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MELDUNG/1668: Nach langem Zögern mit dem Rücken an der Wand (SB)



Carl Froch muß gegen Andre Ward antreten

Nachdem der Verband WBA einen Kampf zwischen dem Superchampion Andre Ward aus den USA und dem regulären Weltmeister Carl Froch aus England angeordnet hat, ist der britische Supermittelgewichtler in Zugzwang geraten. Er hat bereits den Titel der IBF niedergelegt, da er nicht gegen den Pflichtherausforderer James DeGale antreten wollte. Weigert er sich, der Aufforderung der WBA nachzukommen, verliert er auch seinen letzten Gürtel am grünen Tisch und steht mit leeren Händen da. Sein langgehegter Traum, die Karriere mit einigen spektakulären Duellen eigener Wahl zu beschließen, bliebe unerfüllbar, da seine Attraktivität ohne Titel in den Keller zu sinken drohte.

Frochs Promoter Eddie Hearn zufolge verhandelt er mit Roc Nation über die Konditionen des Kampfs. Der in 27 Auftritten ungeschlagene Ward gilt weithin als Favorit, zumal er den Briten im Finale des Super-Six-Turniers einstimmig nach Punkten besiegt hat. Hearn teilt diese Auffassung natürlich nicht und glaubt, daß der Kalifornier bei der Revanche mit ungeahnten Problemen konfrontiert werde. Froch, der 33 Kämpfe gewonnen und zwei verloren hat, möchte am liebsten vor heimischem Publikum in Nottingham antreten. Dem wird Roc Nation kaum zustimmen, so daß es wohl zur Versteigerung der Austragungsrechte kommen dürfte.

Da das US-Unternehmen finanziell bestens ausgestattet ist, würde Eddie Hearn vermutlich den kürzeren ziehen. Er mußte jüngst bei der Versteigerung des Titelkampfs zwischen Andre Dirrell und James DeGale schon dem Konkurrenten Warriors Boxing den Vortritt lassen, so daß dieses Duell im Mai in den USA ausgetragen wird. Andre Ward tritt vorzugsweise in Oakland oder notfalls auch an der Ostküste an, hat jedoch in seiner Profikarriere noch nie im Ausland gekämpft.

Wie Hearn einräumt, halte Froch nichts von dieser Option, werde aber im Zweifelsfall der Anordnung des Verbands Folge leisten. Die beiden Boxer verbinde eine gegenseitige Abneigung, weshalb Carl dem Amerikaner nicht das Feld überlassen wolle. Ward habe bei diesem Kampf mit Sicherheit kein leichtes Spiel und würde höchst ungern in Nottingham antreten, wo sein Gegner kaum zu bezwingen sei. [1]

Eben das halten die Amerikaner dem Briten vor, womit sie nicht auf seine engagierte Fangemeinde, sondern eine mögliche Bevorzugung durch die Punktrichter abheben. Andre Dirrell mußte sich Carl Froch in dessen Heimatstadt knapp nach Punkten geschlagen geben, als die beiden 2009 im Rahmen des Turniers aufeinandertrafen. Dabei hatte sich der Gast vom Heimpublikum seines Gegners keineswegs irritieren lassen und ausgezeichnet gekämpft. Der Lokalmatador durfte jedoch ungestraft zu allerlei regelwidrigen Mitteln greifen, während Dirrell wegen Klammerns ein Punkt abgezogen wurde. US-amerikanische Experten sprechen von einem einseitigen Kampfverlauf, in dem Froch eindeutig die schlechtere Figur gemacht habe, aber dennoch mit dem Sieg beschenkt worden sei.

Deshalb nimmt es nicht wunder, daß Andre Dirrell nie wieder in England antreten will und nun auch die Möglichkeit ausgeschlagen hat, vor großer Kulisse in London mit James DeGale in den Ring zu steigen. Nicht anders dürfte es sich mit Andre Ward verhalten, zumal dieser seinerseits schon häufig von seinem Heimvorteil profitiert hat. Er gilt noch immer als einer der besten Boxer aller Gewichtsklassen, hat aber aufgrund von Verletzungen und Vertragsstreitigkeiten mit seinem früheren Promoter seit dem Super-Six-Turnier nur selten gekämpft.

Carl Froch könnte daraus jedoch schwerlich einen Vorteil ziehen, da er selber seit dem zweiten Sieg über seinen Landsmann George Groves am 31. Mai 2014 vor 80.000 Zuschauern im Londoner Wembley-Stadion nicht mehr im Ring gestanden hat. Ihm schienen damals viele Türen offenzustehen, doch versteifte er sich auf einen Kampf gegen Julio Cesar Chavez in Las Vegas, zu dem es jedoch so schnell nicht kommen wird. Der Brite kuriert derzeit eine Schulterverletzung aus, während der ebenfalls lange untätige Mexikaner am 18. April in Carson, Kalifornien, gegen Andrzej Fonfara antreten will. Ein Duell mit Froch kommt daher zumindest im Sommer noch nicht in Betracht. Nach Lage der Dinge hat der Brite so lange gezögert, daß ihm nun mit Andre Ward die denkbar ungünstigste Aufgabe zugefallen ist. Geht er dem Kalifornier aus dem Weg, verliert er kampflos den letzten verbliebenen Titel. Steigt er mit Ward vor dessen Heimpublikum in den Ring, ist er den Gürtel aller Voraussicht nach ebenfalls los.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/03/andre-ward-vs-carl-froch-negotiations-underway-says-hearn/#more-189773

27. März 2015


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