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MELDUNG/1790: Possenspiel mit Kanonenfutter (SB)



Shannon Briggs fertigt drittklassige Gegner in Serie ab

Da Shannon Briggs den erhofften Titelkampf gegen Wladimir Klitschko auf normalem Weg unmöglich bekommen kann, dient er sich dem Weltmeister wie auch der gesamten Schwergewichtsszene als amüsanter bis lästiger Hofnarr an. Er betätigte sich bekanntlich als Stalker, der dem Ukrainer nicht nur vor dessen Kämpfen, sondern selbst im Urlaub oder bei Restaurantbesuchen mediengerecht auflauerte, um sich ihm als Herausforderer aufzudrängen. Auf diese Weise brachte er sich immer wieder ins Gespräch und verschaffte auch Klitschko zusätzliche Aufmerksamkeit, was zu Spekulationen Anlaß gab, Briggs werde für diesen Job bezahlt.

Shannon Briggs wurde 2006 Weltmeister der WBO im Schwergewicht, verlor den Gürtel jedoch bereits bei der ersten Titelverteidigung. Im Jahr 2010 trat er gegen Vitali Klitschko an und nötigte dem damaligen WBC-Champion einen Gang über volle zwölf Runden ab. Diese Standhaftigkeit brachte dem US-Amerikaner viel Sympathie, jedoch auch diverse Verletzungen ein, die zu seinem vier Jahre währenden Rückzug aus dem Boxgeschäft beitrugen. Im April 2014 kehrte Briggs in den Ring zurück und verlegte sich in der Folge darauf, drittklassige Gegner in Serie auf die Bretter zu schicken.

Opfer Nummer acht war am vergangenen Wochenende Mike Marrone, der bereits in der zweiten Runde die Segel streichen mußte. Der 43jährige Briggs gab bei dem Kampf in Hollywood, Florida, sofort den Ton an und machte deutlich, daß man das Ende der angesetzten zehn Runden natürlich nicht erreichen werde. Kurz vor der ersten Pause traf er seinen klar unterlegenen 29 Jahre alten Gegner mit der Rechten am Kopf und erzielte auf diese Weise einen Niederschlag. In der zweiten Runde trieb er Marrone mit dem Jab vor sich her und versetzte ihm schließlich mit der Rechten einen wuchtigen Schlag, dem er mit der Linken einen Körpertreffer folgen ließ. Mike Marrone mußte daraufhin ein zweites Mal zu Boden gehen und wurde diesmal von Ringrichter Sam Burgos ausgezählt, worauf der Kampf nach 2:52 Minuten des zweiten Durchgangs beendet war.

Der Vollständigkeit halber sei vermerkt, daß Briggs nun mit 59 Siegen, sechs Niederlagen sowie einem Unentschieden aufwarten kann, während für Marrone 21 gewonnene und fünf verlorene Auftritte verbucht sind. Kaum hatte er seine Kurzarbeit erledigt, als Briggs auch schon das Ringmikrophon ergriff und Wladimir Klitschko herausforderte, der das Geschehen vor Ort verfolgte hatte. Daß neben dem Ukrainer noch etliche weitere Weltmeister der letzten 30 Jahre wie Larry Holmes, Evander Holyfield und Lennox Lewis anwesend waren, unterstreicht, daß dabei eine gewisse Regie am Werk war. Für ein solches Aufgebot namhafter Persönlichkeiten der Schwergewichtsszene gäbe es andernfalls keinen nachvollziehbaren Grund, einem derart bedeutungslosen und absehbaren Kampf beizuwohnen.

Ob Shannon Briggs seine Auftritte allein von sich aus für Orte und Zeitpunkte plant, an denen er sich der Aufmerksamkeit sicher sein kann, oder er lediglich Teil eines übergreifenden Vermarktungskonzepts ist und die ihm zugedachte Rolle spielt, wird man so schnell nicht erfahren. Jedenfalls kündigte er an, fleißig weiterzukämpfen und wahrscheinlich in drei oder vier Monaten seinen nächsten Auftritt zu geben. [1]

Wie sich bei seinem jüngsten Erfolg gezeigt hat, ist Shannon Briggs offenbar nicht mehr in der Lage, wie in früheren Jahren gefährliche Kopftreffer zu landen. Er schlägt zu langsam und häufig Löcher in die Luft, da seine Absicht im Ansatz zu erkennen ist. Was ihm hingegen immer noch gut gelingt, sind wirksame Körpertreffer, mit denen er seit seinem Comeback sämtliche Gegner frühzeitig zu Boden geschickt hat. Allerdings hatte er es dabei durchweg mit Kontrahenten zu tun, die vor ihm stehenblieben, so daß er die passende Distanz suchen und Maß nehmen konnte.

Gegen gute Schwergewichtler hätte er damit wohl keine Chance, zumal sein Jab zu langsam und eher eine Rückhand als ein richtiger Schlag ist. Wladimir Klitschko würde er damit jedenfalls nicht treffen und sich im Gegenzug sofort einen linken Haken einhandeln, der zu den gefährlichsten Waffen des Weltmeisters zählt. Daß Briggs zwölf Runden mit dem Ukrainer überstehen könnte wie seinerzeit gegen Vitali Klitschko ist nicht anzunehmen, da er sich einem Bombardement linker Haken und rechter Geraden ausgesetzt sähe, dem er kaum standhalten würde.

Shannon Briggs ist dank seiner Serie leichter Siege gegen chancenlose Kontrahenten bis auf Platz fünf der WBA-Rangliste aufgestiegen. Man könnte dies ein Kuriosum nennen, da er keinen einzigen Gegner aus den Top 15 geschlagen hat, doch fügt dies der oftmals abstrusen Verbandspolitik nur eine mindere Ungereimtheit hinzu. Wladimir Klitschko, der einige Male nicht ausgeschlossen hat, sich diesen Herausforderer vorzuknöpfen, hat dafür in naher Zukunft keine Zeit. Der Weltmeister verteidigt seine Titel am 24. Oktober in Düsseldorf gegen Tyson Fury, den Pflichtherausforderer beim Verband WBO. Sollte Klitschko unterliegen, träte die vertraglich vereinbarte Rückkampfklausel in Kraft, worauf es irgendwann im nächsten Jahr zu einer Revanche käme.

Ohne seine Gürtel würde Wladimir Klitschko natürlich nicht gegen Briggs antreten. Setzt er sich jedoch gegen den Briten durch, stünden die Chancen des US-Amerikaners kaum besser. Klitschkos Manager Bernd Bönte hat jedenfalls erst vor wenigen Tagen unterstrichen, daß ein Kampf gegen Briggs in finanzieller Hinsicht keinen Sinn machen würde. Daher müßte sich dieser schon bis an die Spitze der WBA-Rangliste hocharbeiten, was normalerweise wohl noch zwei Jahre dauern würde. Allerdings ist nicht auszuschließen, daß ihm der Verband eine weitere Gunst gewährt und ihn aufrücken läßt, ohne daß er zuvor gegen vor ihm plazierte Kandidaten gewonnen hätte. Zieht man in Betracht, welche Gegner Briggs seit April 2014 ausgewählt und besiegt hat, liegt die Annahme nahe, daß er sich jedem Kontrahenten aus dem Feld der Top 15 geschlagen geben müßte. [2]


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/13595298/shannon-briggs-stops-mike-marrone-2nd-round

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/09/shannon-briggs-destroys-marrone-then-calls-out-klitschko/#more-198618

8. September 2015


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