Schattenblick → INFOPOOL → SPORT → BOXEN


MELDUNG/2286: Schwergewicht - das war keine hohe Hürde ... (SB)



Tyson Fury gewinnt alle zwölf Runden gegen Francesco Pianeta

Der britische Schwergewichtler Tyson Fury hat sich im nordirischen Belfast wie erwartet gegen den in Deutschland lebenden Italiener Francesco Pianeta durchgesetzt und dabei alle zehn angesetzten Runden für sich entschieden. Vor 25.000 Zuschauern im Windsor Park blieb der 30jährige frühere Champion damit auch in seinem 27. Profikampf ungeschlagen, während für seinen drei Jahre älteren Aufbaugegner nun 35 Siege, fünf Niederlagen sowie ein Unentschieden zu Buche stehen. Dank dieses Erfolgs dürfte Furys Duell mit WBC-Weltmeister Deontay Wilder, das im November in Las Vegas über die Bühne gehen soll, nichts mehr im Wege stehen. [1]

Der in der Rechtsauslage kämpfende Pianeta erweckte nicht gerade den Eindruck eines Boxers, der mit aller Macht auf eine Entscheidung zu seinen Gunsten drängt. Jedenfalls ging er eher bedächtig zu Werke und zwang Fury den Kampf nicht in dem Maße auf, wie es erforderlich gewesen wäre, um seine Außenseiterchance zu wahren. Nachdem der Favorit fünf Runden lang seine Reichweitenvorteile aus der Distanz ausgespielt hatte, änderte er seine Vorgehensweise und rückte näher an Pianeta heran, um ihn mit Uppercuts und Schlägen zum Körper zu traktieren. Er hielt dabei allerdings seinen Kopf so tief, daß er sich eine Ermahnung des Ringrichters Steve Gray einhandelte. In der achten Runde versetzte ihm der Italiener einen Tiefschlag, den der Referee glücklicherweise nicht zum Anlaß nahm, den Kampf abzubrechen. Fury wechselte nun wiederholt die Auslage, um den Gegner zu irritieren und zu täuschen, was aber letztlich keinen Unterschied machte. Pianeta versuchte wie zuvor, ab und zu an den 2,06 m großen Riesen heranzukommen, um seine besten Schläge anzubringen, was ihm aber eher selten gelang.

Wenngleich sich Fury also der Aufgabe ungefährdet entledigte und die Gelegenheit wahrnahm, verschiedene Kampfesweisen zu erproben, offenbarte er doch diverse Schwächen, die gegen Wilder verhängnisvoll wären. Seine Deckung war so schlecht, daß ihn der an sich überforderte Gegner häufiger traf. Vor allem aber fielen seine eigenen Schläge recht langsam und nicht wirkungsvoll genug aus, um eine vorzeitige Entscheidung herbeizuführen, obwohl er offensichtlich darauf aus war. Daher ähnelte der Kampf oftmals einer Sparringssession, in der beide Akteure mehr oder minder fleißig arbeiteten, aber ansonsten nicht viel passierte. [2]

Dessen ungeachtet gab sich Fury hinterher sehr angetan von dem eigenen Auftritt, da er gegen einen zähen Kontrahenten zehn Runden eingefahren habe. Er habe den Beweis angetreten, über die volle Distanz boxen zu können, ohne sich restlos zu verausgaben, gut mit dem Jab gearbeitet und verschiedene Manöver erprobt. Allerdings hatte er es mit einem Gegner zu tun, der einfach nicht mobil genug war, um ihm den Weg abzuschneiden und ihn zu stellen. Gemessen an seinem Sieg über Wladimir Klitschko vor drei Jahren bediente sich der Brite zwar ähnlicher Bewegungsmuster, doch wirkte er insgesamt wesentlich schwerfälliger als damals.

Kaum war des Ergebnis der Punktwertung verkündet, als Deontey Wilder auch schon in den Ring kletterte, um gemeinsam mit Tyson Fury ihr Novemberduell offiziell bekanntzugeben. Alle seien bereit, der Kampf finde statt. Fury könne die Hoffnung zu Grabe tragen, sich den Titel zu sichern, da er ihn geschlagen auf die Bretter schicken werde, so der US-Amerikaner. Das sei unmöglich, erwiderte der Brite, da ihn der Champion nicht treffen könne. Er werde nach Las Vegas reisen, sich den Gürtel holen und ihn mit nach Hause bringen.

