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MELDUNG/1758: Ein wenig schillern kann nicht schaden (SB)



Dereck Chisora meldet sich mit Kurzarbeit zurück

Der britische Schwergewichtler Dereck Chisora schien am Ende seines sportlichen Weges angelangt zu sein, als er im November 2014 seinem Landmann Tyson Fury unterlag. Da es sich um einen Ausscheidungskampf der WBO handelte, verpaßte der Londoner die Gelegenheit, noch einmal um die Weltmeisterschaft zu kämpfen. Er machte bei diesem wichtigen Auftritt eine derart schlechte Figur, daß man das Ende seiner Karriere nicht ausschließen mochte. Nun hat sich der 31jährige Brite jedoch zurückgemeldet, um abermals einen neuen Anlauf zu nehmen. Während Fury am 24. Oktober in Düsseldorf mit Wladimir Klitschko in den Ring steigt, mußte Chisora kleine Brötchen backen. [1]

Nach acht Monaten Pause traf der ehemalige Titelaspirant in der Londoner Wembley-Arena auf Beqa Lobjanidse, der drei seiner letzten sechs Kämpfe verloren hatte und dabei von Robert Helenius, Dillian Whyte und Otto Wallin jeweils vorzeitig besiegt worden war. Wie sich rasch herausstellte, hatte dieser Aufbaugegner dem Briten nichts entgegenzusetzen, der ihn bereits in der ersten Runde mit einer wuchtigen Rechten zum Kopf auf die Bretter schickte. Während Chisora seine Bilanz auf 21 Siege und vier Niederlagen verbesserte, stehen für Lobjanidse nun dreizehn gewonnene und vier verlorene Auftritte zu Buche.

Nach seinem raschen Erfolg bekundete der Brite Interesse, sich mit dem neuen Europameister Erkan Teper zu messen, um ihm den Gürtel abzunehmen. Dieser hatte vor einer Wochen den Briten David Price eindrucksvoll dominiert und bereits in der zweiten Runde besiegt. Daß Chisora gut beraten wäre, sich dem beidhändig gefährlich schlagenden Teper zu stellen, darf allerdings bezweifelt werden. Da sich die Brite zumeist ohne Rücksicht auf Verluste auf den Gegner stürzt, um ihn mit Schwingern einzudecken, fängt er sich dabei zahlreiche Treffer ein. Das sollte man sich gegen den Europameister nicht erlauben, der nicht nur von imposanter Statur ist, sondern auch im Handgemenge folgenschwere Schläge plazieren kann. [2]

Der auf zehn Runden angesetzte Kampf in der Wembley-Arena war so schnell vorüber, daß man Chisora eine erfolgreiche Rückkehr attestieren, ansonsten aber wenig über seine aktuelle Verfassung aussagen kann. Lobjanidse war kein Gegner, der ihn ernsthaft prüfen konnte, wobei man allerdings schon einen etwas längeren Gang erwartet hätte. Dem Briten bleibt nicht mehr allzu viel Zeit, sich noch einmal in Reichweite lukrativer Auftritte hochzuarbeiten, und daß er bei seiner Rückkehr derart kurzen Prozeß machte, kann man zumindest als ein Signal seiner ernsthaften Absichten interpretieren.

Aufgrund der Niederlage gegen Tyson Fury und der anschließenden langen Abwesenheit ist Dereck Chisora, damals die Nummer eins bei der WBO, inzwischen aus den Top 15 aller Ranglisten gefallen. Er muß daher recht zügig einige Siege vorlegen, um wieder in attraktivere Sphären vorzustoßen. Ende 2011 hatte der damalige WBC-Weltmeister Vitali Klitschko den Briten als Herausforderer bei einer freiwilligen Titelverteidigung ausgewählt. Chisora unterlag dem Ukrainer im Februar 2012 und einige Monate später auch David Haye, worauf er fünf Kämpfe und zwei Jahre brauchte, bis ihn die WBO an der Spitze ihrer Rangliste plazierte. Auf dem Weg dahin besiegte er mit Hector Alfredo Avila, Malik Scott, Edmund Gerber, Ondrej Pala und Kevin Johnson gute, aber keineswegs überragende Kontrahenten, was viel Kritik auf den Plan rief, der Verband habe ihm den Spitzenplatz mehr oder minder geschenkt.

So leicht dürfte es Chisora diesmal nicht mehr haben, da sein Ruf schweren Schaden genommen hat und er für hochkarätige Auftritte vorerst indiskutabel ist. Daher steht zu erwarten, daß er sich gegen Kontrahenten, die gute Ranglistenplätze innehaben, tatsächlich nach oben durchkämpfen muß. In der Vergangenheit blieb der Brite ungeachtet seiner Niederlagen gegen Tyson Fury in ihrem ersten Kampf, Robert Helenius, Vitali Klitschko und David Haye ein Kandidat, der immer wieder rasch ins Geschäft zurückfand und von namhaften Akteuren als Gegner ausgesucht wurde.

Auf der letzten Pressekonferenz vor dem Kampf gegen Vitali Klitschko verpaßte er dem Weltmeister ein Ohrfeige, auf dem Weg zum Ring spuckte er dessen Bruder Wladimir Wasser ins Gesicht und nach der Niederlage kam es zum Handgemenge mit der Entourage David Hayes, das wie beabsichtigt zum Skandal aufgebauscht wurde und in ein höchst lukratives Duell der beiden Briten mündete. Wenngleich man sich solche Zwischenfälle natürlich nicht wünscht, war Chisora doch immerhin eine schillernde Erscheinung in der grauen Szene des Schwergewichts, deren Rückkehr in den Ring keinesfalls zu bedauern ist.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/07/dereck-chisora-faces-beqa-lobjanidze-tonight-at-wembley-arena/#more-196734

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/07/chisora-destroys-lobjanidze/#more-196756

25. Juli 2015


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