Schattenblick → INFOPOOL → SPORT → BOXEN


MELDUNG/2227: Schwergewicht - Dem Mutterland eins auswischen ... (SB)



Neuseeländer kündigt den Sturz des britischen Champions an

Die beiden Schwergewichtsweltmeister Anthony Joshua (IBF, WBA, IBO) und Joseph Parker (WBO) treffen am 31. März in Cardiff aufeinander. In diesem Kampf stehen all ihre Titel zur Disposition, und einer von beiden wird die erste Niederlage seiner Karriere einstecken müssen. Der Sieger dieses Duells ist nur noch einen Schritt davon entfernt, erstmals seit Lennox Lewis im Jahr 1999 wieder unangefochtener Champion aller Klassen zu werden. Das ist dann freilich ein großer Schritt, da der WBC-Titel von dem US-Amerikaner Deontay Wilder gehalten wird, der seinerseits mit handfesten Argumenten die Führungsposition für sich beansprucht. Joshua kehrt also ins Principality Stadium zurück, wo er zuletzt gegen Carlos Takam den 20. vorzeitigen Sieg einfahren konnte. Davor hatte er sich im April eine wahre Schlacht mit Wladimir Klitschko im Londoner Wembley-Stadion geliefert.

Der 26jährige Neuseeländer Joseph Parker war im Dezember 2016 durch einen Sieg über den bis dahin ungeschlagenen Mexikaner Andy Ruiz in Auckland neuer WBO-Weltmeister geworden. Im Mai setzte er sich gegen den hünenhaften Rumänen Razvan Cojanu durch, worauf die zweite Titelverteidigung im September bei seinem ersten Auftritt in England mit einem einstimmigen Punktsieg über Hughie Fury, den Cousin des früheren Champions Tyson Fury, endete. Auf dem Papier ist er mit 24 gewonnenen Kämpfen sogar noch etwas besser als Joshua, der jedoch bei den Buchmachern als Favorit gehandelt wird. Parker gibt sich davon unbeeindruckt und kündigt dem prominenteren Rivalen den Schock seines Lebens an. Bald werde sich herausstellen, ob AJ einen Volltreffer vertragen kann.

Joshuas Promoter Eddie Hearn hat abermals einen Coup gelandet, da er die Neuseeländer auf knapp 30 Prozent der Einkünfte herunterhandeln konnte, ohne daß sie ihm erbost den Rücken kehrten. Er hat die Karriere seines prominentesten Boxers mit Bedacht aufgebaut und bislang jegliche Kritik an dessen Mängeln mit umsichtig angebahnten Erfolgen ausgekontert. Parkers Promoter David Higgins, der sich mit Hearn im Zuge ihrer zähen Verhandlungen manches erbitterte Wortgefecht geliefert hatte, zollte am Ende seinem einflußreichen Kollegen Respekt und attestierte ihm, vom ersten Tag an ein großartiger Geschäftspartner gewesen zu sein. Wenn man sich zwischendurch mitunter in der Wolle gehabt habe, liege das schlichtweg daran, daß manchmal Krach schlagen müsse, wer von vornherein als unterlegen angesehen werde. Neuseeland sei ein kleines Land auf der anderen Seite der Welt, könne jedoch mit einer stolzen Sporttradition aufwarten, zumal wenn es darum gehe, dem ehemaligen Mutterland eins auszuwischen.

Hocherfreut zeigte sich nicht zuletzt der Betreiber des Stadions in Cardiff, der daran erinnerte, daß bei Joshuas Titelverteidigung im Oktober mit mehr als 70.000 Zuschauern ein neuer Besucherrekord für Boxveranstaltungen in überdachten Arenen aufgestellt worden sei. Seither sei es nur noch eine Frage der Zeit gewesen, wann der nächste spektakuläre Boxkampf im Principality Stadium über die Bühne gehen würde. [1] Den Kampf zwischen Joshua und Klitschko hatten sogar 90.000 Zuschauer vor Ort in Wembley verfolgt. Die Riesenarena in der Walisischen Hauptstadt kann jedoch mit einem Schiebedach aufwarten, was sie unabhängig vom Wetter und damit zu einer ebenbürtigen Alternative macht, wenn es um spektakuläre Auftritte des beliebtesten britischen Boxers geht. Wie die Zuschauerzahlen samt den damit verbundenen Einkünften und die Quoten im britischen Pay-TV belegen, kommt an Joshua und Hearn gegenwärtig im Schwergewicht niemand vorbei.

Auch nicht Tyson Fury, der sich derzeit wieder in Form zu bringen versucht, um seine seit fast zwei Jahren unterbrochene Karriere wieder aufzunehmen. Er möchte sich am liebsten bereits im Sommer mit seinem Landsmann messen und läßt nichts unversucht, sich fast tagtäglich ins Gespräch zu bringen. Seines Erachtens sind Joshuas Tage als Weltmeister gezählt, da er gegen Parker den kürzeren ziehen werde. Wenngleich er mit dieser Prognose keineswegs allein dasteht, mutet sie doch aus seinem Munde recht seltsam an: Trifft seine Vorhersage zu, kann er den riesengroßen Zahltag mit Joshua abschreiben. Andererseits wiederholt er nur, was er bereits vor gut einem Monat zu diesem Thema gesagt hat. [2]

Zieht man in Betracht, welchen Eindruck der Weltmeister in seinen Kämpfen gegen Klitschko und Takam hinterlassen hat, könnte man schon auf den Gedanken kommen, daß er sich bereits auf dem absteigenden Ast seiner körperlichen Verfassung und boxerischen Möglichkeiten befindet. Zum einen bedurfte es lediglich einiger linken Haken und rechten Geraden des Ukrainers, um den Briten erstmals in dessen Profilaufbahn niederzuschlagen. Hätte Wladimir Klitschko nachgesetzt, solange Joshua konditionell an der Wand stand, wäre ihm der vorzeitige Sieg kaum zu nehmen gewesen. Joseph Parker ist jung, ambitioniert und kann gehörig zuschlagen, wobei er vor allem dann in seinem Element ist, wenn der Gegner nicht ständig ausweicht. So gesehen bietet Joshua dem Neuseeländer das statische Ziel, wie er es braucht, um seine Wirkungstreffer zu landen.

Die britische Fangemeinde hält ihren Champion für den besten Boxer der Welt, was einer nüchternen Prüfung nicht standhält. Joshua schlägt keinen nennenswerten Jab, sondern walzt auf den Gegner los, um auf ihn einzuschlagen. Seine wirklich gefährliche Waffe ist der rechte Uppercut, den er immer wieder bringt und dem auch Klitschko zum Opfer gefallen ist. Alles in allem boxt er sehr überschaubar, was angesichts seiner Statur und Offensive jedoch ausreicht, um schwächere Kontrahenten einzuschüchtern und sturmreif zu schießen. Sollte Fury eine neue Lizenz bekommen, wofür sich Promoter Frank Warren derzeit bei der Boxkommission starkmacht, und sich noch einmal in eine passable körperliche Verfassung bringen und Joshua dann immer noch Weltmeister sein, wäre das schon für sich genommen mehr als nur ein kleines Wunder. Vielleicht führt Tyson Fury deshalb einen baldigen Kampf gegen seinen Landsmann im Munde, da dies der einzige Zeitpunkt sein könnte, wenigstens große Kasse für den sportlichen Ruhestand zu machen.


Fußnoten:

[1] www.boxingnews24.com/2018/01/joshua-vs-parker-official-march-31-cardiff/#more-253134

[2] www.boxingnews24.com/2018/01/tyson-fury-predicting-joseph-parker-win-joshua/#more-253282

18. Januar 2018


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang