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MELDUNG/2292: Schwergewicht - Trophäenjagd auf dem Nebengleis ... (SB)



Jarrell Miller nicht an Dillian Whyte interessiert

Der US-amerikanische Schwergewichtler Jarrell Miller ist eigenen Angaben zufolge nicht daran interessiert, sich im Dezember mit dem Briten Dillian Whyte zu messen. Er bekommt es bei seinem nächsten Auftritt am 6. Oktober in Chicago mit dem 41jährigen Tomasz Adamek zu tun, der kein allzu harter Prüfstein für ihn sein dürfte. Danach strebt Miller einen Kampf gegen Manuel Charr an, den regulären Weltmeister der WBA, dessen Titel er sich sichern will. Da er Pflichtherausforderer bei diesem Verband ist, sollte es kein Problem sein, den Kölner vor die Fäuste zu bekommen. Mit Hilfe dieses Gürtels hofft der US-Amerikaner, eine bessere Verhandlungsposition zu erwirtschaften, da er einen Titelkampf gegen Anthony Joshua bekommen möchte. Gegen Whyte anzutreten mache hingegen derzeit für ihn keinen Sinn, meint Miller.

Dillian Whyte, für den 24 Siege und eine Niederlage zu Buche stehen, hat beste Aussichten, am 13. April 2019 im Londoner Wembley-Stadion Anthony Joshua herauszufordern. Zuvor soll er im Dezember in den Ring steigen, wofür ihm sein Promoter Eddie Hearn drei mögliche Gegner zur Auswahl vorgeschlagen hat, nämlich Jarrell Miller, Dereck Chisora und Dominic Breazeale. Whyte hat bereits signalisiert, daß er eine Revanche gegen seinen Landsmann Chisora bevorzugen würde, sofern die Kasse stimmt. Da er jedoch den Löwenanteil der Börse für sich beanspruchen dürfte, könnte für Chisora zu wenig abfallen, als daß er dafür ein derartiges Risiko einginge.

Der 30jährige Jarrell Miller hat mit Eddie Hearn einen Vertrag über zwei Kämpfe abgeschlossen, die vom Streamingdienst DAZN übertragen werden. Je nach Verlauf dieser beiden Auftritte könnte er anschließend weiter unter der Regie von Matchroom Boxing in den Ring steigen, sofern er nicht einen Wechsel zu HBO oder Showtime vorzieht. Mit einer Bilanz von 21 Siegen und einem Unentschieden hat der US-Amerikaner eine recht gute Ausgangsposition, zumal sein Name des öfteren in Verbindung mit den Weltmeistern Anthony Joshua (WBA, WBO, IBF) und Deontay Wilder (WBC) fällt.

Für den 33 Jahre alten Manuel Charr geht es zunächst einmal darum, am 29. September in Köln die Oberhand gegen Fres Oquendo zu behalten. Das sollte ihm gelingen, da der inzwischen 45jährige Puertoricaner seit der knappen Niederlage gegen Ruslan Tschagajew im Juli 2014 keinen Kampf mehr bestritten hat. Daß er nach so langer Abwesenheit überhaupt noch einen Titelkampf bekommt, ist auf ein Gerichtsurteil zurückzuführen, das ihm vor Jahren diesen Anspruch zuerkannt hat. Charr, der 31 Kämpfe gewonnen und vier verloren hat, mußte sich Vitali Klitschko, Mairis Briedis, Johann Duhaupas und Alexander Powetkin geschlagen geben. Im November 2017 setzte er sich einstimmig nach Punkten gegen den 41jährigen Alexander Ustinow durch und sicherte sich damit den Titel. Das war ein beachtlicher Erfolg für den Kölner, wenngleich man hinzufügen muß, daß der riesige Weißrusse inzwischen recht langsam geworden ist.

Ob Miller die Bedeutung des regulären WBA-Titels als Faustpfand für höhere Aufgaben realistisch einschätzt, sei dahingestellt. Daß sich Joshua als Superchampion dieses Verbands für die zweitrangige Trophäe interessieren könnte, darf man ausschließen, da er dieser Region längst entwachsen ist. Eher schon könnte der Titel nützlich sein, wenn ihn der US-Amerikaner gegen Dillian Whyte oder Dereck Chisora verteidigen würde. Allerdings sind das Kämpfe, die Miller auch ohne den Gürtel bekommen könnte, was gleichermaßen im Falle Anthony Joshuas gilt. Eddie Hearn braucht namhafte US-amerikanische Schwergewichtler, um seinen hochdotierten Vertrag mit DAZN zu erfüllen. Will er Boxfans in den USA veranlassen, 10 Dollar im Monat für den Dienst zu bezahlen, muß er ihnen einheimische Boxer präsentieren, mit denen sie etwas anfangen können. Dillian Whyte oder Dereck Chisora sind in England sehr populär, dem durchschnittlichen US-Zuschauer aber so gut wie unbekannt.

Obgleich Jarrell Miller derzeit bei Eddie Hearn unter Vertrag steht, kann er sich einen verbalen Seitenhieb nicht verkneifen. Er wirft dem britischen Promoter vor, die Schwergewichtsszene zu manipulieren, indem er bestimmte Akteure von Anthony Joshua fernhält. Mit dieser Auffassung steht er insofern nicht allein, als das Ausbleiben des seit langem geforderten Kampfs der Weltmeister gegen Deontay Wilder in zunehmendem Maße Hearn angelastet wird. Dieses Duell, in dem die Vorherrschaft im Schwergewicht geklärt werden soll, war bereits 2016 in aller Munde, wurde damals aber von dem britischen Promoter verzögert und schließlich verhindert. Wenngleich ein Kampf Joshuas mit Wilder im April 2019 angeblich immer noch möglich ist, entbehrt dies doch der Glaubwürdigkeit. Eddie Hearn hat dem WBC-Weltmeister ein derart schlechtes finanzielles Angebot gemacht, daß sich der US-Amerikaner unmöglich darauf einlassen kann. Aus diesem Grund sind die Gespräche zwischen den beiden Lagern schon vor Wochen zum Stillstand gekommen. [1]

Obgleich kein offizieller Schlußstrich unter das Kapitel Wilder gezogen ist, läßt Eddie Hearn doch keinen Zweifel daran, daß Dillian Whyte die besten Aussichten hat, im April das große Los des Titelkampfs gegen Anthony Joshua zu ziehen. Jarrell Miller, dem man zunächst ebenfalls gute Chancen eingeräumt hatte, muß sich dahinter einreihen und in Geduld üben. Siege gegen Tomasz Adamek und Manuel Charr sind für ihn Pflicht, danach könnte ein britischer Gegner folgen. Mehr läßt sich vorerst nicht sagen, wobei Miller natürlich nicht ausschließen kann, daß er neben Deontay Wilder und dem Kubaner Luis Ortiz selber zu jenen Rivalen gehört, die Eddie Hearn von Anthony Joshua fernhalten möchte.


Fußnote:

[1] www.boxingnews24.com/2018/09/jarrell-miller-not-interested-in-dillian-whyte-fight/

4. September 2018


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