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MELDUNG/1672: Von gleicher Augenhöhe kann nicht die Rede sein (SB)



Andre Dirrell und James DeGale treffen in Boston aufeinander

Zum Kampf um den vakanten IBF-Titel im Supermittelgewicht treffen Andre Dirrell und James DeGale am 23. Mai in Boston aufeinander. Da Dirrell in Flint, Michigan, zu Hause ist, genießt er gewissermaßen Heimvorteil. DeGales Promoter Eddie Hearn ist jedoch zuversichtlich, daß sein 29 Jahre alter Boxer als erster britischer Olympiasieger im Profilager Weltmeister wird und damit Geschichte schreibt. Hearn rechnet damit, daß die angereisten Schlachtenbummler von der Insel die Fans des US-Amerikaners an Zahl und Lautstärke übertreffen werden. Die Kontrahenten haben jeweils einmal verloren, und während Dirrell mit 24 Siegen aufwarten kann, stehen für den Briten 20 Erfolge zu Buche.

Wenngleich die beiderseitigen Bilanzen ein Duell auf gleicher Augenhöhe vermuten lassen, dürfte es für Andre Dirrell keinen entscheidenden Unterschied machen, wo er gegen DeGale antritt und ihn besiegt. Als der US-Amerikaner 2009 im Rahmen des Super-Six-Turniers in Nottingham auf den Lokalmatador Carl Froch traf, ließ er sich von dessen euphorischer Fangemeinde nicht irritieren. Er gab eine ausgezeichnete Vorstellung, wurde aber beim knappen Punktsieg seines Gegners nach Auffassung vieler Experten um den verdienten Erfolg gebracht. Zwar ist DeGale der Ansicht, er könne es in jeder Hinsicht mit Dirrell aufnehmen, doch ignoriert er dabei geflissentlich, daß dieser wesentlich beweglicher boxt, viel schneller schlägt und in der Defensive überlegen ist. [1]

James DeGale hat im Laufe seiner Karriere nur mit einem einzigen hochklassigen Gegner im Ring gestanden und dabei 2011 gegen seinen Landsmann George Groves verloren. Seither konnte er zwar neun Siege in Folge feiern, doch ließ die Auswahl seiner Kontrahenten keine nennenswerte Steigerung der Anforderung erkennen. Dessen ungeachtet erklärt Hearn seinen Boxer zum Favoriten und sieht ihn gar auf dem Weg zum Superstar. Der britische Promoter läßt dabei außer acht, daß Dirrell erheblich besser als Groves vor vier Jahren ist und seinen Gegner aller Voraussicht nach dominieren, wenn nicht sogar vorzeitig besiegen wird. [2]

Eddie Hearn wollte den Titelkampf nach London holen, wo er vermutlich höhere Umsätze als in den USA erzielt hätte. Da Dirrell jedoch angesichts seiner schlechten Erfahrungen bei der Niederlage gegen Carl Froch nicht geneigt war, noch einmal in England anzutreten, scheiterten die Verhandlungen zwischen den beiden Lagern. So kam es zur Versteigerung der Austragungsrechte, bei der sich Warriors Boxing mit Dirrells Berater Al Haymon im Rücken wie erwartet als der finanzstärkere Akteur erwies und das höhere Gebot einbrachte. [2]

Wenngleich auf der Hand liegt, daß Dirrell an der Ostküste populärer als im Westen der USA ist, bleibt doch ungewiß, wie gut das Duell beim US-amerikanischen Publikum ankommt. Letzten Endes ist der Titel jedoch wichtiger als der aktuelle Erlös, da dem Sieger als IBF-Weltmeister attraktive Auftritte und höhere Börsen in Aussicht stehen. Sollte Andre Dirrell wie erwartet gewinnen, könnte er gemeinsam mit seinem Bruder Anthony, der beim Verband WBC Champion ist, das Supermittelgewicht unter Kontrolle bringen und auf Jahre hinaus dominieren.

Den Titel der WBO hat Arthur Abraham in seinem Besitz, der ihn zunächst gegen seinen Dauerrivalen Robert Stieglitz, eines Tages gegen Felix Sturm und ansonsten gegen handhabbare Herausforderer verteidigen wird. Damit bleibt diese Trophäe aller Voraussicht nach noch geraume Zeit im deutschen Boxgeschäft, das sich in dieser Hinsicht von der angloamerikanischen Szene abgekoppelt hat und damit in finanzieller Hinsicht bislang gut gefahren ist. Die hiesigen Zuschauer schätzen innerdeutsche Duelle und nehmen dabei gern in Kauf, daß sie die immer gleichen Akteure zu sehen bekommen.

Gefährlichster Rivale der Brüder Dirrell ist Andre Ward, den die WBA als Superchampion führt. Dahinter folgen Carl Froch als regulärer Weltmeister dieses Verbands sowie der Russe Fedor Tschudinow als Interimsweltmeister. Dieser trifft bei seiner ersten Titelverteidigung am 9. Mai in Frankfurt am Main auf Felix Sturm, dem damit die Chance winkt, sich seinen ersten Gürtel im Supermittelgewicht zu sichern, in das er dauerhaft aufgestiegen ist.

Nachdem die WBA einen Kampf zwischen Andre Ward und Carl Froch angeordnet hat, ist der Brite in Zugzwang geraten. Er hat bereits den Titel der IBF niedergelegt, da er nicht gegen den Pflichtherausforderer James DeGale antreten wollte. Weigert er sich, der Aufforderung der WBA nachzukommen, verliert er auch seinen letzten Gürtel am grünen Tisch und steht mit leeren Händen da. Eddie Hearn verhandelt derzeit mit Wards Promoter Roc Nation über die Konditionen des Kampfs. Der in 27 Auftritten ungeschlagene Kalifornier aus Oakland gilt weithin als Favorit, zumal er Froch im Finale des Super-Six-Turniers klar nach Punkten besiegt hat.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/03/degale-i-match-andre-dirrell-in-all-his-attributes/#more-189799

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/03/hearn-degale-vs-dirrell-fight-to-take-place-in-may-in-u-s/#more-189775

31. März 2015


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