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MELDUNG/1805: Tribut einer langen Karriere (SB)



Wladimir Klitschko muß Kampf gegen Tyson Fury verschieben

Wladimir Klitschko hat die für den 24. Oktober in Düsseldorf geplante Titelverteidigung gegen den WBO-Pflichtherausforderer Tyson Fury wegen einer Verletzung an der linken Wade abgesagt. Zwei Tage nach einer gemeinsamen Pressekonferenz, auf der der Brite in einem Batman-Kostüm erschienen war, gab der Ukrainer die Absage mit einer Videobotschaft per Instagram bekannt. Darin entschuldigte er sich bei den Fans, von denen sicher viele bereits Reisevorbereitungen getroffen hätten, wie auch bei seinem Gegner, dessen wochenlange Vorbereitung nun leider vergeblich gewesen sei. Er wolle sein möglichstes tun, um sich schnell auszukurieren. Ein neuer Termin werde in Kürze bekanntgegeben.

Der 39 Jahre alte Weltmeister hatte sich wie üblich in den österreichischen Bergen vorbereitet und dabei die Verletzung während des Trainings davongetragen. Er konsultierte Dr. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, der einen Sehnenriß in der linken Wade diagnostizierte und eine vorerst unbefristete Verschiebung des Kampfs empfahl. Er rate dringend dazu, in den nächsten Wochen auf sportliche Aktivitäten zu verzichten. Wie die K2 Promotions mitteilten, behalten die Eintrittskarten ihre Gültigkeit. [1]

Der 27jährige Fury konnte es sich wie erwartet nicht verkneifen, die jüngste Entwicklung abfällig zu kommentieren. In den sozialen Medien breitete er sich mit der Geschichte aus, nun sei eingetreten, was er, sein Vater John und sein Onkel Peter vorhergesagt hätten. Offenbar sei er so furchteinflößend, daß Klitschko einen Rückzieher gemacht habe. Er hoffe sehr, daß der Ukrainer den Kampf tatsächlich neu ansetzen werde. Andernfalls müsse dieser seine Karriere beenden. Kampflos wolle er die Titel jedenfalls nicht haben, so Fury, der für seine provozierenden und großspurigen Tiraden berüchtigt ist. [2]

Klitschko, der in Südflorida lebt, hat seine Titel im Laufe von mehr als neun Jahren bereits 18mal erfolgreich verteidigt, nur übertroffen von Larry Holmes (20) und Joe Louis (25). Was die Dauer seiner Regentschaft betrifft, muß der Ukrainer nur Louis den Vortritt lassen, der elf Jahre lang Schwergewichtschampion war. Rechnet man alle seine 27 Titelkämpfe zusammen, liegt Klitschko gleichauf mit dem legendären US-Amerikaner. Bei seinem letzten Auftritt besiegte der Weltmeister am 25. April im New Yorker Madison Square Garden den bis dahin ungeschlagenen Bryant Jennings einstimmig nach Punkten. Allerdings verlief sein erster Kampf in den USA seit 2008 recht glanzlos, da der wendige Herausforderer vor allem bestrebt war, schwere Treffer zu vermeiden.

Der Weltmeister muß nicht zum ersten Mal in seiner Karriere einen Kampf wegen einer Verletzung verschieben. Im vergangenen Jahr zog er sich einen Muskelfaserriß am linken Bizeps zu, was zu einer Verlegung der Pflichtverteidigung gegen den Bulgaren Kubrat Pulew von September auf November führte. Als die beiden dann im Ring aufeinandertrafen, setzte sich der Champion durch K.o. in der fünften Runde durch. Im Dezember 2010 hatte der Ukrainer einen geplanten Kampf gegen den Briten Dereck Chisora zunächst verschoben und später ganz abgesagt, da er an einer langwierigen Verletzung der Bauchmuskulatur laborierte.

Mit einer Bilanz von 64 Siegen und drei Niederlagen ist Klitschko dem in 24 Kämpfen ungeschlagenen Fury an Erfahrung weit voraus, der ihn allerdings mit einer Größe von 2,06 m noch um acht Zentimeter überragt. Dessen bislang gefährlichster Gegner war sein Landsmann Chisora, gegen den er zweimal gewonnen hat. Ein geplanter Kampf gegen David Haye scheiterte 2013 nach mehreren Verschiebungen an einer schweren Schulterverletzung des Londoners, so daß Tyson Fury natürlich fürchten muß, im Falle Klitschko dasselbe noch einmal zu erleben.

Der Herausforderer will eigenen Angaben zufolge am Ball bleiben und seine Position als Pflichtherausforderer wahren, bis der Ukrainer wieder einsatzfähig ist. Sollte dies allerdings sehr lange dauern, muß sich Fury Gedanken über einen zwischenzeitlichen Aufbaukampf machen, um in Schwung zu bleiben. An nicht allzu gefährlichen Gegnern, wie sie der Brite bislang stets vor den Fäusten hatte, herrscht kein Mangel. Unklar ist, wie geduldig die beteiligten Verbände im Falle eines langfristigen Ausfalls des Weltmeisters abwarten, ehe sie ihm die Titel aberkennen und ihn zum Champion im Ruhestand erklären. All dies sind jedoch Erwägungen, die derzeit nicht weiterführen und erst dann relevant würden, sollte Klitschko tatsächlich bis weit ins kommende Jahr hinein außer Gefecht sein. [3]

Die angedachte Option, der Sieger des Kampfs zwischen Klitschko und Fury könnte gleich im nächsten Schritt gegen den WBC-Weltmeister Deontay Wilder antreten, dürfte jedenfalls ins Wasser gefallen sein. Setzt sich der US-Amerikaner gegen den Franzosen Johann Duhaupas durch, wartet im Frühjahr 2016 mit dem Pflichtherausforderer Alexander Powetkin der bislang gefährlichste Gegner auf ihn. Eine mögliche Abkürzung für Fury ist nach aktueller Lage der Dinge nicht in Sicht.


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/13736734/heavyweight-champion-wladimir-klitschko-postpones-tyson-fury-bout-calf-injury

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/09/tyson-fury-i-predicted-klitschko-injury/#more-199557

[3] http://www.boxingnews24.com/2015/09/klitschko-vs-fury-new-date-will-be-announced-next-week/#more-199551

26. September 2015


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