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MELDUNG/2301: Halbweltergewicht - Einstand nach Maß ... (SB)



Jorge Linares debütiert erfolgreich gegen Abner Cotto

Bei seinem Debüt im Halbweltergewicht hat Jorge Linares kurzen Prozeß mit dem überforderten Abner Cotto gemacht. Der 33jährige ehemalige Weltmeister in drei Gewichtsklassen setzte sich im Fantasy Springs Casino in Indio, Kalifornien, dank seiner klaren technischen Überlegenheit bereits in der dritten Runde gegen den drei Jahre jüngeren Puertoricaner durch. Während der in Las Vegas lebende gebürtige Venezolaner damit seine Bilanz auf 45 Siege und vier Niederlagen ausbauen konnte, stehen für seinen Gegner 23 gewonnene und vier verlorene Auftritte zu Buche. [1]

Nachdem die Kontrahenten in der ersten Runde Maß genommen hatten, ergriff Linares in der zweiten die Initiative und schickte Cotto kurz vor der Pause mit einer Rechten zum Kinn auf die Bretter. Die dritte Runde hatte kaum begonnen, als der Puertoricaner abermals zu Boden gehen mußte. Er kam zwar rechtzeitig wieder auf die Beine, wurde aber sofort mit einer Serie von Körpertreffern angegriffen. Cotto blickte fragend zum Ringrichter, ob es sich nicht um Tiefschläge handle, was aber nicht der Fall war. Unterdessen schlug Linares weiter auf ihn ein, bis ihn der Gegner umklammerte und im Fallen mit herunter auf die Matte zog. Als der Puertoricaner abermals hochkam, gaben seine Beine nach, so daß er wieder zu Boden stürzte, worauf seine Ecke das Handtuch zum Zeichen der Aufgabe warf. Dem entsprach Referee Raul Caiz, der den Kampf nach 1:31 Minuten der dritten Runde für beendet erklärte. [2]

Laut der Statistik von CompuBox hatte Linares 58 von 132 Schlägen ins Ziel gebracht (44 Prozent), während Cotto lediglich bei 20 von 103 Versuchen erfolgreich war (19 Prozent). Welch furioses Finale der Venezolaner hingelegt hatte, belegen 18 seiner insgesamt 25 schweren Treffer in der dritten Runde und damit der letzten halben Minute des Kampfs. Dies dokumentiert die Überlegenheit des früheren Weltmeisters im Feder-, Superfeder- und Leichtgewicht, der inzwischen wieder mit seinem langjährigen Trainer Jorge Zerpa zusammenarbeitet.

In einer ersten Stellungnahme nach seinem Erfolg verlieh Linares der Freude Ausdruck, die Premiere im Halbweltergewicht gut über die Bühne gebracht zu haben. Er komme in diesem Limit immer besser zurecht und sei bereit, sich mit den besten Akteuren zu messen. Cotto räumte ein, er sei zwar gut vorbereitet angetreten, habe aber nicht erwartet, daß der Gegner so hart schlagen könne. Linares sei indessen nicht irgendein beliebiger Kontrahent, sondern ein früherer Champion in drei Gewichtsklassen. Zu seinem Bedauern war es dem Puertoricaner nicht gelungen, vor den Augen seines prominenten Cousins Miguel Cotto zu glänzen, der das Geschehen vor Ort verfolgt und ihn angefeuert hatte.

Jorge Linares hatte aus einer fast lückenlosen Deckung heraus gekämpft, mit der er den Jab und linken Haken des Gegners weitgehend abblocken konnte. Daß Cotto nur selten mit seinen Schlägen durchkam, unterstrich die signifikant ausgeprägteren technischen Fertigkeiten des Venezolaners. Der Puertoricaner konnte recht heftig zuschlagen, doch erschöpften sich darin auch schon seine nennenswerten Qualitäten, weshalb die Runden gezählt waren, die er mit dem ehemaligen Champion überstand. Es handelte sich von vornherein um einen ungleichen Kampf, was für Linares ungewöhnlich ist, der sich in aller Regel mit hochklassigen Kontrahenten mißt. Da er jedoch nach der Niederlage gegen Wassyl Lomatschenko wieder Zuversicht fassen mußte und zudem erstmals im Halbweltergewicht antrat, ist verständlich, daß die Wahl auf einen vergleichsweise leichten Gegner gefallen war.

