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MELDUNG/2081: Ambitionierte Pläne mit einem Pferdefuß (SB)



Saul "Canelo" Alvarez will 2017 drei Kämpfe austragen

Saul "Canelo" Alvarez, ehemals Champion zweier Verbände im Halbmittelgewicht und von seinem Promoter Oscar de la Hoya zum Superstar der Branche überhöht, hat seine Pläne für das kommende Jahr offengelegt. Der 26 Jahre alte Mexikaner, für den 48 Siege, eine Niederlage sowie ein Unentschieden zu Buche stehen, will drei Kämpfe bestreiten und dabei gegen seinen Landsmann Julio Cesar Chavez jun., den Kasachen Gennadi Golowkin und den Puertoricaner Miguel Cotto antreten. Plan B sieht am 6. Mai eine Herausforderung des WBO-Weltmeisters im Mittelgewicht, Billy Joe Saunders aus England, ansonsten aber ebenfalls Golowkin Mitte September und Cotto im Dezember 2017 vor. Von dem offensichtlichen Pferdefuß dieses Vorhabens, der Zweifel an dessen Ernsthaftigkeit wachruft, soll später die Rede sein.

Die Golden Boy Promotions haben jedenfalls Chavez die kurze Frist von nur einer Woche eingeräumt, ihr Angebot anzunehmen oder die Segel zu streichen. Dem Vernehmen nach sieht der Kontrakt eine Garantiebörse von sechs Millionen Dollar vor. Da Chavez zudem einen prozentualen Anteil der Einkünfte aus dem Pay-TV bei HBO bekäme, könnte er insgesamt zehn Millionen Dollar verdienen, sofern die Übertragung mehr als eine Million Buchungen erzielt, was durchaus der Fall sein dürfte. Wenngleich "Canelo" mit Sicherheit wesentlich mehr Geld einstreichen würde, wäre diese Option für Chavez dennoch eine Goldgrube, wie sie ihm kein zweites Mal in Aussicht stünde. Ein Kampf zweier namhafter Mexikaner, bei dem er von der ungleich größeren Popularität "Canelos" profitieren würde, wäre für die Landsleute zu Hause und in den USA ein absolutes Glanzlicht, das sie tief in Tasche greifen ließe.

Hingegen ist Billy Joe Saunders ausschließlich wegen seines Titels von Interesse, den Alvarez und De la Hoya gerne haben wollen. "Canelo" ist derzeit zwar WBO-Champion im Halbmittelgewicht, doch bleibt der Gürtel dieses Verbands im höheren Limit die einzige Trophäe, die Gennadi Golowkin noch zur Komplettierung seiner Sammlung fehlt. Besäße Saul Alvarez diesen Gürtel, stärkte dieses Faustpfand seine Verhandlungsposition gegenüber dem Team des Kasachen. Sehr viel Geld wäre mit Saunders jedoch nicht zu verdienen, da er aus Sicht des US-Publikums kaum mehr als eine Neuauflage des Kampfs gegen den Briten Liam Smith verspräche, der auf mäßiges Interesse stieß.

Der 27jährige Saunders gilt als schwächstes Glied in der Kette der Weltmeister im Mittelgewicht, was sich Anfang Dezember bei seiner mühsamen ersten Titelverteidigung gegen den Außenseiter Artur Akavow bestätigte. Nach einem enttäuschenden Auftritt konnte der derangierte Brite froh sein, am Ende einen knappen Punktsieg davonzutragen, in dem nicht wenige Experten ein Geschenk an das Heimpublikum sahen. "Canelo" sollte sich gegen Saunders relativ problemlos durchsetzen, doch mehr als die mageren 300.000 Buchungen seines Kampfs gegen Liam Smith am 17. September sprängen dabei wohl nicht heraus. Wenngleich der Brite als Champion nach Arlington angereist war, galt er in den USA als völlig unbeschriebenes Blatt und klarer Außenseiter.

Das wollen die Fans vermutlich nicht noch einmal sehen, zumal "Canelo" angesichts seiner Auswahl relativ schwacher Gegner ohnehin unter Beschuß steht. Seit 2015 hat er mit James Kirkland, dem alternden Miguel Cotto, dem körperlich unterlegenen Amir Khan sowie Liam Smith im Ring gestanden, nun soll Chavez oder Saunders folgen. Das mutet nicht gerade wie das Profil eines überragenden Akteurs, sondern eher wie das sorgsam gepflegte Image eines Boxers an, dessen Bilanz unter Vermeidung der gefährlichsten Kontrahenten saubergehalten wird.

"Canelos" ursprünglich für Februar geplanter nächster Auftritt wurde auf Anfang Mai verschoben, damit er den Bruch an seiner rechten Hand gründlich auskurieren kann, bevor er in den Ring zurückkehrt. Davon abgesehen ließe sich mit Saunders am 6. Mai noch am ehesten etwas verdienen, da die mexikanischen Fans am Wochenende ihres Feiertags Cinco de Mayo einfach einen Boxkampf im Fernsehen erwarten. Möglicherweise reicht der Publikumsliebling "Canelo" schon für sich genommen aus, um die Kasse klingeln zu lassen, selbst wenn er nur gegen den weithin unbekannten Briten antritt.

Sehr viel spannender, aber auch ungleich gefährlicher wäre ein Kampf gegen Jermall oder Jermell Charlo, Demetrius Andrade, Erislandy Lara oder Julian Williams. Das sind zwar allesamt Halbmittelgewichtler, die aber stärker als die meisten Mittelgewichtler sein dürften, wenn man einmal von Gennadi Golowkin und Daniel Jacobs absieht. Unter dem Vorwand, er wolle künftig ohnehin im Mittelgewicht antreten, kann "Canelo" den genannten Konkurrenten aus dem Weg gehen, ohne das Gesicht zu verlieren.

Der Plan, im kommenden Jahr drei Kämpfe zu bestreiten, mutet schon deshalb reichlich ambitioniert an, weil "Canelo" seit 2011, als er Matthew Hatton, Ryan Rhodes, Alfonso Gomez und Kermit Cintron besiegte, nie häufiger als zweimal pro Jahr im Ring gestanden hat. Weder Chavez noch Saunders würde den Mexikaner vor unlösbare Probleme stellen, doch käme danach Gennadi Golowkin an die Reihe, dem Alvarez kaum gewachsen sein dürfte. Selbst wenn er wie durch ein Wunder zwölf Runden mit dem Kasachen überstehen würde, wäre er anschließend reif für eine lange Erholungspause. Wie also sollte er nur drei Monate später gegen Miguel Cotto antreten?

Er hat den Puertoricaner im November 2015 nur knapp besiegt, obwohl er damals frisch und mit einem enormen Gewichtsvorteil in den Ring steigen konnte. Cotto nimmt sich im Februar mit James Kirkland einen relativ leichten Gegner vor und wird danach mit Sicherheit keinen Kampf mehr bestreiten, bis er auf Saul Alvarez trifft. Sollte dieser zuvor durch Golowkin schwer lädiert worden sein, hätte der Puertoricaner gute Aussichten, sich für die Niederlage gegen "Canelo" zu revanchieren. Das könnte dazu führen, daß Oscar de la Hoya unter solchen Voraussetzungen den Kampf gegen Miguel Cotto verschiebt. [1]

Denkbar wäre aber auch, daß man Golowkin trotz gegenteiliger Beteuerungen auch 2017 aus dem Weg gehen will und bereits einen Plan C in der Tasche hat, wie das funktionieren könnte. Da "Canelo" den WBC-Titel im Mittelgewicht niedergelegt hat, um sich nicht mit dem damaligen Pflichtherausforderer Golowkin messen zu müssen, und auch sonst um mehr oder minder fadenscheinige Ausflüchte nicht verlegen war, kann er sich eine offene Absage schlechterdings nicht mehr leisten. Deshalb entwarf De la Hoya die Version, man unterbreite dem Kasachen ein lukratives Angebot, so daß er nur noch einschlagen müsse. Tatsächlich wollte man ihn jedoch mit einer Pauschale von 10 Millionen Dollar abspeisen, während "Canelo" mindestens zehnmal so viel verdienen würde. Darauf konnte sich Golowkins Team unmöglich einlassen, was wiederum im Kalkül der Golden Boy Promotions gelegen haben dürfte. Ein ähnlich gelagerter Plan, der das Scheitern der Verhandlungen dem Kasachen in die Schuhe schiebt, könnte bereits in der Schublade liegen. So gesehen würde es wieder Sinn machen, daß "Canelo" für 2017 drei Kämpfe ankündigt, von denen er ohnehin nur zwei auszutragen gedenkt und einer der Fassade dient.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2016/12/plan-canelo-2017-chavez-jr-golovkin-cotto/#more-224110

28. Dezember 2016


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