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MELDUNG/2157: Vabanquespiel mit Unwägbarkeiten (SB)



Mayweathers und McGregors Werbetour zieht alle Register

Nach den Worten des UFC-Präsidenten Dana White war die gerade absolvierte "Welttour" Floyd Mayweathers und Conor McGregors mit Pressekonferenzen in vier Städten nicht minder Teil des Gesamtpakets wie der Kampf selbst, der am 26. August in Las Vegas über die Bühne geht. Wie sich in der zurückliegenden Woche bestätigt habe, gehörten die beiden zweifellos physisch, mental und verbal zu den Allerbesten, die jemals im Ring oder Oktagon aufgetreten seien. Die Auseinandersetzung habe sich von Mal zu Mal zugespitzt, da beide Treffer eingesteckt und zugleich alles getan hätten, um deren Wirkung zu kaschieren. Es handle sich nicht um ein Krocketspiel oder eine Tennispartie, sondern eine geradezu epische Schlacht. Schließlich werde jeder von ihnen versuchen, den andern auf die Bretter zu schicken. Schlimmer als das könne auch das übelste Wortgefecht kaum sein.

White dürfte mit der Einschätzung ins Schwarze getroffen haben, daß der attraktivste Teil des Spektakels womöglich bereits Vergangenheit ist und der Kampf selbst nicht das halten kann, was die beiden Unterhaltungskünstler an Erwartungen geschürt haben. Der in 49 Kämpfen ungeschlagene Floyd Mayweather hat vor zwei Jahren seine sportlich und finanziell überaus erfolgreiche Karriere für beendet erklärt. Im Alter von 40 Jahren kehrt der ehemals weltbeste Boxer aller Gewichtsklassen noch einmal in den Ring zurück, um sich mit Conor McGregor, dem derzeit führenden und populärsten Akteur der Mixed Martial Arts zu messen. Da nach den Regeln des Boxsports gekämpft wird und der Ire noch nie einen regulären Boxkampf bestritten hat, gilt er trotz seiner körperlichen Überlegenheit und herausragenden Fähigkeiten in seinem eigenen Metier als klarer Außenseiter.

Obgleich die Mehrzahl der Experten von einer Farce spricht, die nur des Geldes wegen inszeniert und dem Ruf des Boxsports abträglich sein werde, ist es Mayweather und McGregor gelungen, die Pressekonferenzen an vier aufeinanderfolgenden Tagen als eigenständige und vielbeachtete Showauftritte zu gestalten. In Los Angeles, Toronto, New York und London waren jeweils mehr als 10.000 Zuschauer gekommen, nur um die Streithähne angeben, pöbeln und sich gegenseitig mit verbalen Schlägen unter die Gürtellinie traktieren zu sehen. Sie ließen nichts unversucht, um ihr lange als absehbar finanzielles Desaster auch in kommerzieller Hinsicht geschmähtes Vorhaben in einen möglichen Triumpf im Bezahlfernsehen zu verwandeln.

Das wiederum kann nur gelingen, wenn über die üblicherweise an Boxen und Mixed Martial Arts interessierte Zuschauerschaft hinaus breitere Kreise des Publikums eingebunden werden. Zu diesem Zweck bedienten die Pressekonferenzen das beliebte Reality-TV auf niedrigstem Niveau rassistischer, sexistischer und homophober Ausfälle, um all jene potentiellen Kunden anzufüttern, denen in erster Linie der Sinn nach einer Fortsetzung der brachial in Szene gesetzten Fehde steht. Wer zahlt schon 100 Dollar im Pay-TV und bis zu 10.000 Dollar für eine Eintrittskarte, nur um einen 40jährigen Boxer und einen UFC-Star zu sehen, die beide definitiv keine Zukunft im Boxsport haben, wenn man einmal von einer nicht auszuschließenden Revanche absieht!

So gesehen sind das Unterhaltungstalent und die Einsatzbereitschaft der beiden Verkaufsgenies nicht hoch genug einzuschätzen. Ohne minutiöses Drehbuch wie bei der WWE kulminierte ihr monatelang in den sozialen Medien vorgereifter Schlagabtausch in dem vermutlich frei improvisierten Spektakel ihres Werbefeldzugs durch vier Metropolen. Daß sie an den ersten beiden Tagen ihr Pulver tendenziell verschossen hatten und in der Folge teils ihre Zuflucht zu Wiederholungen nehmen mußten, wobei sie das mitunter vulgäre Niveau des Auftakts noch unterboten, nimmt nicht wunder.

Mayweather blieb die Stimme weg, so daß er teetrinkend den letzten Tag überstehen mußte. McGregor feierte seinen 29. Geburtstag in der Londoner SSE Arena, wo die ohrenbetäubende Begeisterung der Menschenmenge die Lautstärke der vorangegangenen Stationen noch übertraf, als stehe der Ire seinem Rivalen im dort errichteten Ring in einem realen Handgemenge gegenüber. Nach Ende der Veranstaltung zogen die 10.000 Fans McGregors unter Sprechchören und Schlachtgesängen durch die umliegenden Straßen ab, als kämen sie von einem sportlichen Großereignis und nicht von der Pressekonferenz für einen Kampf, der erst in sechs Wochen ausgetragen wird.

Er habe in seiner Karriere viele Werbekampagnen absolviert und die ganze Welt bereist. Doch diese Tour stelle alles in den Schatten, sei sie doch die bei weitem aufregendste und mitreißendste, die er je erlebt habe, zog Mayweather Bilanz. Es sei schlichtweg verrückt gewesen. Dem schloß sich McGregor mit der euphorischen Einschätzung an, diese Welttour sei ein Gipfelpunkt gewesen, wie man ihn nur einmal im Leben erreiche. So etwas habe man zuvor in keiner der beiden Disziplinen gesehen. Ihr vordringlichstes Ziel, Spaß zu haben und die Show zu genießen, sei voll und ganz erfüllt. Es habe sich lediglich um eine Pressekonferenz gehandelt, die dann jedoch in etwas ganz anderes verwandelt worden sei, so der Ire. [1]

Bezeichnenderweise gaben diverse Kommentatoren postwendend ihre persönliche Wertung ab, wer die vier Pressekonferenzen "gewonnen" habe. Auch das ein Beleg dafür, in welchem Ausmaß Mayweather und McGregor ihr Geschäft verstehen. Beide gehen nun nach Las Vegas ins Trainingslager, um sich akribisch auf ihr prestigeträchtiges Duell vorzubereiten. Auch in dieser Hinsicht griffe eine leichtfertige Einschätzung zu kurz, sie hätten eben das Publikum hinters Licht geführt und ließen den Rest ruhig angehen, auf den es ohnehin nicht mehr ankomme. Sie werden zweifellos im Verlauf der kommenden Wochen in den sozialen Medien nachlegen, um das heiße Eisen weiter zu schmieden.

Die außergewöhnliche Resonanz des Publikums und der Medien bei der Pressetour hat ein Zeichen gesetzt, das für sich genommen noch lange in Erinnerung bleiben wird. Daß sich der angestrebte Erfolg in Gestalt rekordverdächtiger Erträge im Pay-TV einstellen wird, ist hingegen keineswegs sicher. Mayweather und McGregor haben einen riesigen Ballon stimmungsgetragener Erwartungen aufgeblasen, dessen Größe den mutmaßlichen sportlichen Gehalt ihres Kampf um ein Vielfaches übersteigt. Ob der Rausch bis zum 26. August vorhält und erst hinterher der Ernüchterung weicht oder die Blase vorher platzt, gleicht einem extremen Vabanquespiel mit Unwägbarkeiten.


Fußnote:

[1] http://www.espn.com/boxing/story/_/id/20060122/reacting-floyd-mayweather-conor-mcgregor-world-tour

16. Juli 2017


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