Am 12. Mai war es zu einem Gipfeltreffen in New York gekommen, bei dem Jorge Linares den WBA-Titel im Leichtgewicht gegen Wassyl Lomatschenko verteidigte. Um diesen spektakulären Kampf möglich zu machen, hatten Oscar de la Hoya von den Golden Boy Promotions und Bob Arum von Top Rank ausnahmsweise ihre langjährige Feindschaft zurückgestellt. Der Ukrainer schrieb dabei vor mehr als 10.000 Zuschauern im Madison Square Garden Boxgeschichte, wurde er doch bereits in seinem zwölften Profikampf Weltmeister in der dritten Gewichtsklasse. Lomatschenko behielt in einem harten und relativ ausgeglichenen Kräftemessen in der zehnten Runde gegen Jorge Linares die Oberhand und nahm ihm damit den Titel ab.

Der körperlich unterlegene Ukrainer traf in New York erstmals seit langem wieder auf einen Gegner, der mit seinem hochklassigen technischen Können zurechtkam und ihm beträchtliche Probleme bereitete. Nachdem Linares in der ersten Hälfte des Kampfs leichte Vorteile verbucht hatte, kam Lomatschenko im späteren Verlauf stärker auf. In der sechsten Runde mußte er jedoch nach einem Volltreffer erstmals in seiner Profilaufbahn zu Boden gehen. Die Entscheidung fiel dann im zehnten Durchgang, als Linares von einer Schlagserie in die Seile getrieben wurde und dort nach einem Körpertreffer auf ein Knie sank. Wenngleich er rechtzeitig wieder hochkam, hielt ihn Ringrichter Ricky Gonzalez für schwer angeschlagen und brach den Kampf ab.

Nach dem Titelverlust faßte Jorge Linares den Entschluß, aus dem Leichtgewicht, in dem er seit 2010 angetreten war, ins Halbweltergewicht aufzusteigen, um sich dort auf die Jagd nach einem Gürtel zu machen. Gegen Abner Cotto, der zuvor fünf Auftritte in Folge für sich entschieden hatte, ging er behende, versiert und fokussiert zu Werke. Vor allem aber hat er auch im höheren Limit seine Schlagwirkung nicht eingebüßt, so daß er sich wohl auch dort behaupten kann. Allerdings muß sich natürlich erst noch erweisen, ob er gefährlichen Kontrahenten wie Regis Prograis, Jose Ramirez, Josh Taylor oder Maurice Hooker gewachsen ist, die von anderem Kaliber als Abner Cotto sind. Prograis dürfte in diesem Quartett gegenwärtig der stärkste Rivale sein. Was seine Deckung, Schnelligkeit und Kombinationen betrifft, ist Linares ein Kandidat der allerersten Garnitur. Allerdings schienen die wenigen Treffer, die er gegen Cotto einstecken mußte, doch seine Aufmerksamkeit erregt zu haben. Da der Puertoricaner längst nicht so wirksam schlägt wie die Prominenz in dieser Gewichtsklasse, muß sich Linares auf eine Kanonade gefaßt machen, wenn er ans Tor der Weltmeister pocht.

Vor seinem jüngsten Auftritt in New York hatte Linares zwei Gründe genannt, die ihn dazu veranlassen könnten, sein Glück doch noch einmal im Leichtgewicht zu versuchen. Eine Revanche gegen Wassyl Lomatschenko oder ein Kampf gegen Mikey Garcia, der ebenfalls einen Titel in seinem Besitz hat, würden ihn reizen, dorthin zurückzukehren. Die Niederlage gegen den Ukrainer sei ein Stachel in seinem Fleisch, den er nur zu gern herausziehen möchte, so der Venezolaner. Wenngleich er gegen den mutmaßlich besten Boxer der Branche verloren habe, wünsche er sich nichts so sehr, als ihn ein zweites Mal vor die Fäuste zu bekommen. Was Mikey Garcia angeht, habe er wiederholt sein Interesse zum Ausdruck gebracht, sich mit ihm zu messen. Vielleicht komme es ja im nächsten Jahr zu diesem Kampf. Davon abgesehen sei er bereit und in bester Verfassung, um sich im Halbweltergewicht durchzusetzen, wo beispielsweise ein Titelkampf gegen Jose Ramirez eine attraktive Perspektive eröffne.


Fußnoten:

[1] www.boxingnews24.com/2018/09/jorge-linares-destroys-abner-cotto-results/

[2] www.espn.com/boxing/story/_/id/24839876/jorge-linares-stops-abner-cotto-junior-welterweight-debut

30. September 2018


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