probe gestellt. Da kommen kleine Zwischenfälle gerade recht, die von der öden Routine der obligatorischen Pressekonferenz ablenken.

Als in einem Hotel der gehobenen Kategorie an der Düsseldorfer Königsallee gähnende Langeweile um sich griff, stürmte Shannon Briggs den Saal. Der US-Amerikaner hatte im Oktober 2010 eine Punktniederlage gegen Vitali Klitschko bezogen, der ihn zwölf Runden lang übel verdrosch, aber nicht vorzeitig besiegen konnte. Danach mußte der Amerikaner mehrere Tage zur Beobachtung in der Hamburger Universitätsklinik Eppendorf verbringen, zumal er Jochbeinbrüche an beiden Augenpartien und eine schwere Muskelverletzung am rechten Oberarm davongetragen hatte. Briggs legte daraufhin eine lange Pause ein und ist erst vor wenigen Tagen mit einem schnellen Sieg gegen einen leichten Aufbaugegner in den Ring zurückgekehrt.

Ein ernstzunehmender Kandidat für einen Kampf gegen Wladimir Klitschko ist er nicht, was ihn aber nicht daran hinderte, dem Ukrainer vorzuwerfen, dieser gehe ihm aus dem Weg. Er sei der wahre Weltmeister, der Champion des Volkes. Deshalb müßte er und nicht der Australier gegen Klitschko kämpfen, brüllte der massige Riese, riß sich das T-Shirt vom Leib und warf es nach dem Ukrainer, der behende auswich. Das war offenbar das Stichwort für Alex Leapai, der auf den 42jährigen Briggs losgehen wollte, jedoch von Klitschko wieder beruhigt wurde. Er habe seinen Gegner auf einer Pressekonferenz noch nie zurückhalten müssen, kommentierte Klitschko die Episode mit einem amüsierten Gesichtsausdruck.

Nachdem der Amerikaner für Wirbel gesorgt hatte, verließ er nach etwa zehn Minuten wieder den Raum, worauf der Weltmeister das Schlußwort sprach, ihm gefalle ein solches Verhalten nicht, zumal er sich noch gut daran erinnern könne, wo Briggs nach dem Kampf gegen Vitali gelandet sei. Da niemand ernsthaft annehmen wird, Shannon Briggs sei auf eigene Faust und Kosten den weiten Weg nach Düsseldorf gereist, nur um sich womöglich für einen kurzen Augenblick auf der Pressekonferenz in Szene zu setzen, kann man den Amerikaner wohl eher der Entourage Wladimir Klitschkos zurechnen. [1]

Unterhaltsamer als die recht hölzerne Laiendarstellung auf der Pressekonferenz ist die vermutlich ebenfalls inszenierte Affäre um Sherman Williams. Der auf den Bahamas geborene Schwergewichtler lebt in Florida und war schon zehn- oder elfmal Klitschkos Sparringspartner im Trainingslager. Wer von dem Ukrainer, der in der vierwöchigen Sparringsphase bis zu zehn Partner verschleißt, zu diesem Zweck engagiert wird, muß sich strikten Verhaltensvorschriften unterwerfen. Jede Minute Verspätung beim obligatorischen Frühsport wird mit 150 Dollar Strafe in Rechnung gestellt, bei den drei täglichen Mahlzeiten ist Trainingskleidung tabu und vor allen Dingen unterliegen die Trainingsinhalte strenger Geheimhaltung. Bricht jemand das Schweigen, muß er umgehend seine Sachen packen und sich auf Nimmerwiedersehen verabschieden.

Soweit bekannt, hat sich noch nie ein Sparringspartner diesen Restriktionen widersetzt, da keiner die Gunst des Weltmeisters verlieren möchte. Williams hingegen hat das Tabu nun gebrochen und freimütig ausgeplaudert, warum er Klitschko für einen "Jammerlappen und Softie" hält. Wie der 41jährige versichert, habe er im Trainingscamp am Fuße des Wilden Kaisers einen guten Job gemacht und Leapais Kampfstil simuliert. Da der Australier 15 Zentimeter kleiner als der Weltmeister ist und eine geringere Reichweite besitzt, wird er den Infight suchen, um mit Körpertreffern zu punkten.

Seine Schläge zu Klitschkos Körper seien durchweg sauber gewesen, berichtet Williams weiter. Dennoch hätten ihn die Trainer immer wieder mit der Behauptung unterbrochen, er habe zu tief geschlagen. Klitschko habe nur geschrien und sei nach den schmerzhaften Treffern nicht mehr bereit gewesen, weiter gegen ihn zu kämpfen. Wladimir könne Körpertreffer nicht ertragen, behauptet Williams.

Er könne Alex Leapai nur raten, von Anfang an mutig auf Klitschko zuzusteuern, ihn mit linken und rechten Schlägen zum Körper einzudecken und ihn dann mit der Rechten am Kinn zu treffen. Wladimir vertrage keine Körpertreffer, und sobald ihn jemand am Kinn erwische, sei der Kampf vorbei. Allerdings warnt Williams vor der Klammertaktik Klitschkos, über die sich schon viele Gegner beschwert haben. Der Ukrainer springe einem wie ein Oktopus auf die Schultern und halte sich dort fest, so der Amerikaner. Sein Nacken und Rücken schmerzten noch immer von den Sessions mit dem Champion. Daher müsse man den Kampf direkt zu Klitschko bringen, rät Williams. Der Ukrainer sei momentan reif für eine Niederlage. Sofern der Australier physisch, mental und spirituell vorbereitet sei, könne er in wenigen Tagen "die größte Sensation des Jahrhunderts" schaffen und neuer Weltmeister werden. [2]

Wie es heißt, bleibe Sherman Williams nach diesem Eklat der Zugang zu Klitschkos Trainingslager zeitlebens verschlossen. Auch wurde er kurzerhand aus dem Vorprogramm gestrichen, in dem er gegen den in sieben Auftritten ungeschlagenen Australier Joseph Parker antreten sollte. Dessen Promoter David Higgins gab sich enttäuscht, daß seinem Boxer die Gelegenheit entgehe, Sherman Williams erstmals in dessen langer Karriere auf die Bretter zu schicken. Anstelle dessen trifft Parker nun auf den deutlich größeren Brasilianer Marcelo Luiz Nascimento, der bereits mit namhaften Gegnern wie Tyson Fury und Manuel Charr im Ring gestanden hat. [3]


Fußnoten:

[1] http://www.rp-online.de/sport/boxen/box-skandal-shannon-briggs-will-wladimir-klitschko-an-den-kragen-aid-1.4191988

[2] http://www.boxen-heute.de/artikel/5845-klitschkos-sparringspartner-williamswladimir-reif-fuer-eine-niederlage.html

[3] http://www.boxen-heute.de/artikel/5846-nach-der-laesterattacke-von-williamsparker-im-klitschko-vorprogramm-nun-gegen-nascimento.html

24. April 2014