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MELDUNG/1667: Wer den Absprung verpaßt ... (SB)



Roy Jones nur noch ein Schatten besserer Tage

Im Jahr 1994 wurde Roy Jones jun. von namhaften Boxjournalisten zum besten Akteur aller Gewichtsklassen gekürt. Mit diesem Superlativ versehen, brauchte sich der Amerikaner auf Jahre hinaus keine Sorgen um seine Reputation zu machen. Dabei hatte sein Aufstieg mit einer Niederlage begonnen, die er im Finale des Mittelgewichts bei den Olympischen Spielen 1988 in Seoul bezog. Jones hatte seinen koreanischen Gegner klar dominiert und wurde nach dem haarsträubenden Fehlurteil zugunsten des Lokalmatadors mit der Wahl zum besten Boxer des Turniers entschädigt. Diese spektakulären Umstände fanden beim US-Publikum Widerhall, was der damals 19jährige nach seinem Wechsel ins Profilager zu nutzen verstand.

Roy Jones kämpfte sich unaufhaltsam empor, bis er 1994 mit James Toney den IBF-Weltmeister im Supermittelgewicht entthronte. Nach 30 Siegen in Folge schloß er 1996 einen Sechsjahresvertrag mit dem Sender HBO ab, der ihm 30 Millionen Dollar einbringen sollte. Jones stieg ins Halbschwergewicht auf, sicherte sich noch im selben Jahr den vakanten WBC-Titel und später auch die Gürtel der WBA und IBF. Er pflegte sein Image, wollte angeblich zum Basketball umsatteln, züchtete Hunde und Hähne. Am 1. März 2003 krönte er seine außergewöhnliche Karriere mit einem Punktsieg gegen den körperlich weit überlegenen Puertoricaner John Ruiz im Schwergewicht, der ihn zum WBA-Weltmeister machte. Hätte er seine Laufbahn zu diesem Zeitpunkt beendet, wäre er als der erste und unerreichte "weltbeste Boxer aller Gewichtsklassen" in Erinnerung geblieben.

Wie viele andere namhafte Zunftkollegen fand auch er den Absprung nicht und mußte schließlich dem Verschleiß einer langen Karriere Tribut zollen, so daß ihn nachrückende Konkurrenten demontierten. Zwischen 2009 und 2011 verlor er drei Kämpfe in Folge - gegen Danny Green bereits in der ersten Runde, Bernard Hopkins klar nach Punkten und Denis Lebedew im zehnten Durchgang. Seither hat er zwar sechs Auftritte für sich entschieden, doch traf er dabei durchweg auf ausgesucht schwache Gegner.

Im Alter von 46 Jahren ist er heute nur noch ein Schatten früherer Tage und tritt des öfteren in Rußland auf, in dessen aufstrebendem Boxgeschäft das Geld locker sitzt und man gerne mit großen Namen hausiert. Inzwischen hat er sich vorgenommen, Marco Huck herauszufordern und ihm den Titel der WBO im Cruisergewicht abzunehmen. Da Huck als bester Akteur dieser Gewichtsklasse gilt, käme das einer Sensation gleich. Daß es überhaupt zu diesem Kampf kommt, ist unwahrscheinlich, sofern den Weltmeister nicht nach dem Abschied von Sauerland Event Probleme drücken, angemessene Gegner zu verpflichten.

Um sein Vorhaben zu befördern, sich einen Titel in der fünften Gewichtsklasse zu sichern, hat Jones eigenen Angaben zufolge persönlich mit Marco Huck gesprochen, der Interesse signalisiert habe, im Herbst gegen ihn anzutreten. Der 30 Jahre alte Weltmeister hat den Gürtel der WBO bereits seit 2009 in seinem Besitz und ihn seither gegen dreizehn Herausforderer erfolgreich verteidigt. Der Amerikaner möchte sich für diese anspruchsvolle Aufgabe in Form bringen, indem er zuvor noch rasch einige namenlose Gegner besiegt. Erst vor drei Wochen bezwang er in Concord, North Carolina, den Clubboxer Willie Williams in der zweiten Runde, in wenigen Tagen will er in seiner Heimatstadt Pensacola, Florida, gegen Paul Vasquez antreten. Während für die einstige Legende 60 gewonnene und acht verlorene Auftritte zu Buche stehen, hat sein weithin unbekannten Gegner zehn Siege, sechs Niederlagen sowie ein Unentschieden vorzuweisen. Der Kampf wird im Cruisergewicht ausgetragen und ist auf zehn Runden angesetzt.

Der Lokalmatador tritt damit erstmals seit seinem Sieg über Omar Sheika im März 2009 wieder vor heimischem Publikum auf, wobei der Kampf gegen Vasquez in eine schon zuvor geplante Veranstaltung mit Boxen und Martial Arts aufgenommen wurde. Nach sechsjähriger Abwesenheit freue er sich darauf, seine Fans in Pensacola wiederzusehen, so Jones. Wie sein Manager McGee Wright bestätigt, habe er Roy ermutigt, diesen Kampf zu bestreiten. Die Umstellung des Trainings zahle sich aus, so daß er sich körperlich und mental gezielt auf Marco Huck vorbereiten könne. [1]

Paul Vasquez, der in Martinez, Kalifornien, lebt, hat natürlich sofort zugesagt, diese für ihn sicher einmalige Chance zu ergreifen, mit einem derart berühmten Gegner in den Ring zu steigen. Wie der 36jährige erklärt, sei es für ihn eine große Ehre. Indessen solle sich niemand einer Täuschung hingeben, da er komme, um diesen Kampf zu gewinnen. Im übrigen habe er vor, seine Börse einem Kinderkrankenhaus zu spenden. Daß ihm die faustdicke Überraschung gelingt, den ehemaligen Champion in die Schrankan zu weisen, dürfte so gut wie ausgeschlossen sein. Vasquez hat vier seiner letzten fünf Kämpfe verloren und jüngst gegen die ungeschlagenen Talente Marcus Browne und Viatscheslaw Schabranski jeweils bereits in der ersten Runde den kürzeren gezogen. Roy Jones kann sich mit einem solchen Kontrahenten bestenfalls warmboxen, doch wie er sich dabei auf Marco Huck vorbereiten will, bleibt sein Geheimnis.


Fußnote:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/12554772/roy-jones-jr-fight-twice-span-1-month

26. März 2015


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