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MELDUNG/2166: Ein Abschied in Würde (SB)



Timothy Bradley erklärt seine Karriere für beendet

Nach Wladimir Klitschko und Juan Manuel Marquez hat dieser Tage auch der US-amerikanische Weltergewichtler Timothy Bradley seine Karriere beendet. Der 34 Jahre alte frühere Weltmeister zweier Gewichtsklassen gab seinen Rücktritt vom aktiven Boxsport am vergangenen Wochenende offiziell bekannt, während er als Kommentator beim Kampf zwischen Wassyl Lomatschenko und Miguel Marriaga tätig war. Wenngleich er in der jüngeren Vergangenheit noch dann und wann als möglicher Gegner namhafter Akteure seiner Gewichtsklasse im Gespräch gewesen war, kam sein Rücktritt doch nicht völlig überraschend, da er seit geraumer Zeit nicht mehr im Ring gestanden hatte. Bei seinem letzten Auftritt mußte er sich am 9. April 2016 dem Philippiner Manny Pacquiao einstimmig nach Punkten geschlagen geben. In seiner dreizehn Jahre währenden Laufbahn brachte er es auf eine Bilanz von 33 Siegen, zwei Niederlagen sowie einem Unentschieden. [1]

Nachdem Tim Bradley seine Profilaufbahn im Jahr 2004 begonnen hatte, stieg er dank anhaltender Erfolge rasch in den Ranglisten auf und sicherte sich bereits nach neun Auftritten seinen ersten Titel im Halbweltergewicht. Eine Reihe weiterer Siege und erfolgreicher Verteidigungen seines WBC-Nachwuchsgürtels eröffnete ihm schließlich die Gelegenheit, den amtierenden WBC-Weltmeister Junior Witter aus England herauszufordern. Der Kampf fand am 10. Mai 2008 in Nottingham statt und war Bradleys Sprung ins Rampenlicht internationaler Beachtung, da er den Champion vor dessen heimischer Fangemeinde mit einer überzeugenden Vorstellung entthront hatte.

Mit guten Aussichten auf Duelle gegen namhafte Rivalen wie den Briten Ricky Hatton, den Philippiner Manny Pacquiao oder seinen Landsmann Devon Alexander im Halbweltergewicht standen ihm damals viele Türen zu ebenso spektakulären wie lukrativen Auftritten offen. Er verteidigte seinen Titel zunächst erfolgreich gegen den zähen Veteranen Edner Cherry und traf dann auf den weithin bekannten Kendall Holt, den er ebenfalls besiegte und sich dabei auch den WBO-Titel sicherte. Damit untermauerte er seinen Rang als einer der besten Boxer dieser Gewichtsklasse und bekräftigte seinen Anspruch auf die Vorherrschaft im Halbweltergewicht. Seine großartige Serie setzte sich ungebrochen fort, als er mit Devon Alexander und Lamont Peterson seine prominentesten Landsleute in die Schranken wies und sich schließlich mit einem vorzeitigen Sieg über Joel Casamayor aus diesem Limit verabschiedete.

Das Weltergewicht war mit Akteuren wie Floyd Mayweather, Juan Manuel Marquez und dem inzwischen ebenfalls aufgestiegenen Manny Pacquiao die am hochkarätigsten besetzte Gewichtsklasse der gesamten Branche. Als er dann auf den legendären Philippiner traf, der damals auf dem Zenit seines Könnens boxte, stieg Bradley erstmals seit seinem Titelgewinn wieder als Außenseiter in den Ring. Pacquiao hatte Ricky Hatton 2009 in nur zwei Runden abgefertigt und den körperlich klar überlegenen Oscar de la Hoya aufs sportliche Altenteil geschickt. Wenngleich Tim Bradley nahezu ebenbürtig war, schien er doch seiner ersten Niederlage entgegenzusteuern. Die Punktrichter waren jedoch anderer Auffassung und erklärten ihn nach zwölf Runden zum Sieger, was vielen Fans und Experten wenig behagte. Als die Aufzeichnung des Kampfs hinterher analysiert wurde, kam man nicht umhin, Pacquiaos Überlegenheit anzuerkennen. Da die Statuten der WBO jedoch eine nachträgliche Revision des Ergebnisses nicht zuließen, wurde eine Revanche vereinbart.

Zuvor mußte sich Bradley allerdings noch gegen so gefährliche Rivalen wie Ruslan Prowodnikow und Juan Manuel Marquez durchsetzen, die er beide nach Punkten besiegte. Der darauf folgende Rückkampf gegen Manny Pacquiao hatte zwei völlig verschiedene Gesichter. Während der Titelverteidiger in der ersten Hälfte punkten konnte, gewann der Philippiner in den folgenden Runden klar die Oberhand und setzte sich am Ende einstimmig durch, womit Bradley erstmals in seiner Karriere eine Niederlage hinnehmen mußte. Sein folgender Auftritt gegen den Argentinier Diego Chaves, der unentschieden endete, war vom Ergebnis her umstritten, da Bradley insgesamt gesehen überlegen gewirkt hatte. Es folgte ein Kampf um den Interimstitel der WBO gegen den bis dahin unbesiegten Jessie Vargas, den er klar dominierte, so daß die Entscheidung eindeutig zu seinen Gunsten ausfiel.

Nachdem sich Floyd Mayweather geweigert hatte, für seinen Kampf gegen Manny Pacquiao die fällige Gebühr an die WBO zu entrichten, nahm ihm der Verband den frischgewonnenen Titel wieder ab und erklärte Tim Bradley zum neuen Weltmeister. Dieser bekam es bei der ersten Titelverteidigung mit Brandon Rios zu tun, dem früheren WBA-Champion im Leichtgewicht. Bradley behielt durch technischen K.o. in der neunten Runde die Oberhand, worauf einem dritten und entscheidenden Kampf gegen Manny Pacquiao nichts mehr im Wege stand. Im Vorfeld dieses Duells waren die Meinungen geteilt, wie bedeutsam und sinnvoll ein erneutes Aufeinandertreffen dieser beiden Kontrahenten sei. Wenngleich jeder einmal gewonnen hatte, mußte doch allen klar sein, daß der Philippiner im Grunde bereits im ersten Kampf der bessere Boxer gewesen war, woran sich auch diesmal nichts ändern würde. Diese Einschätzung bestätigte sich denn auch im April 2016 im MGM Grand in Las Vegas, als Pacquiao die letzten Zweifel ausräumte. Nach Niederschlägen in der siebten und neunten Runde setzte er sich am Ende einstimmig in der Punktwertung durch und brachte den WBO-Titel wieder in seinen Besitz. [2]

Seit Timothy Bradley 2011 bei Top Rank unterschrieben hatte, bekam er nur Gegner vor die Fäuste, die ebenfalls bei Bob Arum unter Vertrag standen. Der inzwischen 87 Jahre alte Promoter verhindert mit dieser eigenwilligen Geschäftspolitik seit langem, daß ihm Konkurrenten ins Gehege kommen. Dadurch blieben für Bradley diverse namhafte Rivalen wie insbesondere Floyd Mayweather, mit dem er sich gern gemessen hätte, dauerhaft außer Reichweite. Andererseits bekam er drei hochdotierte und vielbeachtete Kämpfe gegen Manny Pacquiao, der zumindest bei den ersten beiden zu den populärsten Akteuren der gesamten Branche gehörte.

Inzwischen hat sich das Weltergewicht weiterentwickelt und mit Danny Garcia, Keith Thurman oder Errol Spence Boxer hervorgebracht, die wesentlich größer und jünger als Bradley sind, der für diese Gewichtsklasse im Grunde zu leicht war. Ganz davon abgesehen, daß Bob Arum solchen Kämpfen kaum zustimmen würde, stünde Tim Bradley dabei wohl auf verlorenem Posten. Nach den drei Duellen mit Pacquiao war diese Schiene endgültig abgearbeitet, und da Top Rank ansonsten keinen weiteren hochklassigen Weltergewichtler unter Vertrag hat, blieb nichts mehr zu tun übrig. Die einzige Ausnahme wäre Jeff Horn gewesen, dessen Co-Promoter Bob Arum ist. Der Australier hat als krasser Außenseiter völlig überraschend Manny Pacquiao besiegt, dem er gegen Ende des Jahres eine Revanche gewährt. [3]

Die anhaltende Untätigkeit ohne Aussicht auf einen attraktiven Kampf dürfte maßgeblich dazu beigetragen haben, daß Timothy Bradley die Wartezeit beendet und einen Schlußstrich gezogen hat. Wenngleich er noch längst nicht zum alten Eisen gehörte, zeichnete sich doch in zunehmendem Maße ab, daß er den Höhepunkt seines Könnens überschritten hatte. Schon vor dem Kampf gegen Ruslan Prowodnikow im Jahr 2013 hatte er Rücktrittsgedanken geäußert, und nach der strapaziösen Ringschlacht litt er eigenen Angaben zufolge mehrere Wochen lang unter Anzeichen einer gravierenden Beeinträchtigung. Seine Sprache sei etwas verwaschen gewesen, was sich aber zwei Monate später wieder gelegt habe. Vernünftigerweise hat er nun die angemessenen Konsequenzen aus seiner sportlichen Situation und körperlichen Verfassung gezogen und sich mit bewegenden Worten in den sozialen Medien von seiner Fangemeinde verabschiedet. Es wäre ihm zu wünschen, daß er nicht wie so viele andere Boxer rückfällig wird und um eines kurzfristigen Vorteils oder bloßen Wunschbildes willen seinen Abschied in Würde oder gar seine Gesundheit aufs Spiel setzt.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2017/08/tim-bradley-appreciation/#more-240242

[2] http://www.boxingnews24.com/2017/08/desert-storm-tim-bradley-blows-away/#more-240302

[3] http://www.boxingnews24.com/2017/08/tim-bradley-issues-retirement-statement/#more-240133

11. August 2017


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