Da der seit Jahren geforderte Kampf der Weltmeister Anthony Joshua (WBA, WBO, IBF) und Deontay Wilder (WBC) noch immer ungewiß ist, sprang Fury in die Bresche und sicherte sich die Herausforderung des Amerikaners. In finanzieller Hinsicht ist das zweifellos ein gelungener Coup, da das Publikum darauf abfahren wird. Unter sportlichen Gesichtspunkten geht der Brite jedoch ein Wagnis ein, das ihm schlecht bekommen dürfte, wenngleich er Zuversicht verströmt, diese Aufgabe lösen zu können. Aus Wilders Perspektive fühlt es sich vermutlich an, als habe er den Hauptgewinn in der Lotterie gezogen, da er bei einem vergleichsweise geringen Risiko sehr viel Geld verdienen kann.

Fury hat nach seiner langen Abwesenheit von zweieinhalb Jahren erst zwei Aufbaukämpfe bestritten, beharrt aber darauf, daß er keiner weiteren Vorbereitung bedürfe, um es mit dem in 40 Kämpfen ungeschlagenen Deontay Wilder aufnehmen zu können. Mit dem restlos überforderten Sefer Seferi hatte er im Juni leichtes Spiel und brauchte nur vier Runden, um die Oberhand zu behalten. Francesco Pianeta barg zwar ebenfalls keine ernsthafte Gefahr, verlangte ihm aber schon einiges mehr ab und hielt bis zum Schlußgong durch. Wie Fury nach seinem Auftritt auf einer unterhaltsamen Pressekonferenz, die er durch Gesangseinlagen bereicherte, zu berichten wußte, sei er ursprünglich von vier Aufbaukämpfen ausgegangen, bis er sich an einen Weltmeister heranwagen könne. Nun sei er jedoch davon überzeugt, daß die beiden absolvierten Auftritte ausreichten und er keine weitere Vorbereitung benötige. Seine Beweglichkeit sei wieder da, das Timing stimme und die Schnelligkeit lasse nichts zu wünschen übrig. Daher wäre es reine Zeitverschwendung, sich mit Nebensächlichem aufzuhalten. Bis zum November habe er noch reichlich Gelegenheit, weiter Gewicht zu reduzieren, im Sparring zu arbeiten und sich in beste Verfassung zu bringen. [3]

Vor seinem Kampf gegen Wladimir Klitschko im November 2015 habe er Dereck Chisora im November 2014 und Christian Hammer im Februar 2015 in die Schranken gewiesen. Mehr sei damals nicht erforderlich gewesen, um den Weltmeister vom Thron zu stoßen, mehr brauche er auch diesmal nicht. Wenngleich ihm der schwerste Gang seiner Karriere bevorstehe und Wilder Dynamit in beiden Fäusten habe, werde er einen Weg finden, ihn nicht zum Zuge kommen zu lassen, und ihm keine Gelegenheit geben, seine wilden Schläge an den Mann zu bringen. Er sei dem Amerikaner technisch überlegen, werde ihn ausmanövrieren und den Ring als neuer Weltmeister verlassen. Wäre er nicht davon überzeugt, Wilder besiegen zu können, hätte er sich niemals auf dieses Duell eingelassen. Das Wort "Niederlage" komme in seinem Vokabular nicht vor, redet sich Tyson Fury in Rage, unterhält sein Publikum und scheint tatsächlich davon überzeugt zu sein, dem Weltmeister auch im übertragenen Sinn auf gleicher Augenhöhe begegnen zu können.


Fußnoten:

[1] www.boxingnews24.com/2018/08/tyson-fury-defeats-francesco-pianeta-deontay-wilder-fight-announced/#more-268847

[2] www.boxingnews24.com/2018/08/tyson-fury-and-carl-frampton-victorious-results/#more-268858

[3] www.espn.com/boxing/story/_/id/24410610/tyson-fury-defeats-francesco-pianeta-sets-heavyweight-showdown-deontay-wilder

22. August 2018


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang