Schattenblick → INFOPOOL → SPORT → BOXEN


MELDUNG/2153: Magere Ernte im kostenpflichtigen Fernsehen (SB)



Nur 125.000 Buchungen bei Andre Ward gegen Sergej Kowaljow

Die Revanche zwischen Andre Ward und Sergej Kowaljow am 17. Juni im Mandalay Bay Events Center in Las Vegas hat im Pay-TV beim Sender HBO nur die enttäuschend magere Zahl von rund 125.000 Buchungen eingefahren. Damit schnitt der Rückkampf sogar noch schlechter als das erste Aufeinandertreffen der Kontrahenten am 19. November 2016 ab, dessen Übertragung 160.000 Abnehmer fand. Berücksichtigt man, daß die Titel dreier Verbände im Halbschwergewicht auf dem Spiel standen und Ward als einer der besten Boxer aller Gewichtsklassen gehandelt wird, war das Interesse des zahlenden Fernsehpublikums erschreckend gering.

Da der alte und neue Weltmeister eine Garantiebörse in Höhe von 6,5 Millionen Dollar einstreichen kann, trägt er keinen finanziellen Schaden davon. Anders sieht es jedoch für den abermals unter fragwürdigen Umständen gescheiterten Kowaljow aus, dessen Gage an den Erlös aus dem Pay-TV gekoppelt ist. Da Ward den Löwenanteil abkassiert, dürfte angesichts der niedrigen Zuschauerquote für den Russen nicht allzu viel übrigbleiben. Hinzu kommen zwar die Einkünfte aus dem Verkauf der Eintrittskarten, doch ist schon jetzt abzusehen, daß der Herausforderer in zweifacher Hinsicht übervorteilt worden ist.

Den ersten Kampf hatte Ward ganz knapp nach Punkten gewonnen, was viele Experten in Erstaunen versetzte, da er sich nach einem Niederschlag in der zweiten Runde auf ständiges Klammern, Ringen und oftmals regelwidrige Schläge verlegt hatte. Die Revanche ging sogar noch übler aus, da Kowaljow nach einer Serie ungeahndeter Tiefschläge des Kaliforniers überraschend von Ringrichter Tony Weeks aus dem Kampf genommen wurde, der einen unerklärlich schwarzen Tag zu haben schien. Andre Wards Devise, daß im Ring jedes Mittel recht sei, sofern es nicht vom Referee unterbunden wird, wurde abermals belohnt.

Als die Aufzeichnung des Kampfs am 24. Juni kostenlos wiederholt wurde, schalteten sich 752.000 Boxfans bei HBO zu. Das läßt darauf schließen, daß zwar grundsätzlich Interesse an diesem Duell bestand, das jedoch wiederum nicht so weit ging, sich dafür in Unkosten zu stürzen. Das Kalkül, daß sich nach dem umstrittenen Ausgang des Kampfs im letzten November die Revanche besser verkaufen würde, ging nicht auf.

Andre Ward und Sergej Kowaljow sind durchaus geläufige Namen und recht populäre Boxer, doch reicht ihr Bekanntheitsgrad offensichtlich noch längst nicht für eine gute Quote im Pay-TV aus. Selbst Gennadi Golowkin, der seit 2008 sämtliche Gegner vorzeitig besiegt hatte und stets für spektakuläre Auftritte gut war, steht der Durchbruch im Bezahlfernsehen noch bevor. Vermutlich hatten viele Fans beim ersten Duell zwischen Ward und Kowaljow genug gesehen und beschlossen, für eine solche Darbietung kein Geld mehr auszugeben. [1]

Wenngleich man dem Kalifornier zugute halten kann, bei der Revanche sehr viel weniger als im November geklammert zu haben und jederzeit für eine taktische Überraschung gut zu sein, sind doch Tiefschläge nicht gerade ein Mittel, das man sich bei einem Boxkampf wünscht und gutheißen könnte. Ward ist ein exzellenter und durchsetzungsfähiger Boxer, der noch nie verloren hat, früher Weltmeister mehrerer Verbände und anerkannt bester Akteur im Supermittelgewicht war und derzeit Champion der WBA, WBO und IBF im Halbschwergewicht ist. Seine defensive und oftmals grenzwertige Kampfesweise samt der fast schon obligatorischen Unterstützung eines ihm gewogenen Kampfgerichts haben jedoch dafür gesorgt, daß er nie sonderlich populär geworden ist und sich keine solide Fangemeinde aufbauen konnte. Hinzu kamen im Falle Kowaljows kaum verhohlene antirussische Ressentiments in der Gemengelage ihrer Kämpfe, die eine nicht exakt einzukreisende, aber sicher nicht unmaßgebliche Rolle bei der Reaktion des Publikums und wohl auch der Ring- und Punktrichter bei den beiden Duellen gespielt haben dürfte.

Zum dürftigen Resultat im Pay-TV hat wohl auch eine ungenügende Bewerbung des Kampfs beigetragen, da die Kontrahenten im Vorfeld nur wenige gemeinsame öffentliche Auftritte gaben. Ward und Kowaljow trafen natürlich bei den Pressekonferenzen und beim offiziellen Wiegen aufeinander, hätten aber sicher erheblich mehr dafür tun können, das potentielle Publikum aus der Reserve zu locken. Bei der abschließenden Pressekonferenz verließ der Russe bereits nach wenigen Worten den Raum, was man mit Blick auf die Vermarktung nur als ein fatales Eigentor bezeichnen kann. Die Medien brauchen nun einmal möglichst markanten oder gar spektakulären Stoff, den sie an ihr Publikum weitervermitteln. Wenngleich man natürlich nicht verlangen kann, daß jedesmal eine ausgesprochene Fehde inszeniert und theatralische Handgreiflichkeiten ausgetauscht werden, läßt sich die Ratio prominenter Darsteller und weithin wahrgenommener Kämpfe in Gestalt wortreicher und schauspielerischer Akzente doch nicht ungestraft ignorieren.

Hinterher ist man natürlich schlauer und kann nun wohl davon ausgehen, daß es besser gewesen wäre, die Revanche nicht im Bezahlfernsehen, sondern im regulären Format World Championship Boxing des Senders HBO zu präsentieren. Der unbefriedigende Verlauf und Ausgang des ersten Kampfs samt der mageren Quote im Pay-TV hätte Warnung genug sein müssen, nicht bei der zweiten Auflage aufs selbe Pferd der Verkaufsstrategie zu setzen. Ward bräuchte schon einen wesentlich populäreren Gegner wie Gennadi Golowkin, um das Kontingent der zahlenden Fernsehzuschauer auszubauen. Ob es aber jemals zu diesem zeitweise diskutierten Aufeinandertreffen kommt, steht in den Sternen.

Zudem war Andre Ward zwischen 2013 und 2015 vor allem aufgrund einer nicht beizulegenden Kontroverse mit seinem damaligen Promoter Dan Goossen kaltgestellt und geriet in dieser Zeit beim breiteren Publikum in Vergessenheit. Seit seiner Rückkehr in den Ring hat er fünf Kämpfe bestritten und dabei Paul Smith, Sullivan Barrera, Alexander Brand und zweimal Sergej Kowaljow besiegt. Keiner dieser Auftritte war sonderlich mitreißend und ein Genuß für die Zuschauerschaft, einige konnte man sogar als recht öde wahrnehmen. Der Kalifornier hat in den letzten Jahren schlichtweg zu wenig und zu unspektakulär geboxt, als daß er im Pay-TV erfolgreich Fuß gefaßt hätte.

Jüngsten Berichten zufolge könnte es für Andre Ward im nächsten Schritt zu einem Kampf gegen Tony Bellew kommen. Der Brite ist WBC-Weltmeister im Cruisergewicht, hat aber zuletzt im Schwergewicht den bis zu seiner schweren Fußverletzung klar überlegenen David Haye besiegt und möchte eigentlich weiterhin in der Königsklasse auftreten. Er ist jedoch bereits Feuer und Flamme, was Andre Ward betrifft, und wird darin von seinem Promoter Eddie Hearn unterstützt, der den US-Star auf die Insel locken möchte. Im US-amerikanischen Bezahlfernsehen wäre dieses Duell so gut wie unverkäuflich, da Bellew dort weithin unbekannt ist. Anders im boomenden britischen Boxgeschäft, das auf eine gewaltige und begeisterungsfähige Zuschauerschaft zurückgreifen kann, die auch den Pay-TV-Sender Sky Box Office massenhaft frequentiert. Carl Froch gegen George Groves im Juni 2014 vor 80.000, Anthony Joshua gegen Wladimir Klitschko jüngst vor 90.000 Zuschauern im Londoner Wembleystadion sind nur die augenfälligsten Zeichen einer Hochkonjunktur, wie sie der britische Boxsport seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt hat.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2017/06/ward-kovalev-2-around-125k-buys-ppv/#more-237759

2. Juli 2017


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang