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MELDUNG/2240: Schwergewicht - Verbandspolitik macht erfinderisch ... (SB)



Versteigerung des Kampfs zwischen Pulew und Breazeale anberaumt

Der Verband IBF hat für den 10. April eine Versteigerung der Austragungsrechte am Kampf zwischen Kubrat Pulew und Dominic Breazeale anberaumt, in dem der neue Pflichtherausforderer des Weltmeisters im Schwergewicht, Anthony Joshua, ermittelt werden soll. Wollen die beiden Teams dieses Verfahren vermeiden, müssen sie sich in den wenigen verbliebenen Tagen doch noch handelseinig werden. Der 36jährige Pulew hat 35 Siege und eine Niederlage vorzuweisen, wobei er sich nur Wladimir Klitschko geschlagen geben mußte, der ihm vor vier Jahren in der fünften Runde das Nachsehen gab. Seither hat er fünf Auftritte gewonnen und sich dabei im Mai 2016 knapp nach Punkten gegen den Briten Dereck Chisora durchgesetzt. Die weiteren Kontrahenten Samuel Peter, Kevin Johnson, Maurice Harris und George Arias sind durchaus bekannt, firmieren inzwischen aber eher als Aufbaugegner, so daß schwer einzuschätzen ist, auf welchem Niveau der Bulgare heute kämpft.

Dank seiner guten Bilanz war Pulew in der IBF-Rangliste seit langem weit vorne anzutreffen und so eröffnete sich ihm im Oktober 2017 die Gelegenheit, sich mit Anthony Joshua zu messen. Leider mußte der von Ulli Wegner trainierte Herausforderer zwei Wochen vor dem Termin wegen einer Schulterverletzung absagen. Der Champion trat daraufhin am 28. Oktober im Principality Stadium in Cardiff gegen Carlos Takam an, der sich in der zehnten Runde geschlagen geben mußte. Dem Bulgaren entging durch dieses Mißgeschick die größte Börse seiner Karriere wie auch die langersehnte Gelegenheit, sich international wieder ins Gespräch zu bringen. Wenngleich er als Außenseiter gehandelt wurde, hätte er doch im Falle eines respektablen Auftritts vermutlich auch bei einer Niederlage von seiner aufgefrischten Popularität zehren können. Daß der Verband IBF angeordnet hat, Pulew müsse sich für den Rang des Pflichtherausforderers erneut qualifizieren, muß indessen nicht von Nachteil sein. Zum einen dürfte Joshua im laufenden Jahr ohnehin ausgebucht sein, zum anderen bietet der Kampf gegen Breazeale eine Gelegenheit, sich in Schwung und ins Gespräch zu bringen wie auch eine hoffentlich anständige Börse einzustreichen.

Der 32 Jahre alte Dominic Breazeale hat 19 Auftritte gewonnen und einen verloren. Er wird in der IBF-Rangliste an Nummer sechs sowie bei den Verbänden WBC und WBO jeweils an zweiter Stelle geführt. Er könnte also durchaus die Chance bekommen, von WBC-Weltmeister Deontay Wilder für eine freiwillige Titelverteidigung ausgewählt zu werden. Damit könnte er sich die Qualifikation mit Kubrat Pulew ersparen und erheblich mehr Geld verdienen, doch ist diese Option bislang lediglich eine theoretische Möglichkeit. Seine einzige Niederlage hat Breazeale vor zwei Jahren gegen Anthony Joshua bezogen, der ihn klar dominierte und in der siebten Runde auf die Bretter schickte. Warum ihm der Verband trotzdem die Gelegenheit eröffnen möchte, abermals gegen den Briten anzutreten, mutet auf den ersten Blick kaum nachvollziehbar an. Zum einen werden mit dieser Entscheidung diverse Kandidaten übergangen, deren Anspruch auf einen Titelkampf höher einzuschätzen ist. Zum anderen dürfte sich das Interesse des Publikums in Grenzen halten, einen zweiten Aufguß des schon in Erstauflage nicht gerade attraktiven Geschehens im Ring mitzuerleben.

Breazeale hat seine letzten beiden Kämpfe gegen Izuagbe Ugonoh und Erick Molina jeweils vorzeitig gewonnen. Warum die IBF darauf verfallen ist, ihn eine Qualifikation gegen Kubrat Pulew bestreiten zu lassen, bekommt Kontur, sobald man sich das gesamte Szenario im Schwergewicht vor Augen führt. Beim WBC führt der Brite Dillian Whyte die Rangliste an, dessen Promoter Eddie Hearn einen baldigen Titelkampf seines Boxers gegen den Weltmeister Deontay Wilder aus den USA anstrebt. Noch hat der Verband WBC nicht entschieden, wer neuer Pflichtherausforderer des Champions werden soll. Da Breazeale an Nummer zwei rangiert, wäre eine Qualifikation gegen Dillian Whyte als mögliche Option nicht auszuschließen. Da die IBF dem jedoch zuvorgekommen ist, könnte der Weg für Dillian Whyte frei sein, sofort Pflichtherausforderer beim WBC zu werden. [1]

Eddie Hearn, dessen Einfluß in der internationalen Schwergewichtsszene derzeit unübertroffen ist, dürfte jedenfalls mit der Entwicklung beim Verband IBF sehr zufrieden sein. Dillian Whyte hat am vergangenen Wochenende den Australier Lucas Browne spektakulär in der sechsten Runde besiegt und damit seinen Anspruch auf einen Titelkampf gegen Wilder kräftig unterstrichen. Dieser Erfolg gibt Hearn Rückenwind in seinem offenkundigen Bestreben, Anthony Joshua von Deontay Wilder fernzuhalten und statt dessen Dillian Whyte nach vorn zu schieben. Zwar ließe sich mit einem Megakampf zwischen Joshua und Wilder sehr viel mehr Geld als mit jeder anderen Kombination verdienen, doch dürfte der WBC-Weltmeister zugleich der einzige Rivale sein, der Joshua und Hearn Respekt einflößt, auch wenn sie das eher nicht zugeben würden. Der britische Promoter will seinen populärsten und einträglichsten Boxer noch lange ungeschlagen halten, nicht aber in einem einzigen großen Zahltag verlieren. Die Erfahrung mit Wladimir Klitschko, der als sturmreif eingeschätzt worden war, aber über sich hinauswuchs und Joshuas Mängel deutlich aufzeigte, dürfte Eddie Hearn eine Lehre gewesen sein.

Die IBF hat bei ihrer Entscheidung Jarrell Miller übersprungen, der an Nummer drei der Rangliste notiert ist und bei Hearn unter Vertrag steht. Da der britische Promoter bereits angekündigt hat, er wolle Anthony Joshua im Falle des Sieges über WBO-Weltmeister Joseph Parker am kommenden Wochenende im Sommer gegen Miller antreten lassen, dürfte der Verband das für bare Münze und Miller aus der Rechnung genommen haben. Sollte Anthony Joshua Weltmeister bleiben und tatsächlich irgendwann erneut auf Dominic Breazeale treffen, würde ihm das sicher keine schlaflosen Nächte bereiten. Ihr erste Begegnung verlief für den Champion wie ein Sparringskampf, da der Herausforderer viel zu eingeschüchtert wirkte und wenig schlug. In diesem einseitigen und langweiligen Gefecht hatte der Brite freie Hand, Treffer auf Treffer zu landen, bis Breazeale mit seinem Latein am Ende war. Wenngleich das nicht zwangsläufig bedeutet, daß eine Neuauflage genauso verliefe, gibt es auch für das Gegenteil keine nennenswerten Anhaltspunkte.


Fußnote:

[1] www.boxingnews24.com/2018/03/ibf-schedules-kubrat-pulev-vs-dominic-breazeale-purse-bid-on-april-10/#more-259848

29. März 2018


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